Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

Die 4 Maxwell-Gleichungen: Wichtige Grundlagen anschaulich erklärt

Inhaltsverzeichnis
  1. Technische Anwendungen der Maxwell-Gleichungen Hier lernst du die technischen Anwendungen, die uns die Maxwell-Gleichungen ermöglichen.
  2. 1. Zutat: Das elektrische E-Feld Hier lernst du das elektrische Feld kennen, das in zwei von vier Maxwell-Gleichungen vorkommt.
  3. 2. Zutat: Das magnetische B-Feld Hier lernst du das Magnetfeld kennen, das in zwei von vier Maxwell-Gleichungen vorkommt, und was es mit einem Kreuzprodukt zu tun hat.
  4. Mathematik in den Maxwell-Gleichungen: Gauß-Integraltheorem Eines der zwei mathematischen Theoreme, das für das tiefere Verständnis der Maxwell-Gleichungen notwendig ist. Außerdem lernst du die Divergenz eines Vektorfeldes kennen sowie den elektrischen und magnetischen Fluss.
  5. Elektrische und magnetische Spannung
  6. Die 1. Maxwell-Gleichung Hier lernst du wie elektrische Felder mit elektrischen Ladungen zusammehängen.
  7. 2. Maxwell-Gleichung Hier lernst du warum es keine magnetischen Monopole gibt.
  8. Die 3. Maxwell-Gleichung Hier lernst du wie elektrische Wirbelfelder mit zeitlich veränderlichen Magnetfeldern zusammenhängen.
  9. Die 4. Maxwell-Gleichung Hier lernst du wie ein zeitlich veränderliches elektrisches Feld und ein elektrischer Strom mit dem magnetischen Wirbelfeld zusammenhängen.
  10. Übungen mit Lösungen

Mit dieser Lektion wirst du die faszinierende Welt der Maxwell-Gleichungen entdecken - ohne dass es dabei zu langweiligen, theoretischen Ableitungen kommt. Stattdessen werden diese Gleichungen in dieser Lektion auf eine verständliche und zugängliche Weise präsentiert und dabei auch die mathematischen Hintergründe anschaulich erklärt. Doch Achtung: Bevor es losgeht, solltest du sicherstellen, dass du bereits vertraut bist mit partiellen Ableitungen und Integralen - denn diese Grundlagen sind der Schlüssel zum Verständnis der Maxwell-Gleichungen. So, lass uns starten!

Technische Anwendungen der Maxwell-Gleichungen

Die vier Maxwell-Gleichungen beinhalten zusammen mit der Lorentzkraft das gesamte Wissen der Elektrodynamik. Von dieser gibt es so viele Anwendungen, dass ich sie gar nicht alle in dieser Lektion aufzählen kann, aber einige davon sind zum Beispiel:

  • Elektronische Geräte wie Computer und Handys. In denen stecken nämlich elektrische Kondensatoren, Spulen und insgesamt ganze Stromschaltkreise, die die Maxwell-Gleichungen ausnutzen.
  • Stromerzeugung - egal ob aus Kern-, Wind- oder Wasserkraftwerken, die freigesetzte Energie muss zuerst in elektrische Energie umgewandelt werden, damit die Menschen diese nutzen können. Das passiert mit elektrischen Generatoren. Diese basieren wiederum auf den Maxwell-Gleichungen.
  • Stromversorgung der Menschheit. Um elektrischen Strom mit möglichst geringem Energieverlust in die Haushalte zu transportieren, werden Wechselspannungen und Transformatoren benötigt.
  • Und vieles mehr - Elektroschweißen zum Zusammenbauen der Autokarosserien, Motoren für Elektroautos, Magnetresonanztomographie in der Medizin, Wasserkocher in der Küche, das Ladegerät von deinem Handy, Radio, WLAN und so weiter.
Stell dir das vor!

Jedes Gerät, welches Elektrizität oder Magnetismus ausnutzt, basiert fundamental auf den Maxwell-Gleichungen.

Um alle vier Maxwell-Gleichungen überhaupt verstehen zu können, musst du zuerst wissen, was elektrische und magnetische Felder sind, denn diese kommen in den Gleichungen vor!

1. Zutat: Das elektrische E-Feld

Betrachte eine elektrisch geladene Kugel mit der großen Quellladung \(Q\) und eine Kugel mit der kleinen Probeladung \(q\). Die Probeladung befindet sich zu einem bestimmten Zeitpunkt im Abstand \( r \) zur Quellladung. Die Quellladung übt eine elektrische Kraft \( F_{\text e} \) auf die Probeladung aus, die durch das Coulomb-Gesetz gegeben ist:

Eine große Quellladung übt elektrische Kraft auf eine kleine Probeladung aus.

Hierbei ist \(1/4\pi\,\varepsilon_0\) ein konstanter Vorfaktor mit der elektrischen Feldkonstante \(\varepsilon_0\), die für die richtige Einheit der Kraft auf der rechten Seite des Coulomb-Gesetzes sorgt, nämlich für die Einheit Newton (N).

Was ist nun, wenn du den Wert der großen Ladung \(Q\) kennst und wissen möchtest, welche Kraft diese große Ladung auf eine andere kleine Ladung \(q\) ausübt? Du kennst aber nicht den genauen Wert dieser kleinen Ladung. Oder du lässt diesen Wert mit Absicht offen stehen und möchtest nur die elektrische Kraft betrachten, die von der großen Kugel ausgeübt wird. Dazu muss die kleine Ladung \(q\) irgendwie aus dem Coulomb-Gesetz eliminiert werden. Das erreichst du, indem du das Coulomb-Gesetz einfach auf beiden Seiten durch \(q\) dividierst:

Auf diese Weise fällt auf der rechten Seite \(q\) weg und landet stattdessen auf der linken Seite der Gleichung. Der Quotient auf der linken Seite wird als elektrisches Feld \(E\) der Quellladung \(Q\) definiert:

Was ist ein E-Feld?

Das elektrische Feld \(E\) gibt also die elektrische Kraft an, die auf eine kleine Ladung \(q\) wirken würde, wenn sie im Abstand \(r\) zur Quellladung \(Q\) platziert wird.

Das elektrische Feld hat die Einheit "Kraft pro Ladung" N/C oder mit einer eher üblicheren Einheit ausgedrückt: "Spannung pro Abstand" V/m. Wir haben die große Ladung als Quellladung bezeichnet, um anzudeuten, dass sie die Quelle des elektrischen Feldes ist. Und wir haben eine kleine Testladung \(q\) gewählt, damit sie das elektrische Feld der Quellladung nicht zu sehr beeinflusst.

Bis jetzt wurde jedoch nur der Betrag, also die Größe des elektrischen Feldes betrachtet, ohne die genaue Richtung des elektrischen Feldes miteinzubeziehen. Die Maxwell-Gleichungen sind jedoch allgemein und enthalten auch die Richtung des elektrischen Feldes. Deshalb muss das elektrische Feld \(E\) in einen Vektor \(\boldsymbol{E} \) verwandelt werden. Vektoren werden fett dargestellt. Handgeschrieben meistens mit einem Pfeilchen über dem Buchstaben, um sie von skalaren Größen (reinen Zahlen) zu unterscheiden.

Das elektrische Feld \(\boldsymbol{E}\) als Vektor im dreidimensionalen Raum hat drei Komponenten \(E_{\text x}\), \(E_{\text y}\) und \(E_{\text z}\):

Die erste Komponente \(E_{\text x}(x,y,z)\) hängt von den Raumkoordinaten (\(x,~y,~z\)) ab und sie ist der Betrag des elektrischen Feldes in \(x\)-Richtung. Das heißt: Je nachdem, welcher konkrete Ort für (\(x,~y,~z\)) eingesetzt wird, ist der Betrag \(E_{\text x}\) unterschiedlich. Analog gilt es für die beiden anderen Komponenten \(E_{\text y}\) und \(E_{\text z}\), die jeweils den Betrag in \(y\) und \(z\)-Richtung angeben. Die Komponenten des elektrischen Feldes geben also praktisch an, welche elektrische Kraft auf eine Probeladung an einem bestimmten Ort in die eine, zweite oder dritte Raumrichtung wirken würde.

2. Zutat: Das magnetische B-Feld

Eine weitere wichtige fundamentale physikalische Größe, die in der zweiten und vierten Maxwell-Gleichung vorkommt, ist das magnetische Feld. Experimentell wird festgestellt, dass ein Teilchen mit der elektrischen Ladung \(q\), welches sich mit der Geschwindigkeit \(v\) in einem externen Magnetfeld bewegt, eine magnetische Kraft \(F_{\text m}\) erfährt, die das Teilchen ablenkt.

Lorentzkraft: Elektron in einem Magnetfeld Visier das Bild an!
Entstehung der Kreisbewegung durch Lorentzkraft, die senkrecht zur Geschwindigkeit des Elektrons und zum externen Magnetfeld zeigt.

Dabei nimmt die Kraft auf das Teilchen proportional zu seiner Ladung (\(F_{\text m} \sim q\)) und zu seiner Geschwindigkeit (\(F_{\text m} \sim v\)) zu, d.h. wird die Ladung oder die Geschwindigkeit verdoppelt, dann verdoppelt sich auch die Kraft auf das Teilchen. Doch nicht nur das! Die Kraft nimmt auch proportional zum angelegten Magnetfeld zu. Um diese Proportionalität der Kraft und des Magnetfelds zu beschreiben, führen wir die Größe \(\class{violet}{B}\) ein. Insgesamt ist die magnetische Kraft gegeben durch:

Die Einheit der Größe \(\class{violet}{B}\) muss so sein, dass die rechte Seite der Gleichung die Einheit der Kraft ergibt, also N = kg m/s². Durch eine einfache Umformung ergibt sich die Einheit von \(\class{violet}{B}\) zu: kg/A s². Das bezeichnen wir kurz als Einheit Tesla: T = kg/A s².

Wir nennen \(\class{violet}{B}\) magnetische Flussdichte (oder kurz: magnetisches Feld oder noch kürzer B-Feld).

Die Gleichung 5 stellt nur den Betrag dar. Um die magnetische Kraft, analog zur elektrischen Kraft, vektoriell zu formulieren, wird die Kraft, die Geschwindigkeit und das Magnetfeld als Vektoren geschrieben:

Jetzt sind die drei Größen keine Skalare, sondern dreidimensionale Vektoren mit den Komponenten in \(x\)-, \(y\)- und \(z\)-Richtung. Die Frage ist jetzt: Wie muss der Geschwindigkeitsvektor \(\boldsymbol{v}\) mit dem Magnetfeldvektor \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) vektoriell multipliziert werden?

Wenn die Ablenkung der Ladung im Magnetfeld genauer betrachtet wird, dann kann festgestellt werden, dass die magnetische Kraft stets orthogonal, also senkrecht zur Geschwindigkeitsrichtung UND zu den magnetischen Feldlinien abgelenkt wird. Diese Orthogonalität kann leicht mit dem sogenannten Kreuzprodukt berücksichtigt werden.

Kreuzprodukt zwischen Geschwindigkeit und Magnetfeld
Das Ergebnis des Kreuzprodukts ist wieder ein Vektor, der orthogonal zu dem Geschwindigkeitsvektor und dem Magnetfeldvektor ist.

Das Kreuzprodukt zwischen dem Geschwindigkeitsvektor \(\boldsymbol{v}\) und dem Magnetfeldvektor \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) ist so definiert, dass das Ergebnis des Kreuzprodukts, welches ein Vektor ist, immer orthogonal auf den beiden Vektoren \(\boldsymbol{v}\) und \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) steht:

Damit also die Kraft \(\boldsymbol{F}_{\text m}\) stets orthogonal auf \(\boldsymbol{v}\) und \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) steht, muss das Kreuzprodukt von \(\boldsymbol{v}\) und \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) gebildet werden. Also lautet 5 allgemein in Vektorform:

Was ist ein magnetisches B-Feld?

Die magnetische Flussdichte \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) beschreibt die Stärke des Magnetfelds und damit die Größe der magnetischen Kraft auf ein geladenes Teilchen.

Nun haben wir die zwei wichtigen physikalischen Zutaten kennengelernt, die in den Maxwell-Gleichungen vorkommen, nämlich das elektrische Feld \(\boldsymbol{E}\) und das magnetische Feld \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\). Beides sind sogenannte Vektorfelder. Damit ist gemeint, dass jedem Ort (\(x,~y,~z\)) im Raum ein elektrischer \(\boldsymbol{E}(x,~y,~z)\) und ein magnetischer Feldvektor \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}(x,~y,~z)\) zugeordnet werden kann, der sowohl den Betrag als auch die Richtung des elektrischen und magnetischen Feldes angibt.

Die vier Maxwell-Gleichungen lassen sich auf zwei unterschiedliche Weisen darstellen:

  • Es gibt die sogenannte integrale Darstellungsform, die die Maxwell-Gleichungen mit Integralen ausdrückt
  • und die differentielle Darstellungsform, die die Maxwell-Gleichungen mit Ortsableitungen ausdrückt.

Beide Darstellungsformen unterscheiden sich physikalisch nicht, mathematisch jedoch schon! Während die differentielle Form einer Maxwell-Gleichung für einen einzelnen Punkt im Raum gilt, gilt die integrale Form für einen ganzen Raumbereich. Die integrale Form eignet sich gut zur Berechnung von symmetrischen Problemen, wie die Berechnung des elektrischen Feldes einer geladenen Kugel, eines geladenen Zylinders oder einer geladenen Ebene. Die differentielle Form eignet sich eher zur Berechnung komplizierter numerischer Probleme mithilfe von Computern oder für verschiedene Herleitungen, wie beispielsweise zur Herleitung der elektromagnetischen Wellen. Außerdem ist die differentielle Darstellungsform viel kompakter aus als die integrale Form. Beide Darstellungsformen sind nützlich und lassen sich mithilfe zweier mathematischer Theoreme ineinander umwandeln:

Wenn du die beiden Integralsätze verstanden hast, wird es dir einfach fallen, die Maxwell-Gleichungen zu verstehen. Lies also zuerst die beiden Lektionen zu den Integralsätzen durch!

Mathematik in den Maxwell-Gleichungen: Gauß-Integraltheorem

So sieht das Gauß-Integraltheorem (oder: Divergenz-Integraltheorem, Gaußscher Integralsatz) in seiner vollen Pracht aus:

Betrachte die rechte Seite der Gleichung 10:

  • Das \(A\) steht für eine Fläche, die irgendein Volumen einschließt, z.B. die Oberfläche eines Würfels, einer Kugel oder die Oberfläche einer beliebigen dreidimensionalen Form, die du dir denken kannst.

  • Der kleine Kreis um das Integral herum soll andeuten, dass diese Fläche \(A\) eine Bedingung erfüllen muss: Die Fläche \(A\) muss geschlossen sein, d.h. sie darf keine Löcher enthalten, damit die Gleichheit in 10 mathematisch erfüllt ist. Die Fläche \(A\) ist also eine geschlossene Oberfläche.

  • Das \(\boldsymbol{F}\) ist ein Vektorfeld und stellt bei Betrachtung der Maxwell-Gleichungen entweder das elektrische Feld \(\boldsymbol{F} = \boldsymbol{E}\) oder das magnetische Feld \(\boldsymbol{F} = \class{violet}{\boldsymbol{B}}\) dar. Es ist also ein Vektor mit drei Komponenten.

  • Das \(\text{d}\boldsymbol{a}\) ist ein infinitesimales Flächenelement, also ein unendlich kleines Flächenstück der betrachteten Fläche \(A\). Wie Du vielleicht schon bemerkt hast, ist das \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element fett dargestellt, es ist also ein Vektor, mit einem Betrag und einer Richtung. Der Betrag \(\text{d}a\) des \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Elements gibt dabei den Flächeninhalt dieses kleinen Flächenstücks an. Das \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element steht orthogonal auf diesem Flächenstück und zeigt nach Definition aus der Oberfläche heraus.

  • Der Punkt \(\cdot\) zwischen dem Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) und dem \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element ist das sogenannte Skalarprodukt. Das Skalarprodukt ist eine Möglichkeit, zwei Vektoren miteinander zu multiplizieren. Es wird also hier das Skalarprodukt zwischen dem Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) und dem \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element gebildet.

Definiert ist das Skalarprodukt folgendermaßen:

Wie an der Definition des Skalarprodukts zu sehen ist, werden die ersten, zweiten und dritten Komponenten der beiden Vektoren miteinander multipliziert und anschließend zusammenaddiert. Das Ergebnis des Skalarprodukts ist kein Vektor mehr, sondern eine gewöhnliche Zahl, ein sogenannter Skalar. Um zu verstehen, was diese Zahl aussagt, musst du zuerst wissen, dass jeder beliebige Vektor \(\boldsymbol{F}\) sich als Summe von zwei anderen Vektoren schreiben lässt:

  • Ein Vektor, der parallel zum \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element ist. Nennen wir diesen Vektor \(\boldsymbol{F}_{||}\).

  • Und ein Vektor, der orthogonal zum \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element steht. Nennen wir diesen Vektor \(\boldsymbol{F}_{\perp}\).

Skalarprodukt pickt die senkrechte Komponente auf einer Oberfläche heraus
Flächenintegral anschaulich. Nur der zum Flächenelement parallele Anteil des Vektorfeldes trägt zum Skalarprodukt bei.

Ein weiteres mathematisches Faktum ist, dass das Skalarprodukt von zwei orthogonal zu einander stehenden Vektoren stets Null ergibt. Das heißt für unseren Fall, dass das Skalarprodukt zwischen dem Anteil \(\boldsymbol{F}_{\perp}\) und dem \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element Null ist:

Das Skalarprodukt zwischen dem \(\boldsymbol{F}_{||}\) und dem \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element ist im Allgemeinen dagegen nicht Null!

Divergenz-Integraltheorem
Gauß-Integraltheorem anschaulich dargestellt.

Nun kann anschaulich klar gemacht werden, was das Skalarprodukt auf der rechten Seite des Gauß-Integraltheorems macht: Es pickt nur den Anteil des Vektorfeldes \(\boldsymbol{F}\) heraus, der genau parallel zum \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element zeigt. Das \(\text{d}\boldsymbol{a}\)-Element zeigt aber stets aus der Oberfläche heraus, d.h. das Skalarprodukt pickt nur den Anteil des Vektorfeldes heraus, der ebenfalls aus der Oberfläche herauszeigt. Alle anderen Anteile des Vektorfeldes, die in andere Richtungen zeigen, werden vom Skalarprodukt eliminiert.

Anschließend werden auf der rechten Seite 11 die Skalarprodukte für alle Orte der betrachteten Fläche \(A\) aufsummiert. Das ist die Aufgabe des Integralzeichens.

Die rechte Seite des Gauß-Integraltheorems summiert also alle Anteile des Vektorfeldes \(\boldsymbol{F}\) auf, die aus der Fläche \(A\) heraustreten. Ein derartiges Integral, bei dem kleine Flächenstückchen aufsummiert werden, heißt Flächenintegral.

Wenn im Integranden wie in diesem Fall ein Vektorfeld steht, wird dieses Flächenintegral als Fluss \(\Phi\) des Vektorfeldes \(\boldsymbol{F}\) durch die Fläche \(A\) bezeichnet:

Was sagt das Flächenintegral im Gauß-Integraltheorem aus?

Das Flächenintegral auf der rechten Seite des Gauß-Integraltheorems ist eine Zahl \( \Phi \), die angibt, wie viel von dem Vektorfeld \(\boldsymbol{F} \) in die Oberfläche \( A \) eintritt oder aus der Oberfläche austritt. Es misst den Fluss \( \Phi \) des Vektorfeldes durch diese Fläche.

Elektrischer und magnetischer Fluss
Elektrischer Fluss - Skalarprodukt von Flächenorthogonalvektor und E-Feld
Elektrischer Fluss - Skalarprodukt von Flächenorthogonalvektor und aufgeteilten E-Feldvektor.

Wenn das Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) im Flächenintegral ein elektrisches Feld \(\boldsymbol{E}\) ist, dann wird dieses Flächenintegral als elektrischer Fluss \(\Phi_{\text e}\) durch die Oberfläche \(A\) bezeichnet:

Wenn das Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) dagegen ein magnetisches Feld \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) ist, heißt das Flächenintegral magnetischer Fluss \(\Phi_{\text m}\) durch die Oberfläche \(A\):

Betrachte nun die linke Seite des Gauß-Integraltheorems 10:

  • Das \(V\) steht für ein Volumen, doch nicht für irgendein Volumen, sondern es ist das Volumen, welches von der Oberfläche \(A\) eingeschlossen wird. Wenn \(A\) beispielsweise die Oberfläche einer Kugel ist, dann ist \(V\) das Volumen dieser Kugel.

  • Das \(\text{d}v\) ist ein infinitesimales Volumenelement, also ein unendlich kleines Volumenstück des betrachteten Volumens \(V\).

  • Das umgedrehte Dreieck \(\nabla\) heißt Nabla-Operator und dieser hat wie ein Vektor \(\boldsymbol{F}\) drei Komponenten.

Seine Komponenten sind jedoch keine Zahlen, sondern Ableitungen nach den Ortskoordinaten. Die erste Komponente ist die Ableitung nach \(x\). Die zweite Komponente ist die Ableitung nach \(y\). Und die dritte Komponente ist die Ableitung nach \(z\).

So ein Operator, wie der Nabla-Operator entfaltet nur dann seine Wirkung, wenn dieser auf ein Feld angewendet wird. Und das passiert ja auch auf der linken Seite 18 des Gauß-Integraltheorems. Es wird der Nabla-Operator auf das Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) angewendet, indem das Skalarprodukt zwischen dem Nabla-Operator \(\nabla\) und dem Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) genommen wird. Dieses Skalarprodukt ist die Summe der Ableitungen des Vektorfeldes nach den Ortskoordinaten \(x\), \(y\) und \(z\):

Ein derartiges Skalarprodukt zwischen dem Nabla-Operator \(\nabla\) und einem Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) wird als Divergenz des Vektorfeldes \(\boldsymbol{F}\) bezeichnet. Das Ergebnis ist kein Vektor mehr, sondern ein Skalar, der entweder positiv, negativ oder Null sein kann:

  • Wenn die Divergenz am Ort \((x,~y,~z)\) positiv ist: \( \nabla \cdot \boldsymbol{F} \) > 0, dann ist an dem Ort eine Quelle des Vektorfeldes. Wird dieser Ort mit einer beliebigen Oberfläche umschlossen, dann ist der Fluss \(\Phi\) durch die Oberfläche hindurch ebenfalls positiv (das Vektorfeld 'fließt' aus der Oberfläche heraus).

  • Wenn die Divergenz am Ort \((x,~y,~z)\) negativ ist: \( \nabla \cdot \boldsymbol{F}\) < 0, dann ist an dem Ort eine Senke des Vektorfeldes. Wird dieser Ort mit einer beliebigen Oberfläche umschlossen, dann ist der Fluss \(\Phi\) durch die Oberfläche hindurch ebenfalls negativ (das Vektorfeld 'fließt' in die Oberfläche hinein).

  • Wenn die Divergenz am Ort \((x,~y,~z)\) verschwindet: \( \nabla \cdot \boldsymbol{F} = 0 \), dann ist dieser Ort weder eine Senke noch eine Quelle des Vektorfeldes. Das Vektorfeld fließt nicht heraus und nicht hinein oder es fließt genauso viel hinein wie hinaus, sodass sich die beiden Beträge gegenseitigen aufheben.

Anschließend wird die Divergenz \(\nabla \cdot \boldsymbol{F}\), also die Quellen und Senken des Vektorfeldes, an jedem Ort innerhalb des Volumens \(V\) mithilfe des Integrals in 18 aufsummiert. Ein derartiges Integral, wo kleine Volumenstückchen aufsummiert werden, heißt Volumenintegral.

Was sagt das Volumenintegral im Gauß-Integraltheorem aus?

Die Volumenintegral auf der linken Seite des Gauß-Integraltheorems ist die Summe der Quellen und Senken eines Vektorfeldes \( \boldsymbol{F} \) innerhalb eines Volumens \(V\).

Fassen wir also die Aussage des Gauß-Integraltheorems 10 zusammen: Auf der linken Seite steht die Summe der Quellen und Senken des Vektorfeldes innerhalb eines Volumens und auf der rechten Seite steht der Gesamtfluss des Vektorfeldes durch die Oberfläche dieses Volumens. Und die beiden Seiten sollen gleich sein.

Was sagt das Gauß-Integraltheorem aus?

Die Summe der Quellen und Senken eines Vektorfeldes \(\boldsymbol{F}\) innerhalb eines Volumens \(V\) entspricht dem Fluss \(\Phi\) durch die Oberfläche \(A\) dieses Volumens.

Elektrische und magnetische Spannung

In der Lektion über den Stokes-Integralsatz haben wir das folgende Linienintegral über das Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) mit \(U\) bezeichnet. Das war kein Zufall. Das Linienintegral über eine Linie \(L\) hat eine Bedeutung, wenn wir gleich ein elektrisches oder magnetisches Feld betrachten. Die Zahl \(U\) gibt an, wie viel von dem Vektorfeld entlang der Linie \(L\) zirkuliert:

Wenn das Vektorfeld \(\boldsymbol{F}\) im Linienintegral ein elektrisches Feld \(\boldsymbol{F} = \class{purple}{\boldsymbol{E}}\) ist, dann wird dieses Linienintegral als elektrische Spannung \(\class{purple}{U_{\text e}}\) entlang der Linie \(L\) bezeichnet:

Elektrische Spannung (allgemeine Definition)
Integration des elektrischen Feldes entlang einer Linie.

Die Spannung im Fall von elektrischen Feldern ist proportional zur Energie, die ein positiv geladenes Teilchen gewinnt, wenn es die Linie \(L\) durchläuft. Ein negativ geladenes Teilchen verliert dagegen diese Energie, wenn es die Linie durchläuft. Das Linienintegral des elektrischen Feldes, also die Spannung, misst den Energiegewinn oder den Energieverlust von geladenen Teilchen, wenn diese die betrachtete Linie \(L\) durchlaufen.

Wenn das Vektorfeld \(\boldsymbol{F} \) im Linienintegral ein magnetisches Feld \(\boldsymbol{F} = \class{violet}{\boldsymbol{B}}\) ist, dann wird dieses Linienintegral als magnetische Spannung \(\class{violet}{U_{\text m}}\) entlang der Linie \(L\) bezeichnet:

Dieses Wissen über den elektrischen und magnetischen Fluss sowie die Spannung, werden wir gleich brauchen, wenn wir die Maxwell-Gleichungen in Integralform anschaulich verstehen wollen.

Mit dem erworbenen Vorwissen bist du nun bereit die Maxwell-Gleichungen vollständig zu verstehen!

Die 1. Maxwell-Gleichung

Dies ist die erste Maxwell-Gleichung, die durch ein Integral ausgedrückt wird:

Auf der linken Seite steht ein Flächenintegral, in dem das elektrische Feld \(\boldsymbol{E}\) steckt. Dieses misst, wie viel von dem elektrischen Feld aus der Oberfläche \(A\) heraus- oder hineintritt. Das Integral stellt also den elektrischen Fluss \(\Phi_{\text e}\) durch die Oberfläche \(A\) dar:

Auf der rechten Seite von 27 steht die Gesamtladung \(Q\), die von der Oberfläche \(A\) eingeschlossen wird (dividiert durch die elektrische Feldkonstante \(\varepsilon_0\)):

Elektrischer Fluss und eingeschlossene Ladung (1. Maxwell-Gleichung)
Was bedeutet die erste Maxwell-Gleichung in integraler Form?

Der elektrische Fluss \(\Phi_{\text e}\), durch eine geschlossene Fläche \(A\) hindurch, entspricht der elektrischen Ladung \(Q\), die von dieser Fläche eingeschlossen wird.

Mit dem Gauß-Integraltheorem 19, der ein Volumenintegral mit einem Flächenintegral verknüpft, kann das Flächenintegral auf der linken Seite der ersten Maxwell-Gleichung 27 in ein Volumenintegral umgeschrieben werden:

Die eingeschlossene Ladung \(Q\) lässt sich ebenfalls mit einem Volumenintegral ausdrücken. Die Ladung entspricht nämlich der Ladungsdichte \(\rho\) über das betrachtete Volumen \(V\) (denn LadungsDICHTE ist definitionsgemäß Ladung pro Volumen). Das heißt, dass das Volumenintegral der Ladungsdichte \(\rho\) über ein Volumen \(V\) der Ladung entspricht, die in diesem Volumen eingeschlossen ist. Damit verwandelt sich die rechte Seite der Maxwell-Gleichung in ein Volumenintegral:

Auf beiden Seiten wird über das gleiche Volumen \(V\) integriert. Damit diese Gleichung für beliebig gewählte Volumina \(V\) immer erfüllt ist, müssen die Integranden auf beiden Seiten gleich sein (wobei der rechte Integrand noch mit der Konstante \(1/\varepsilon_0\) multipliziert ist). Daraus ergibt sich die differentielle Form der ersten Maxwell-Gleichung:

Auf der linken Seite der differentiellen Darstellungsform steht die Divergenz des elektrischen Feldes. Sie kann positiv, negativ oder Null sein. Das Vorzeichen der Divergenz bestimmt die Art der Ladungen im betrachteten Raumpunkt:

  • \(\nabla ~\cdot~ \boldsymbol{E}\) ist positiv, dann ist auch die Ladungsdichte \(\rho\) positiv. In diesem Raumpunkt befindet sich also eine positive Ladung, die die Quelle des elektrischen Feldes ist.
  • \(\nabla ~\cdot~ \boldsymbol{E}\) ist negativ, dann ist auch die Ladungsdichte \(\rho\) negativ. In diesem Raumpunkt befindet sich also eine negative Ladung, die die Senke des elektrischen Feldes ist.
  • \(\nabla ~\cdot~ \boldsymbol{E}\) ist Null, dann muss auch die Ladungsdichte \(\rho\) Null sein. An diesem Raumpunkt gibt es entweder keine Ladung oder dort befindet sich genauso viel positive Ladung wie negative, sodass sich die Gesamtladung in diesem Punkt weghebt, wie z.B. bei einem idealen Dipol.
Was bedeutet die erste Maxwell-Gleichung in differentieller Form?

Die elektrischen Ladungen sind die Quellen und Senken des elektrischen Feldes. Ladungen erzeugen elektrische Felder!

2. Maxwell-Gleichung

In der zweiten Maxwell-Gleichung kommt nichts unbekanntes mehr vor. Auf der linken Seite steht ein Flächenintegral. Jetzt jedoch nicht, wie bei der ersten Maxwell-Gleichung, über ein elektrisches Feld, sondern über ein magnetisches Feld \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\). Die zweite Maxwell-Gleichung sagt also aus, dass der magnetische Fluss durch die geschlossene Fläche \(A\) hindurch:

Zweite Maxwell-Gleichung (Gauß-Integraltheorem für Magnetfelder)
Nach der zweiten Maxwell-Gleichung ist der magnetische Fluss durch die geschlossene Oberfläche stets Null. Folglich schließt die Oberfläche immer genau so viele Nordpole (positive mag. Ladung) und Südpole (negative mag. Ladung) ein.
Was bedeutet die zweite Maxwell-Gleichung in integraler Form?

Der gesamte magnetische Fluss \(\Phi_{\text m}\) durch eine geschlossene Oberfläche \(A\) hindurch, hebt sich komplett auf. Es zeigen stets genauso viele magnetische Feldvektoren in die Oberfläche hinein wie hinaus.

Mit dem Gauß-Integraltheorem kann das Flächenintegral in 33 in ein Volumenintegral überführt werden; auf diese Weise kommt die Divergenz des Magnetfeldes ins Spiel:

Das Integral für beliebige Volumina \(V\) ist nur dann immer Null, wenn der Integrand \(\nabla \cdot \class{violet}{\boldsymbol{B}}\) Null ist. Auf diese Weise entpuppt sich die zweite Maxwell-Gleichung in ihrer differentiellen Form:

Wenn die Divergenz Null ist, heißt das: An diesem Raumpunkt gibt es entweder keine magnetische Ladung (auch magnetischer Monopol genannt) oder dort befindet sich genauso viel positive Ladung wie negative, sodass sich die Gesamtladung in diesem Punkt weghebt, wie z.B. bei einem idealen magnetischen Dipol, der stets sowohl einen Nord- als auch einen Südpol besitzt. Da es keine magnetischen Monopole gibt, existieren keine Quellen und Senken des magnetischen Feldes. Folglich gibt es keine Raumpunkte, in denen magnetische Feldlinien entspringen oder enden können. Sie müssen daher stets in sich geschlossen sein.

Was bedeutet die zweite Maxwell-Gleichung in differentieller Form?

Es gibt keine magnetischen Ladungen, die Magnetfelder erzeugen. Es existieren keine magnetischen Monopole, sondern nur magnetische Dipole!

Die zweite Maxwell-Gleichung ist genauso wie die anderen Maxwell-Gleichungen ein experimenteller Befund. Das heißt, wenn irgendwann mal eine magnetische Ladung gefunden werden sollte, zum Beispiel ein einzelner Nordpol ohne einen zugehörigen Südpol, dann müsste die zweite Maxwell-Gleichung modifiziert werden. Dann würden die Maxwell-Gleichungen sogar noch symmetrischer, noch schöner aussehen!

Die 3. Maxwell-Gleichung

Die dritte Maxwell-Gleichung ist auch unter dem Namen Induktionsgesetz bekannt. Sie ist die allgemeinste Form des Induktionsgesetzes.

Änderung des B-Feldes erzeugt ein E-Wirbelfeld (Induktionsgesetz)
Nach der dritten Maxwell-Gleichung erzeugt ein zeitlich änderndes Magnetfeld ein elektrisches Wirbelfeld und andersherum.

Auf der linken Seite von 39 steht ein Linienintegral des elektrischen Feldes \(\boldsymbol{E}\) über eine geschlossene Linie \(L\), die die Fläche \(A\) berandet. Dieses Integral summiert alle Anteile des elektrischen Feldes auf, die entlang der Linie \(L\) verlaufen, also wie viel von dem elektrischen Feld entlang der Linie rotiert. Das Integral entspricht der elektrischen Spannung \(U_{\text e}\) entlang der Linie \(L\):

Auf der rechten Seite von Gl. 39 steht ein Flächenintegral des magnetischen Feldes \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) über eine Fläche \(A\). Wir dürfen die Zeitableitung aus dem Integral herausziehen, wenn die Integrationsgrenzen zeitunabhängig sind. Physikalisch gesagt: Wenn die Fläche \(A\), die das Magnetfeld durchdringt, sich nicht verändert. Wenn wir die Zeitableitung herausziehen würden, dann würde das Integral dem magnetischen Fluss \(\Phi_{\text m}\) entsprechen, der durch die Fläche \(A\) hindurchgeht:

Dieser magnetische Fluss wird nach der Zeit \(t\) differenziert:

Die Zeitableitung des magnetischen Flusses gibt an, wie stark sich der magnetische Fluss verändert, wenn die Zeit verstreicht. Es ist also die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses. Je größer diese Änderung des magnetische Flusses ist, desto größer ist das rotierende elektrische Feld \(\boldsymbol{E}\) in 40. Dieses rotierende elektrische Feld wird auch als elektrisches Wirbelfeld bezeichnet. Das Minuszeichen in 39 berücksichtigt die Richtung der Rotation:

  • Wenn die Änderung des magnetischen Flusses positiv ist: \( \frac{\partial \Phi_{\text m}}{\partial t}\) > 0, ist die elektrische Spannung negativ: \(U_{\text e}\) < 0.

  • Wenn die Änderung des magnetischen Flusses negativ ist: \( \frac{\partial \Phi_{\text m}}{\partial t}\) < 0, ist die elektrische Spannung positiv: \(U_{\text e}\) > 0.

Die elektrische Spannung und die Änderung des magnetischen Flusses verhalten sich also entgegengesetzt zueinander. Das Minuszeichen stellt die Energieerhaltung sicher. Die Funktion des Minuszeichens hier, ist unter dem Namen Lenz-Regel bekannt. Du siehst ja, dass nach dieser Maxwell-Gleichung 39, elektrische Wirbelfelder zeitlich veränderliche Magnetfelder erzeugen und andersherum. Die Lenz-Regel besagt nun, dass der magnetische Fluss, welcher von einem elektrischen Wirbelfeld erzeugt wird, dessen Ursache entgegenwirkt. Denn, wenn es nicht so wäre, würde sich das Wirbelfeld selbst verstärken und damit aus dem Nichts Energie erzeugen. Das ist aber unmöglich.

Was bedeutet die dritte Maxwell-Gleichung in integraler Form?

Eine Änderung des magnetischen Flusses durch die Fläche \(A\), erzeugt eine elektrische Spannung \(U_{\text e}\) entlang des Randes von \(A\).

Spezialfall: Zeitunabhängiges Magnetfeld

Betrachte noch einen wichtigen Spezialfall. Wenn das Magnetfeld sich zeitlich NICHT verändert, fällt die rechte Seite der Maxwell-Gleichung 39 weg:

Dann steht dort, dass die elektrische Spannung entlang einer geschlossenen Linie stets Null ist. Es existieren also keine elektrischen Wirbelfelder, solange sich die Magnetfelder nicht zeitlich verändern.

Würde ein Elektron die geschlossene Linie \(L\) durchlaufen, dann würde es seine Energie nicht verändern. Wie du weißt, sagt die elektrische Spannung aus, wie viel Energie ein geladenes Teilchen gewinnt oder verliert, wenn es eine Linie durchläuft. In diesem Fall ist die Spannun Null, deshalb - keine Energieveränderung.

Mit dem Stokes-Integraltheorem 21 lässt sich die integrale Darstellungsform 39 in die differentielle Form überführen. Das Stokes-Integraltheorem verknüpft ein Linienintegral mit einem Flächenintegral. Dazu wird das Linienintegral in 39 mit dem Flächenintegral ersetzt:

Dadurch kommt die Rotation \(\nabla \times \boldsymbol{E}\) ins Spiel. Die Zeitableitung auf der rechten Seite von 45 darf hier ins Integral hineingezogen werden. Da die Gleichung 45 für beliebige Flächen \(A\) gilt, müssen die Integranden auf beiden Seiten gleich sein. Die Gleichheit der Integranden entspricht der differentiellen Form der dritten Maxwell-Gleichung:

Das Ergebnis des Kreuzprodukts mit \(\boldsymbol{E}\) ergibt wieder ein Vektorfeld, nämlich das Vektorfeld \(\nabla \times \boldsymbol{E}\).

Was bedeutet die dritte Maxwell-Gleichung in differentieller Form?

Ein sich änderndes magnetisches Feld \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) erzeugt ein elektrisches Wirbelfeld \(\boldsymbol{E}\) vund andersherum und zwar so, dass die Energieerhaltung erfüllt ist.

Wenn sich das Magnetfeld nicht verändert, also statisch ist, fällt die rechte Seite der Gleichung 46 weg und die dritte Maxwell-Gleichung vereinfacht sich zum elektrostatischen Fall:

Diese Gleichung besagt wiederum: Solange es keine sich ändernden magnetischen Felder gibt, ist das elektrische Feld stets wirbelfrei. Wenn die Rotation eines Vektorfeldes verschwindet, dann wird das Feld konservativ (energieerhaltend) genannt. Das elektrostatische Feld \(\boldsymbol{E}\) ist also nach 47 konservativ. Mit "elektrostatisch" ist gemeint, dass das E-Feld zeitunabhängig ist. Es wird von quasi unbeweglichen Quellen (Ladungen) des Feldes erzeugt.

Die 4. Maxwell-Gleichung

Kommen wir nun zur vierten, der letzten Maxwell-Gleichung:

Vierte Maxwell-Gleichung: Ströme und zeitabhängige E-Felder erzeugen B-Felder
Elektrische Ströme und ein zeitabhängiges E-Feld erzeugen ein magnetisches Wirbelfeld.

Auf der linken Seite steht ein Linienintegral des magnetischen Feldes \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) entlang der geschlossenen Linie \(L\). Das ist die Definition der magnetischen Spannung \(U_{\text m}\) wie in 24. Auf der rechten Seite von 48 kommt die elektrische Feldkonstante \(\varepsilon_0\) und die magnetische Feldkonstante \(\mu_0\) vor. Diese sorgen dafür, dass die Einheit auf beiden Seiten der Maxwell-Gleichung 48 übereinstimmt. Außerdem kommt hier etwas Neues vor, nämlich der elektrische Strom \(\class{red}{I}\). Wenn elektrische Ladungen entlang eines Leiters fließen, dann erzeugen sie einen Strom \(I\).

Zum Strombeitrag kommt noch ein Feldbeitrag in Gl. 48 hinzu, in dem das elektrische Feld \( \boldsymbol{E} \) vorkommt. Wenn die Fläche \(A\) sich zeitlich nicht verändert, dann dürfen wir die Zeitableitung vor das Integral ziehen. Dann entspricht das Flächenintegral des elektrischen Feldes dem elektrischen Fluss \(\Phi_{\text e}\) durch die Fläche \(A\) hindurch:

Außerdem steht die Zeitableitung vor dem elektrischen Fluss. Auf der rechten Seite von Gl. 49 stehen zwei Beiträge, die ein magnetisches Wirbelfeld erzeugen können: Ein Beitrag mit dem Strom und ein Beitrag mit der zeitlichen Änderung des elektrischen Flusses.

Was bedeutet die vierte Maxwell-Gleichung in integraler Form?

Das rotierende Magnetfeld \( \class{violet}{\boldsymbol{B}(}t\class{violet}{)} \) wird zum Einen durch einen elektrischen Strom \( I \) durch die Oberfläche \(A\) erzeugt und zum Anderen durch das wechselnde elektrische Feld \( \boldsymbol{E}(t) \).

Vierte Maxwell-Gleichung: Konstanter elektrischer Strom erzeugt B-Feld
Elektrische Ströme erzeugen ein B-Feld (Ampere-Gesetz).

Ein wichtiger Spezialfall ergibt sich, wenn sich der elektrische Fluss zeitlich nicht verändert, dann fällt der zweite Summand in 48 weg:

Lass uns nun die differentielle Darstellungsform der vierten Maxwell-Gleichung 48 herleiten. Mit dem Stokes-Integraltheorem 21 kann das Linienintegral in 48 in ein Flächenintegral überführt werden. Auf diese Weise kommt die Rotation des Magnetfeldes \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) ins Spiel:

Jetzt muss noch der elektrischen Strom \(I\) mit einem Flächenintegral ausgedrückt werden. Dazu wird die elektrische Stromdichte \(\class{red}{\boldsymbol{j}}\) benutzt. Sie gibt den Strom \(I\) pro Fläche \(A\) an, durch die der Strom fließt. Folglich lässt sich der Strom auch schreiben als das Flächenintegral der StromDICHTE \(\boldsymbol{j}\) über die Fläche \(A\):

Beachte, dass hier im Integral das Skalarprodukt der Stromdichte \(\boldsymbol{j}\) mit dem Flächenelement \(\text{d}\boldsymbol{a}\) genommen wird. Wir nehmen also nur den Teil \(\boldsymbol{j}_{||}\) des Stromdichtevektors, der parallel zum Element \(\text{d}\boldsymbol{a}\) verläuft. Nur dieser parallele Teil der Stromdichte trägt zum Strom \(I\) durch die Oberfläche \(A\) bei.

Die Zeitableitung vor dem anderen Integral beim zweiten Summanden darf hier hineingezogen werden. Die beiden Flächenintegrale können auf der rechten Seite zu einem zusammengefasst werden, weil bei beiden Summanden über die gleiche Fläche \(A\) integriert wird:

Damit die Gleichung 53 für beliebige Flächen \(A\) erfüllt ist, müssen die Integranden auf beiden Seiten gleich sein:

Das Magnetfeld \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) steht wegen des Kreuzprodukts sowohl orthogonal auf der Stromdichte \(\boldsymbol{j}\) als auch auf dem Vektor der Änderung des elektrischen Feldes \(\frac{\partial \boldsymbol{E}}{\partial t}\).

Was bedeutet die vierte Maxwell-Gleichung in differentieller Form?

Die Rotation des magnetischen Feldes \(\class{violet}{\boldsymbol{B}}\) in einem Raumpunkt wird auf zwei Arten verursacht: Durch die in diesem Raumpunkt herrschende Stromdichte \(\boldsymbol{j}\) und durch ein sich dort änderndes elektrisches Feld \(\boldsymbol{E}(t)\).

Die Maxwell-Gleichungen verbergen noch etwas Interessantes in sich, das durch einige Umformschritte offenbart werden kann, nämlich: Elektromagnetische Wellen (Licht)!

Übungen mit Lösungen

Nutze diese Formelsammlung, wenn du Probleme mit Physikaufgaben hast.

Aufgabe #1: Bewegter Draht auf einem Drahtbügel im Magnetfeld

Beweglicher Stab auf einem Drahtbügel in einem Magnetfeld

Auf einem rechteckigen Drahtbügel der Breite \(b\) ist ein beweglicher Stab angebracht. Der ganze Aufbau befindet sich in einem homogenen Magnetfeld \(B\). Nun wird der Stab von einem Ende des Drahtbügels nach rechts mit einer konstanten Geschwindigkeit \(v\) bewegt. Aufgrund dieser Bewegung im Magnetfeld wirkt auf die positiven Ladungen im Stab die Lorentzkraft. Es bildet sich dadurch die Spannung \(U\) entlang des Stabs aus.

  1. Zeige, dass die durch die Lorentzkraft entstandene Spannung der Induktionsspannung entspricht.
  2. Berechne die mechanische Leistung \(P\) mithilfe des sich ausbildenden Induktionsstroms entlang des Stabs.

Lösung zur Aufgabe #1.1

Aufgrund der Bewegung des Drahts mit einer konstanten Geschwindigkeit \(v\) (sei es die positive x-Richtung) im senkrechten Magnetfeld \(B\), wird eine magnetische Kraft auf die positiven Ladungsträger im Stab nach oben (sei es die positive y-Richtung) erzeugt: 1 \[ F_{\text y} = q \, v \, B \]

Dadurch entsteht oben am Stab ein positiver und unten am Stab ein negativer Ladungsüberschuss, was einem elektrischen Feld \(E\) entspricht (definitionsgemäß von + nach -). Die positiven Ladungsträger erfahren also eine elektrische Kraft in die entgegengesetzte Richtung zur magnetischen Kraft 1, also in die negative y-Richtung: 1.1 \[ F_{\text y} = - q \, E \]

Die Kräfte wirken solange, bis sich ein Kräftegleichgewicht einstellt: 1.2 \[ q \, v \, B = - q \, E \]

Die Ladung \(q\) des Ladungsträgers kürzt sich weg: 1.3 \[ E = - v \, B \]

Die aufgrund des E-Feldes entstandene elektrische Spannung ist die Spannung, die entlang des Stabs abfällt: 1.4 \[ U = \int E ~\text{d}r = E \, b \]

Einsetzen von 1.4 in 1.3 ergibt die Spannung an den Stabenden: 1.5 \[ U = - B \, v \, b \]

Um zu überprüfen, ob diese Spannung der Induktionsspannung entspricht, wird nun das Induktionsgesetz benutzt: 2 \[ U = - \frac{\partial \Phi}{\partial t} = - \frac{\partial}{\partial t} \int_A B ~\text{d}a \]

Da das Magnetfeld \(B\) zeitlich konstant ist, kann es aus dem Integral und vor die Zeitableitung herausgezogen werden. Und das Flächenintegral ist einfach die vom Drahtbügel und Stab eingeschlossene Fläche \(A\): 2.1 \[ U = - B \, \frac{\partial A}{\partial t} \]

Diese Fläche ist natürlich zeitabhängig, da sie durch die Stabbewegung nach rechts stets linear zunimmt: 2.2 \[ A(t) = s(t) \, b = v \, t \, b \] hierbei ist \(s(t) = v \, t \).

Einsetzen von 2.2 in 2.1 und anschließendes Differenzieren nach der Zeit ergibt die Induktionsspannung: 2.3 \[ U = - B \, v \, b \]

Die Spannung 2.3 entspricht genau der Spannung 1.5.

Die Lorentzkraft und das Induktionsgesetz sind in diesem Experiment äquivalent!

Lösung zur Aufgabe #1.2

Aufgrund des sich ausgebildeten elektrischen Feldes \(E\), welches in die negative y-Richtung zeigt (zum unteren Ende des Stabs), fließt ein elektrischer Strom \(I\) entlang des Stabs. Die Lorentzkraft, welche nach der Drei-Finger-Regel in die positive x-Richtung zeigt - auf die Gesamtheit der positiven Ladungsträger im Stab, kann mithilfe des Stroms ausgedrückt werden: 3 \[ F_{\text x} = I \, b \, B \] denn \( I \, b = b \, Q / t = Q \, v_{\text y} \).

Die Leistung ist allgemein definiert als: 4 \[ P = \frac{\text{d}W}{\text{d}t} \]

Die verrichtete Arbeit \(W\) am Stab ist die Lorentzkraft 3 (diese zeigt in die Bewegungsrichtung des Stabs) multipliziert mit der Verschiebung \(s\) des Stabs (Kraft MAL Weg), wobei die Lorentzkraft zeitunabhängig ist: 5 \[ P = \frac{\text{d}}{\text{d}t} (F_{\text x} \, s ) = F_{\text x} \, \frac{\text{d}}{\text{d}t} s(t) \]

Mit linearer Zunahme von \( s(t) = v \, t \) und durch Einsetzen der Lorentzkraft 3 folgt: 6 \[ P = I \, b \, B \, \frac{\text{d}}{\text{d}t} v \, t \]

Die Differentiation ergibt: 7 \[ P = I \, b \, B \, v \]

Nun kann noch die in der Teilaufgabe (a) bestimmte Spannung 2.3 in 7 eingesetzt werden: 8 \[ P = - I \, U \]

Die mechanische Leistung aufgrund der konstanten Stabbewegung entspricht der elektrischen Leistung.