Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

2012-2013: Physik: Vom Hassfach zum Lieblingsfach. Mein erster YouTube-Kanal

2012. Kurz vor dem Abschluss der elften Klasse, zog ich mit Mama, Dascha und Laura im Frühling in ein benachbartes kleines Dorf namens Borsum. Trotz meiner Überzeugungsarbeit gelang es mir nicht, meine Mutter zu überreden, in die Stadt Hildesheim zu ziehen. Wenigstens war das neue Kaff nicht schlimmer als Lühnde...

Der Grund für den Umzug war ein Konflikt mit dem vorigen Vermieter, der wegen eines Unfalls mit der Spülmaschine entstand. Bei ihr war der Anschluss abgegangen und sie hatte dann die ganze Küche mit Wasser überflutet, was dazu führte, dass Schäden an der Wohnung entstanden waren, die zu einem gerichtlichen Prozess führten. Im Abstellraum breitete sich ein tiefschwarzer Schimmel aus, der immer wiederkam, obwohl wir ihn mit verschiedensten Mitteln zu entfernen versuchten. Niemand hätte es mir geglaubt, aber die Flecken erinnerten mich jedes Mal an kryptische Botschaften, deren Bedeutung ich nie entschlüsseln konnte.

Einige Tage vor diesem Zwischenfall hatten mich Dascha und ihre Freundin Antonia gefragt, wie man die Pikdame beschwört. Sie wollten nämlich auf unserem Hof zusammen mit Lauri in einem Zelt übernachten und dabei etwas Gruseliges erleben. Ich erinnerte mich noch ganz genau daran, wie es damals in Asow war und was wir taten, um die Pikdame in diese Welt zu holen. Ich erklärte ihnen, was sie alles dafür brauchten und warnte sie, dass sie die Zeichnung auf dem Spiegel sofort entfernen sollten, sobald sich jemand unbehaglich fühlte...

Mitten in der totenstillen Nacht durchdrang ein lauter Knall meine Träume, als die Eingangstür mit erschreckender Wucht zuschlug. Ich machte meine Augen weit auf ich vernahm dumpfe Hilferufe aus der Ferne, kaum hörbar und doch so beunruhigend: »Hilfeee, Hilfeee«. Mein Herz begann wild zu rasen, und ohne zu zögern sprang ich aus dem Bett und stürmte zur Eingangstür.

Vorsichtig presste ich mein Ohr an das Holz und erkannte mit Entsetzen, dass es die Stimmen meiner Schwestern waren, die nach Hilfe riefen. Ich schlüpfte hastig in die Latschen meiner Mutter und stürmte die Treppe hinunter auf den Hof. Das Licht der Laterne enthüllte, wie der Nachbar und meine Mutter versuchten, einen massiven Ast vom völlig verwüsteten Zelt zu entfernen.

Das Zelt, dem grausamen Spiel der Natur schutzlos ausgeliefert, war ein Trümmerfeld. Als ich entsetzt zur Baumkrone aufblickte, die drohend im Wind schwankte, spürte ich mit jeder Faser meines Körpers, dass sich dort oben jemand verbarg, doch seine Gestalt blieb im undurchdringlichen Dunkel verborgen. Die Kälte der Nacht drang bis in meine Knochen, und ich war wie gelähmt.

Erst als meine Mutter und der Nachbar meine leicht verletzten Schwestern befreiten, wagte ich mich wie erstarrt zurück in mein Zimmer ins Bett. In der unheimlichen Stille der Nacht hörte ich nur das Ticken der Uhr, die 2:15 Uhr anzeigte. Ich lag noch lange wach da, während meine Hand unwillkürlich auf meine Brust glitt, wo sich unter dem T-Shirt das Kreuz von Gogi befand. Es beschützte mich.

Einige Tage danach geschah der Unfall mit der Spülmaschine und dem schwarzen Schimmel im Abstellraum. Meine Mutter musste für die entstandenen Kosten aufkommen, dabei verdiente sie nicht gerade viel. Nachdem sie selbst erfolglos versucht hatte eine Nachhilfefirma für kleine Kinder zu gründen, begann sie als Altenpflegeassistentin zu arbeiten. Es war eine schwere Arbeit. Sie musste ständig für die erkrankten Mitarbeiter einspringen und an den Feiertagen arbeiten, auch an Weihnachten.

Wenn sie von der Arbeit zurückkam und eine Sache nicht da lag, wo sie hingehörte, dann verwandelte sich meine sehr temperamentvolle Mutter plötzlich in einen brüllenden Godzilla. Das war anstrengend zu ertragen, weshalb ich mir angewöhnte, in diesen Situationen schnell meine Sachen wegzuräumen, staubzusaugen und den Geschirrspüler auszuräumen, um sie wieder zu beruhigen.

Danach musste ich mich allerdings auch selbst erstmal wieder abreagieren – normalerweise mit lauter Musik und einer Pfeife. Disturbed, eine Band, die Alexey immer hörte, war perfekt um mich wieder in den ursprünglichen, ruhigen Zustand zu bringen. Wenn ich bereits traurig war, dann hörte ich eher die Musik aus Harry Potter, Herr der Ringe, Gothic oder World of Warcraft, während ich mich kurz ausheulte. Danach fühlte ich mich deutlich besser.

Ich war sehr nah am Wasser gebaut. Wenn wir Filme wie Romeo und Julia oder Das Leben ist schön im Unterricht schauten, war ich immer so gerührt, dass ich versuchen musste, meine Tränen zu unterdrücken. Ich fand es komisch, vor der ganzen Klasse zu heulen – insbesondere, weil ich zu denken gelernt hatte, dass ein Mann niemals weinen sollte.

Einmal klappte das Unterdrücken nicht und mir liefen unaufhörlich die Tränen beim Vorlesen eines Kriegsgedichts im Deutschunterricht. Vers für Vers sammelte sich in meinem Hals ein dicker Kloß an. Das Schlucken wurde immer schwerer und schwerer. Die Stimme fing an, zu brechen. Dann fielen die ersten Tränen auf den Zettel mit dem Gedicht. Als meine Emotionalität nicht mehr zu verdecken war und die anderen es bemerkt hatten, rannte ich ungefragt aus dem Klassenzimmer heraus und zur Toilette, um dort mein Gesicht zu waschen. Kurze Zeit später klopfte meine Deutschlehrerin an der Toilettentür.

»Alex, ist alles in Ordnung?«

»Ja, alles gut. Ich versetze mich manchmal nur zu sehr in die Geschichte.«

»Lass dir ruhig Zeit. Wenn du reden möchtest, sag Bescheid«, schlug sie vor und schien einige Sekunden später wieder weg zu sein.

Mein erster YouTube-Kanal

2012. In den Sommerferien erstellte ich einen YouTube-Kanal, der als Ergänzung zu meiner Website dienen sollte. Ich tat mich schwer mit der Bezeichnung des Kanals, weil auf meiner Website praktisch alles Mögliche zu finden war - von Mathematik, über Politik, Lyrik, Philosophie und Tagebucheinträgen bis hin zu irgendwelchen erdachten physikalischen Experimenten. Es war sehr universell, weshalb mir dann als erstes die Bezeichnung Universalphilosoph einfiel. Nein, das passte nicht wirklich, es ging ja mehr als nur um Philosophie.

Dann dachte ich an Möchtegerngenie. Das klang bescheuert. Auch andere Ideen gefielen mir nicht. Schließlich kam mir der Einfall: »Universaldenker«. Es klang nicht allzu verrückt und repräsentierte gut meine Inhalte. Ohne zu zögern, änderte ich den Namen meiner Website passend zum YouTube-Kanal zu universaldenker.de.

Mit einer kleinen Kamera, die ich im Wohnzimmer in der Schublade gefunden hatte, drehte ich mein erstes Video, das meine Gedanken zu Rassismus enthielt. Mit einer später erworbenen besseren Videokamera, die ich von meinem Geburtstagsgeld kaufte, filmte ich mich beim Quatschen über den Sinn des Lebens, trug meine Gedichte oder die Lyrik Goethes vor.

In einem zugelegten Notizbuch sammelte ich meine Gedanken und Ideen. Einige davon, wie zum Beispiel Videos über den Begriff der Wahrheit, über die Funktionsweise der zwischenmenschlichen Kommunikation oder über die Entstehung des Wissens, arbeitete ich aus und veröffentlichte sie auf YouTube.

Die ersten Leute kommentierten die Videos. Die meisten der Kommentare waren nett. Einige machten sich über meinen Akzent lustig, was ich aber genauso witzig fand, wenn ich mir das Video selbst anhörte.

Die deprimierendsten Kommentare waren für mich die, die behaupteten, dass alles, was ich produziere für den Müll gedacht wäre und ich aufhören sollte, ihre und meine Zeit zu verschwenden. Ich nahm mir jeden Hasskommentar zu Herzen und fühlte mich dann tagelang deprimiert und unmotiviert, weil ich schließlich viel Arbeit in diese Videos steckte. Diese Menschen brachten mich dazu, die meisten Videos und Inhalte wieder zu löschen.

Um mich von den deprimierenden Gedanken zu lösen, rauchte ich meine Pfeife und lauschte dem Vogelgezwitscher auf dem Balkon. So konnte ich mich wieder beruhigen.

Nach einiger Zeit gewöhnte ich mich an die Hasskommentare. Ich kapierte, dass es eigentlich nur ein paar Menschen waren, denen es anscheinend Spaß machte, mich zu demütigen oder unsachlich zu kritisieren. Ich entschloss mich, jeden, der mich beleidigte, zu blockieren. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass hinter den Hasskommentaren wahrscheinlich Menschen steckten, die private Probleme hatten und deshalb ihren Frust im Schutze der Anonymität an mir ausließen.

Interesse für Physik

2013. Als die Sommerferien vorbei waren, ging es in die zwölfte Klasse, die sogenannte Qualifikationsphase, in der ich mich zwischen Maschinenbau und Informatik natürlich für den informatischen Schwerpunkt entschied, weil ich Widerstände auf eine Platine zu löten und an den Computern rumzuschrauben interessanter fand als an Holz und Metall rumzusägen. Mein Interesse konnte man auch deutlich an meinen Noten erkennen. Informatik – gut und Physik – gut. Spanisch – gut. Spanisch war jedoch für totale Anfänger.

In Physik war ich gut, weil mir Alexey manchmal ein paar Sachen erklärte, aber auch mein Physiklehrer war fähig und nett. Doch erst in der zwölften Klasse, als ich einen neuen Physiklehrer bekam und die langweilige klassische Mechanik abgeschlossen war, fing mein Interesse an, sich von Informatik auf Physik zu verlagern.

Meine am Anfang des Schuljahres – eher aus reiner Glückssache erhaltenen – guten Noten und das darauffolgende unerwartete Lob meines neuen Physiklehrers, führten dazu, mich glauben zu lassen, ich hätte ein Talent für das Fach. Auch die Mitschüler und der Lehrer schienen dies zu denken. Es fühlte sich gut an, gelobt zu werden und in der Klasse mittlerweile als Physiker bezeichnet zu werden.

Auf einmal wurde Physik zu meinem Lieblingsfach, und das, obwohl ich Physik nie wirklich mochte! Das führte dazu, dass ich selbstständig aktiv wurde, um dieses Erfolgsgefühl aufrechtzuerhalten. Ich fing an, regelmäßig Physikhausaufgaben zu machen und im Unterricht immer geistig anwesend zu sein. Es war kaum zu glauben, aber ich war wirklich traurig, wenn der Physikunterricht ausfiel.

Es war erstaunlich festzustellen, welchen Einfluss mein Physiklehrer auf meine Zukunft hatte. Seine Anerkennung weckte in mir eine unendliche Motivation. Seine spannenden Ausführungen über Themen wie den quantenmechanischen Tunneleffekt führten dazu, dass ich in der zwölften Klasse beschloss, nach dem Abitur Physik zu studieren und so wie mein Lehrer, wenn nicht sogar noch besser, zu werden.

Es fand eine positive Transformation in mir statt, da ich endlich das Gefühl hatte, meinen Weg gefunden zu haben. Die Faszination für Physik war so groß, dass ich mir sogar zum Ziel setzte, eines Tages selbst einen Beitrag zu diesem Fach zu leisten und den Nobelpreis dafür zu erhalten.

Mein vorheriger Physiklehrer war gut und ich hatte gute Noten. Doch mein neuer Physiklehrer wurde zu einem Vorbild, das nicht nur über meine Noten, sondern auch über meine Zukunft entschied.

Mein erstes Physikvideo

2013. Nachdem mich einige meiner Mitschüler baten, ihnen Physik zu erklären, kam ich auf den Gedanken, dies in Form eines YouTube-Videos zu tun. Und so entstand mein allererstes Physikvideo über den photoelektrischen Effekt von Albert Einstein. Meine Website bekam damit auch den Bereich für Physikthemen in Textform.

Natürlich bekam ich auch Hasskommentare unter meinem ersten Physikvideo. Sie sagten mir, dass ich kein Universaldenker, sondern entweder ein Selbstdarsteller, ein Wunschdenker oder sonst was war – aber auf gar keinen Fall ein Universaldenker. Und von der Physik sollte ich fernbleiben, weil ich davon eh nichts verstand und der Physiknobelpreis würde ich nur in einem Paralleluniversum bekommen.

Diese Menschen versuchten mir ihre negativen Klassifizierungen solange einzutrichtern, bis ich diese – auf dem Tablett serviert – angenommen hätte. Doch die gewonnene Leidenschaft für Physik hielt allen möglichen negativen Einflüssen stand, seien es Hasskommentare unter dem Physikvideo, E-Mails, die mir weismachen sollten, dass ich von Physik überhaupt keine Ahnung hätte, oder schlechtere Physiknoten.

All diese Ereignisse und Einflüsse brachten mich nicht mal ansatzweise dazu, mich von der Physik abzuwenden. Ich war wie ein begeistertes Kind und die Physik war mein neues Spielzeug, welches mir niemand wegnehmen konnte.

Ich war fest davon überzeugt, dass ich niemals das Kind in mir aufgeben durfte, wenn ich die Welt positiv voranbringen wollte; wenn ich alles in meinem Leben erreichen wollte, was ich mir vornahm. Ich war zu der Zeit überzeugt, dass ich genauso genial wie Albert Einstein sein könnte, genauso Physik begreifen könnte wie er. Ich durfte nur meine Leidenschaft nicht verlieren. Das war das wichtigste und nicht irgendwelche Schulnoten oder Meinungen der Kritiker.

Ich glaubte kaum, dass Albert Einstein Physik studierte, um gute Noten in diesem Fach zu bekommen oder Klausuren zu bestehen. Er interessierte sich für Physik, weil er wissen wollte, was unser Universum im Innersten zusammenhält. Er blieb in seinem Inneren immer ein neugieriges, begeistertes Kind, welches das damalige Verständnis von Physik revolutionierte - trotz vieler Kritiker. Wo stünde die Physik jetzt, wenn er nach der ersten Kritik seine Arbeit in diesem Bereich niedergelegt hätte?

Spenden für mein Hobby

2013. Im Laufe der Zeit erstellte ich weitere Physikvideos zu Themen, die wir in der Schule behandelten und half damit mittlerweile nicht nur meinen Klassenkameraden, sondern auch anderen Schülern. Sie schrieben mir, dass sie dank meiner Videos bessere Noten in Physik bekamen.

Für meine Arbeit verlangte ich natürlich keinen einzigen Cent von den Besuchern und Zuschauern, weil ich fest davon überzeugt war, dass das Wissen für jeden frei zugänglich sein müsste. Ich wusste nämlich selbst ganz genau, wie wertvoll es war, von anderen kostenlos im Internet lernen zu dürfen. Für einen Nachhilfelehrer hätte meine Mutter sowieso kein Geld gehabt. Die kostenlosen Wissensquellen waren deshalb umso hilfreicher. Und ich war sicher, dass es genügend andere Leute gab, die sich kostenpflichtige Angebote nicht leisten konnten oder nicht bereit waren, für Wissen Geld auszugeben. Frei verfügbares Wissen, glaube ich noch immer, verhindert eine Spaltung der Gesellschaft in Wissende und Nichtwissende. Und in meinem Fall waren einige Schüler sogar so dankbar für die Videos, dass sie freiwillig spendeten. Auf diese Weise generierte ich zum ersten Mal mein passives Einkommen und konnte damit zumindest die Server- und Domainkosten der Website finanzieren.


Zukünftige Learnings aus diesem Lebensabschnitt:
  • Ich habe gelernt, meine Hater zu ignorieren und mir klar zu machen, dass der Hate weniger mit mir zu tun hat als mit dem Hater selbst.
  • Bevor ich mich über andere Menschen im Internet hermache, sollte ich in mich hineinhorchen und herausfinden, welches Problem mich aktuell belastet.

Zukünftige Learnings aus der Zeit in der 12. und 13. Klasse:

  • Gute Lehrer entscheiden über gute Noten auf dem Zeugnis. Vorbilder entscheiden über die Zukunft der Schüler.
  • Kostenloses Wissen ist der Schlüssel, um die Gesellschaft nicht in Wissende und Nichtwissende zu spalten.
  • Ich werde immer Menschen unterstützen, die ihr Wissen kostenlos teilen, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man von Danksagungen allein nicht leben kann.