Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

2014: André, die Kunst der Frauenverführung und das Abitur.

2014. Dadurch, dass ich gut in Physik war, konnte ich meinen Mitschülern manchmal bei den Hausaufgaben oder der Klausurvorbereitung helfen. Auf diese Weise freundete ich mich mit André aus meiner Klasse an. Manchmal gab ich ihm bei mir zu Hause Nachhilfe in Physik; anschließend schauten wir eine Folge Traumfrau gesucht. André war ein Kiffer. Zur Entspannung brachte er manchmal Gras mit. So bekam ich die Gelegenheit, das Kiffen auszuprobieren. Obwohl mich das Zeug dazu brachte, über nahezu jede Minute der Folge zu kichern, entschied ich mich, es nie wieder zu rauchen, weil meine Augen davon höllisch brannten und rot wurden.

Während ich mich mit Schulphysik auskannte, war André ein Experte in der Verführung von Frauen. Er las Bücher, die vom Wesen des weiblichen Geschlechts handelten – das heißt, wie Frauen funktionierten, was sie wollten und wie man sie auf der Straße ansprach. Er war sozusagen gut in Psychologie. Wenn wir ein derartiges Schulfach hätten, dann wäre er sicherlich richtig gut darin. Seine Kenntnisse waren mir auf der Suche nach einer Freundin umso nützlicher. Er zeigte mir in der Stadt, wie einfach es war, beliebige Frauen anzusprechen.

»Bevor du eine Frau ansprichst, arbeite zuerst an deiner Körperhaltung, Alex«, sagte er zu mir, als wir uns am Kröpcke in Hannover zum Frauenansprechen verabredet hatten.

»Was meinst du?«

»Frauen merken unbewusst eine schlechte Körperhaltung direkt und finden das abturnend«, begründete er, »Mach deinen Rücken gerade, deine Schultern locker und schau nicht die ganze Zeit nach unten. Und mach verdammt nochmal deine Hände aus den Hosentaschen raus«, forderte er mich auf.

»So?«

»Ja, schon besser. Gewöhn' dir das an«

»Bevor wir Frauen ansprechen, üben wir zuerst den Passantinnen in die Augen schauen«, schlug er mir als Aufgabe vor.

»Meinst du, an Frauen vorbeigehen und sie dabei anstarren?«

»Ja, du baust Augenkontakt auf und hältst ihn solange, bis sie den Augenkontakt zuerst abbricht. Wenn sie dich anlächelt, lächle zurück«

»Ich bin schon mega aufgeregt. Aber okay, versuchen wir mal.«

Es funktionierte. Nach den ersten Versuchen wurde ich rot wie eine Tomate, aber mit jedem anderen Kontakt wurde ich immer selbstbewusster. Die Frauen merkten, dass ich sie anstarrte. Manche hielten länger den Augenkontakt, manche brachen ihn sofort ab, nachdem sie gemerkt hatten, dass ich sie anschaute. Einige schenkten mir ein süßes Lächeln. Diese Übung in Kombination mit einer richtigen Körperhaltung hatte mein Selbstbewusstsein in die Höhe schießen lassen.

»Jetzt bist du bereit, Frauen anzusprechen, die dich beim Augenkontakt anlächeln. Mit diesen Frauen wirst du die größte Chance haben«, erklärte er das weitere Vorgehen.

»Aber zuerst, lass dir mal von mir zeigen, dass die Situation, in der du die Frau ansprichst, gar keine Rolle spielt«, führte er fort und ging sofort auf eine Frau zu, die am Schaufenster eines Schuhladens stand und auf ihr Handy schaute. André sprach sie an. Nach einem kurzen Gespräch, das ich aus der Entfernung beobachtete, gab sie ihm wohl ihre Handynummer.

Dann kam er wieder zu mir.

»So einfach geht das. Was du sagst, ist völlig egal. Wichtig ist nur, selbstbewusst zu sein«, erklärte er.

»Das klingt leichter gesagt als getan…«

»Je öfter du Frauen ansprichst, desto sicherer wirst du dabei«, erklärte er weiter.

»Lass uns weiterziehen. Du zeigst auf eine beliebige Frau, die ich ansprechen soll. Schau zu und lerne aus der Ferne, wie ich mich verhalte«

»Okay, einverstanden!«

Und so schlenderten wir durch die Stadt. Ich zeigte auf eine Frau, die entlang der Regale einer Buchhandlung ging. André sprach sie an. Ich zeigte auf eine Frau, die aus einer Straßenbahn ausstieg. André sprach sie so an, dass sogar ich als Außenstehender davon rot wurde. Ich zeigte auf eine Milf, die mit ihrem Hund auf einer Bank saß. Auch sie sprach er an.

André konnte wirklich jede Frau in jeder Situation ansprechen und ihm war es gleich, ob sie ihm ihre Handynummer gab oder nicht. Ich schaute ihm dabei zu und lernte.

»So, jetzt bist du dran«, sagte André, nachdem er ein Dutzend Frauen angesprochen hatte.

Er zeigte auf eine junge Frau mit blonden Haaren, die an der Kröpcke-Uhr stand und in ihr Handy vertieft war. Ehrlich gesagt, machte mich ihre schwarze Lederhose etwas skeptisch, ob sie mein Typ war, aber ich beschloss, es trotzdem zu versuchen und nahm den Vorschlag an.

Mein Herz begann schneller zu schlagen, je näher ich ihr kam, und die Aufregung stieg ins Unermessliche.

»Entschuldige«, sprach ich die Frau leise an, doch sie schien mich nicht mal zu bemerken.

»Hey, darf ich dich kurz stören?«, machte ich einen zweiten Versuch und winkte mit meiner Hand vor ihrem Handy, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.

Sie zog einen Kopfhörer aus ihrem Ohr und schaute mich mit einer skeptischen Miene an. »Hmm?« »Ich sagte, darf ich dich kurz stören?«

»Ja?« antwortete sie, immer noch skeptisch.

»Ich wollte fragen, ob ich dich kennenlernen darf?«

Ohne etwas zu sagen, steckte sie den Kopfhörer wieder rein und widmete sich wieder ihrem Handy zu. Ich fühlte mich wie in einem Film, in dem die peinlichste Szene immer wieder wiederholt wird. Mit gesenktem Kopf drehte ich mich um und ging so schnell wie möglich zurück zu André.

»Sehr gut, es ist normal, dieses unangenehme Gefühl zu haben«, sagte André und konnte sich wohl schon denken, was passiert war.

»Ich brauche erstmal eine kurze Pause«, gestand ich, während mein Herz sich langsam beruhigte.

»Ich wette mit dir, dass du zu leise gesprochen hast.«

»Das kann gut sein.«

»Hab keine Angst, lauter zu sprechen, sodass andere dich hören, Alex. Die Tussi hat dich glaube ich nicht mal gehört, als sie noch die Kopfhörer in den Ohren hatte«, mutmaßte André weiter.

»Woher weißt du das? Ja, sie hat mich nicht gehört.«

»Rede ein Tickchen lauter und sprich auch etwas langsamer als jetzt.«

»Okay, ich versuche es mal bei dem nächsten Mädel.«

»Nein, nicht beim nächsten Mädel! Du musst immer laut, langsam und deutlich sprechen und auf deine Körperhaltung achten. Das wird dir nicht nur in der Datingwelt helfen.«

Seine Hinweise, obwohl sie so offensichtlich waren, öffneten mir die Augen. Allein eine gerade Körperhaltung mit einem Blick nach vorne, boosteten mein Selbstbewusstsein, auch wenn ich mich in dem Moment eigentlich gar nicht so selbstbewusst fühlte.

»Aber genug der Kritik. Was ich gut finde, ist, dass du eine schöne tiefe Bruststimme hast. Nutze ihr volles Potential!«, machte er mir ein Kompliment.

»Danke, André«, sagte ich, während er bereits mit dem Finger auf ein weiteres blondes Mädel zeigte, an der ich wohl seine Tipps üben sollte.

Diesmal hatte ich, trotz eines Korbes, zumindest eine kleine Konversation mit dem Mädel. Bei den nächsten Versuchen bekam ich ebenfalls Körbe, bis ich selbst Mädels aussuchte, die mir wirklich gefielen. So konnte ich von elf angesprochenen Frauen zwei Nummern ergattern. Ein kleiner Erfolg, der mir zeigte, dass Übung in Kombination mit einem aufrichtigen Interesse wirklich den Frauenverführer macht.

In der Zeitung

Frühling, 2014. Als ich meinem Mitschüler Christian erzählte, dass ich Mädchen ansprechen konnte, glaubte er mir nicht. Nach der Schule ging ich mit ihm zusammen ins Stadtzentrum, um es ihm zu beweisen.

»Da, sprich die an!«, sagte Christian zu mir und zeigte dabei mit dem Finger auf ein großes Mädchen, die am Eingang eines Cafés wie ein Modell stand.

»Okay, versuchen wir es mal«, entgegnete ich ihm, leicht verunsichert, weil ich nie auf den Gedanken gekommen wäre, dieses Mädchen anzusprechen. Sie sah aus wie eine wohlhabende High-Society-Touristin, mit der neusten Louis-Vuitton Tasche am Arm, die gerade auf ihren Mann wartete. Sie schaute auf ihr Handy, als ich, möglichst entspannt, auf sie zuging. Kurz bevor ich vor ihr stand, bemerkte sie mich, richtete sich auf schaute mich fragend an. Wahrscheinlich dachte sie, ich würde sie nach dem Weg fragen wollen oder so etwas. Ich blickte ihr kurz tief in die Augen.

»Hey, ich würde dich gerne kennenlernen«, sagte ich laut, deutlich und ganz gelassen und zeigte ihr den Bildschirm meines Handys, wo sie direkt ihre Nummer eintippen konnte. Sie lächelte verwirrt und tippte gleichzeitig mit ihren langen Fingernägeln ihre Nummer ein. Nach einem kurzen Gespräch mit ihr ging ich wieder zu Christian zurück, der mich aus der Ferne beobachtete.

»Unglaublich, wie ist das möglich?«, fragte er mich erstaunt mit weit aufgerissenen Augen.

»Das nennt man Magie!«, antwortete ich ihm scherzhaft. Bevor ich es schaffte, ihm zu sagen, dass er es das selbst ausprobieren sollte, zeigte er bereits auf ein anderes Mädchen.

»Hier, sprich sie auch an«, forderte er mich auf. Doch dann wurden wir plötzlich von einem Mann von der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung angequatscht.

»Darf ich ein Foto von dir machen?«, fragte mich der Mann mit der Kamera.

»Ja, warum nicht!«

»Worauf freust du dich heute am meisten?«, stellte er mir als nächstes die Frage, während er auf den Auslöseknopf drückte. Nach einer kurzen Überlegung antwortete ich ihm, dass gute Ideen in Physik cool wären.

Ein paar Tage später schickte mir mein Mitschüler Cedrik bei Facebook ein Foto. Es war ein abfotografierter Zeitungsausschnitt mit einem Foto von mir. Drunter stand: »Heute freue ich mich auf gute wissenschaftliche Ideen im Physikunterricht.« Das löste in mir das gleiche Gefühl aus, wie damals, als ich mit Onkel in seinem gepimpten Auto durch das Dorf gecruist war. Dieses Ereignis motivierte mich noch mehr, Physik zu studieren und eines Tages ein berühmter Physiker wie Albert Einstein zu werden.

Ende der 13. Klasse

Sommer, 2014. Das letzte Schuljahr verging so schnell, dass ich es kaum bemerkte – das Abitur rückte näher. Zum Ende des Schuljahres wurden entweder abiturrelevante Themen wiederholt, Filme wie Inception geguckt oder im Informatikunterricht das heimlich per USB auf die Schulcomputer kopierte Paint-Ball-Shooter gespielt oder mit Paint gezeichnet. Eines meiner Werke war eine in der Ferne liegende Großstadt in nächtlicher Atmosphäre, wobei sich hinter der Stadt große Berge erstreckten und der Himmel einen riesigen Vollmond und viele Sterne trug. Der Beobachter stand weit weg, an einem mystischen Friedhof auf einer Straße, die zur Stadt führte. Er musste sich seinen Ängsten stellen und noch ein Stückchen einsam gehen, um an den Ort zu gelangen, an dem er eigentlich sein wollte.

Die Abiturfahrt

August 2014. Die meisten meiner Mitschüler lernten schon längst fürs Abitur. Ich lernte hauptsächlich für die mündliche Physikprüfung, weil ich sie gerne gut ablegen wollte. Ständig kam ich beim Lernen auf irgendwelche Ideen und notierte sie, um daraus vielleicht irgendwann mal eine Theorie zu entwickeln, wenn ich Physik besser verstand. Neben Physik bereitete ich mich auch ein bisschen auf Stochastik vor, den Teil der Mathematikklausur, den ich überhaupt nicht mochte. Die anderen Abiturfächer, also Englisch und Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, selbst Informationstechnik, waren mir gleichgültig.

Obwohl ich im Matheabitur eifrig die Aufgaben bis zur letzten Minute bearbeitete, bestand ich es mit meinem Erstaunen nur mit vier Punkten. Bei der Abiturprüfung in Physik bekam ich ein Thema über den photoelektrischen Effekt. Leider verlief nicht alles nach Plan, weshalb ich nur vierzehn Punkte bekam.

Nach den Prüfungen im Juni ging ich mit der Klasse auf eine einwöchige Abiturfahrt nach Prag. Dort machten wir tagsüber langweilige Stadtexpeditionen und nachmittags hatten wir freie Zeit, die ich mit anderen Schülern hauptsächlich in irgendwelchen Restaurants mit Saufen verbrachte.

Auf unserem Zimmer kam ich mit meinem Klassenkameraden Max in ein Gespräch über Frauen. Er glaubte mir nicht, dass ich die heiße Empfangsfrau unseres Hotels nach Sex fragen und zu uns ins Zimmer holen könnte. Also ging ich am vorletzten Tag gegen zwölf Uhr nachts, als keine Gäste mehr am Empfang waren, zu ihr, um sie mit meinem schlechten Englisch direkt zu fragen, ob sie einverstanden wäre, für Geld zu uns aufs Zimmer zu kommen.

Sie lehnte lachend mein Angebot mit der Begründung ab, dass sie bereits verheiratet war. Das war schade, denn sie war die letzte Hoffnung, die Klassenfahrt noch irgendwie wild und aufregend zu machen. Dann erinnerte ich mich daran, was ein Lehrer sagte als wir auf der Karlsbrücke standen: »Dort drüben ist die angeblich größte Disko Europas.«

Ich entschloss mich am letzten Tag, dieser Disko einen Besuch abzustatten. Da ich nicht allein hingehen wollte, fragte ich die Leute aus meinem Zimmer. Niemand wollte mitkommen, alle wollten nur durchschlafen und morgen wieder nach Hause fahren. Aber ich wollte auf gar keinen Fall schlafen, ich wollte Party machen! Also fragte ich in den anderen Zimmern nach. Nur zwei meiner Mitschüler, Daniel und Niklas, die in der Schule immer mit den Nerds abhingen, waren einverstanden.

Auf dem Weg zur Disko verliefen wir uns natürlich erstmal. Irgendwann fanden wir aber endlich den Eingang, den wir allerdings nur bemerkten, weil dort eine riesige Menschenschlange wartete.

Die Disko hatte mehrere Stockwerke und auf jedem spielte eine andere Musikrichtung. Erst nach mehreren alkoholischen Cocktails konnte ich mich tatsächlich zum Tanzen überwinden. Die unsicheren Bewegungen auf der Tanzfläche wurden immer sicherer und sicherer. Irgendwann kam ich an den Punkt, wo das Tanzen sehr viel Spaß machte, sodass wir bis ungefähr vier Uhr morgens in der Disko blieben.

Auf dem Rückweg ins Hotel bekam ich von Daniel mein erstes Feedback darüber, wie mein Tanzstil auf Außenstehende wirkte.

»Alex, du tanzt so als hättest du einen epileptischen Anfall«

»Gut, dass wir heute dieses Land verlassen«, entgegnete ich.


Zukünftige Learnings durch das Ansprechen von Frauen:
  • Ich sollte auf meine Körperhaltung achten (gerader Rücken, lockere Schultern, Hände aus den Taschen), um selbstbewusster zu wirken und mich auch so zu fühlen.
  • Ich sollte mir angewöhnen, beim Gehen nicht nach unten zu schauen, sondern den Blick geradeaus zu richten und bewusst Augenkontakt mit Passanten herzustellen, wenn ich für neue Kontakte offen bin.
  • Ich sollte laut, deutlich und langsam mit der Bruststimme sprechen, um Selbstbewusstsein auszustrahlen und sicherzustellen, dass die Menschen mir besser zuhören.
  • Je länger ich mit dem Ansprechen zögere, desto aufgeregter werde ich und desto eher bekomme ich einen Korb. Die größte Erfolgswahrscheinlichkeit, eine fremde Frau kennenzulernen, habe ich, wenn ich mit aufrichtigem Interesse und ohne zu zögern auf sie zugehe.
  • Wenn ich Frauen auf der Straße kennenlernen möchte, habe ich die größte Erfolgswahrscheinlichkeit, wenn ich Frauen anspreche, bei denen mein Herz und nicht nur mein Freund oder meine Genitalien die Auswahl getroffen haben.