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Die Rückkehr von Jule nach Deutschland

17. Juni 2022. Mit einem bunten Gerberastrauß in der Hand, Jules Lieblingsblumen, stand ich am Gleis drei in Hannover und wartete aufgeregt auf sie. Obwohl wir schon lange zusammen waren, fühlte sich dieser Moment des Wartens an, als würden wir uns zum ersten Mal treffen. Ich fragte mich, wie Jule sich nach all der Zeit verändert hatte und ob sie sich genauso auf mich freute wie ich auf sie.

Der vorbeifahrende Zug, der dann langsam bremste, riss mich aus meinen vertieften Gedanken und brachte mich zurück in die Gegenwart. Die Türen öffneten sich, und eine Menge Menschen strömte aus dem Zug mit ihren dicken Koffern und Rucksäcken und füllte das gesamte Gleis. Ich suchte nach Jule, schaute nach hinten und nach vorn entlang des Zugs. Schließlich entdeckte ich sie, ein Mädchen mit kurzen blonden Haaren, Brille und zwei Koffern, die sie hinter sich herzog. Ich ging auf sie zu, und meine Vermutung bestätigte sich: Es war Jule. Sie schaute auf den Boden, bis sie mich schließlich auch bemerkte. Sie lächelte nicht, und es fühlte sich an, als ob sie an mir vorbeischaute.

»Hallo Jule«, begrüßte ich sie und umarmte sie leicht, während sie die Koffer nicht abstellte, um mich ebenfalls zu umarmen. »Die Blumen sind für dich.«

»Oh, Danke! Lass uns hier schnell vom Gleis gehen, damit wir hier nicht im Weg stehen.«

Ich nahm ihren Rucksack auf meine Schultern, einen der Koffer in die eine Hand und die Blumen hielt ich in der anderen Hand.

»Danke für deine Hilfe, Saschi. Ist es okay für dich, wenn ich heute allein bin und erstmal in Ruhe meine Koffer auspacke?«, sagte sie, als wir auf dem Weg zur Straßenbahn waren.

»Na gut, kein Problem. Ich helfe dir dann zumindest bis zur Straßenbahn, die Koffer zu tragen«, erwiderte ich leicht enttäuscht.

Es blieben noch vier Minuten, bis die Straßenbahn kam. Wir standen am Gleis, und Jule erzählte mir von ihrer stressigen Rückreise. Doch irgendwie konnte ich mich nicht darauf konzentrieren und ließ das Gesagte an mir vorbeiprasseln. Ich war nicht so voller Freude, wie ich es erwartet hatte, als ich Jule wieder sah.

»Na gut, Saschi. Die Straßenbahn kommt schon. Du kannst mich am Sonntag besuchen kommen. Ich würde mich freuen«, sagte sie und gab mir einen Kuss auf die Lippen.

»Oh ja, gerne komme ich vorbei!«, erwiderte ich und half Jule, die Koffer in die Straßenbahn zu bringen.

Jule setzte sich am Fenster, schaute kurz nach unten, und als die Straßenbahn losfuhr, blickte sie kurz in meine Richtung, sodass ich ihr winken konnte. Dann fuhr ich zurück nach Harsum, wo mich meine Mutter abholte.

In Harsum wartete ich weitere zwanzig Minuten und schaute in die grauen Wolken, die meine gedrückte Stimmung widerspiegelten. Ich überlegte, gleich in die Felder zu spazieren und Mara eine Sprachnachricht aufzunehmen, um ihr zu erzählen, wie mein Wiedersehen mit Jule verlief.

Endlich kam Mama vom Dienst zurück.

»Hallo Saschul. Wie geht es Julenka? Ist sie gut angekommen?«, fragte mich meine Mutter im Auto.

»Ja, ihr geht es gut, Mam. Ich fahre sie am Sonntag besuchen. Heute und morgen muss sie erstmal ankommen und ihre Sachen auspacken«, antwortete ich und versuchte, möglichst neutral zu klingen, um den Eindruck zu vermeiden, dass das Wiedersehen nicht so erfreut verlaufen war wie erhofft.

»Wir würden uns alle freuen, sie wiederzusehen!«

»Ich glaube, sie muss direkt am Montag arbeiten und hat erstmal keine Zeit. Aber am zweiten Juli ist ja die Hochzeit, dann kommt sie mit, und ihr könnt sie sehen«, erklärte ich.

Während wir nach Hause fuhren, saß ich schweigend da und konnte spüren, dass Mama ebenfalls spürte, dass etwas in der Beziehung zwischen Jule und mir nicht stimmte.