Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

Minkowski-Diagramm und wichtige Grundlagen, die Du kennen solltest

Inhaltsverzeichnis
  1. Gleichortige und Gleichzeitige Ereignisse in der Raumzeit Hier lernst du, was Ereignisse in der Raumzeit sind und wann zwei Ereignisse am gleichen Ort oder zur gleichen Zeit stattfinden.
  2. Weltlinien - als Geschichten der Teilchen Hier lernst du, was Weltlinien in einem Minkowski-Diagramm sind, wie die Weltlinie eines Photons aussieht und welche Rolle dabei die Geschwindigkeit des Teilchens spielt.
  3. Relativistische Geschwindigkeitsaddition mit dem Minkowski-Diagramm verstehen Hier lernst du, warum es keine Relativgeschwindigkeit größer als die Lichtgeschwindigkeit geben kann.
  4. Weltflächen: Weltlinien ausgedehnter Objekte Hier lernst du, wie ausgedehnte Körper in einem Minkowski-Diagramm dargestellt werden können.
  5. Koordinatensystem eines bewegten Beobachters Hier konstruieren wir ein Koordinatensystem für einen bewegten Beobachter, lenernen einen Lichteck und Einheitshyperbel kennen.
  6. Beispiel: Zeitdilatation Hier schauen wir uns die Zeitdilatation in einem Raumzeitdiagramm an.
  7. Beispiel: Längenkontraktion Hier schauen wir uns die Längenkontraktion in einem Raumzeitdiagramm an.
  8. Lichtkegel in zweidimensionalen Minkowski-Diagrammen In zweidimensionalen Minkowski-Diagrammen stellen Photon-Weltlinien sogenannte Lichtkegel dar.
  9. Raumartige, zeitartige und lichtartige Ereignisse Hier lernst du anhand eines 2d-Raumzeitdiagramms, wann zwei Ereignisse raumartig, zeitartig oder lichtartig zueinander sind.

Minkowski-Diagramme können dazu benutzt werden, um die Phänomene der speziellen Relativitätstheorie (SRT) anschaulich darzustellen. Die Relativitätstheorie baut auf dem Relativitätsprinzip und der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit auf. Du wirst diesen Prinzipien daher auch bei den Minkowski-Diagrammen begegnen.

1d und 2d Raumzeitdiagramme mit ct-Achse
Koordinatensystem für eindimensionale & zweidimensionale Bewegung als Grundgerüst für ein Minkowski-Diagramm.

Ein Minkowski-Diagramm ist zuerstmal ein Raumzeitdiagramm. Ein Raumzeitdiagramm besteht aus einer Zeitachse \(c\, t\) und einer Ortsachse \(x\), wenn Du eine eindimensionale Bewegung behandeln möchtest. Um eine Bewegung in einer Ebene zu beschreiben, werden zwei Ortsachsen (\(x\), \(y\)) verwendet. Wir schauen uns zuerst die eindimensionale Bewegung an.

Bei Minkowski-Diagrammen ist die Konvention so, dass die Zeit auf der senkrechten und der Ort auf der waagerechten Achse eingezeichnet wird (siehe Illustration 1). Wir tragen außerdem auf der Zeitachse nicht \(t\), sondern \(c\,t\) auf. Warum? Wirst du bald verstehen.

Die Raumzeitdiagramme (Zeit-Ort-Koordinatensysteme) werden im Folgenden irgendwelche Beobachter repräsentieren (wir können sie auch Systeme nennen). Ein Beobachter kann beispielsweise ein stillstehendes Raumschiff sein. Einen derartigen stillstehenden Beobachter, bezeichnen wir als Ruhesystem und weisen ihm ein rechtwinkliges Koordinatensystem zu (siehe Illustration 1). Du könntest natürlich genauso irgendein schiefwinkliges Koordinatensystem zum Ruhesystem erklären. Warum sollten wir aber das Problem unnötig kompliziert machen? Das werden wir hier nicht tun.

Was ist ein Minkowski-Diagramm?

Ein Minkowski-Diagramm ist ein oder mehrere übereinander gezeichnete Koordinatensysteme mit einer Orts- und Zeitkoordinate, in dem verschiedene Ereignisse aus der Sicht verschiedener Beobachter zeitlich und örtlich verglichen werden.

Gleichortige und Gleichzeitige Ereignisse in der Raumzeit

Ein Punkt im Minkowski-Diagramm ist durch eine Orts- und Zeitangabe bestimmt und wird Ereignis genannt. Ein Ereignis gibt also an, wann und wo etwas stattfindet.

Damit das jeweilige Ereignis eindeutig ist, musst Du die angegebene Zeit und den Ort auf ein bestimmtes Koordinatensystem beziehen. Wenn Du also ein Ereignis angibst, musst Du auch dazu sagen, in welchem Koordinatensystem du die Zeit- und den Ort gemessen hast. Erst dadurch sind wir überhaupt in der Lage ein Ereignis aus verschiedenen "Perspektiven" (Koordinatensystemen) zu betrachten und die Orts- und Zeitangaben miteinander zu vergleichen. Das solltest du im Hinterkopf behalten!

Gleichortige Ereignisse: Parallelen zur Zeitachse

Betrachten wir ein Ruhesystem, das durch ein zweidimensionales, rechtwinkliges Koordinatensystem repräsentiert wird. Wählen wir irgendeinen Ort \( \class{blue}{x_1} \) rechts neben dem Ruhesystem. An diesem Ort sieht das Ruhesystem drei hintereinander passierende Explosionen \( \class{blue}{E_1} \), \( \class{blue}{E_2} \) und \( \class{blue}{E_3} \).

Gleichortige Ereignisse als Parallelen zur Zeitachse im Minkowski-Diagramm
Drei gleichortige Ereignisse am Ort \(x_1\) und zwei gleichortige Ereignisse am Ort \(x_2\).

Alle drei Ereignisse passieren aus der Sicht des Ruhesystems am gleichen Ort, aber zu verschiedenen Zeiten. Derartige Ereignisse, die für den Ruhebeobachter am gleichen Ort passieren, werden gleichortige Ereignisse genannt.

Beispiel für Gleichortigkeit aus dem Alltag

Am Ort \( x_2\) befindet sich eine Ampel (siehe Illustration 2). Die Ampel schaltet auf rot. Das ist das Ereignis \(E_0\). Eine kurze Zeit später, schaltet die Ampel auf grün. Das ist das Ereignis \(E_4\). Das sind zwei gleichortige Ereignisse.

Verbindest Du gleichortige Ereignisse, dann bekommst Du eine vertikale Gerade. Die Zeitachse des Ruhebeobachters beispielsweise ist auch so eine senkrechte Gerade. Sie ist die Summe aller Ereignisse, die am Ort \( x = 0 \) stattgefunden haben, gerade stattfinden und stattfinden werden. Die Zeitachse ist die Geschichte, also Vergangenheit, Gegenwart und die Zukunft des Ortes \( x = 0 \), an dem sich der Ruhebeobachter befindet.

Gleichzeitige Ereignisse: Parallelen zur Ortsachse

Ein Ruhebeobachter sieht zwei Ereignisse \(\class{red}{E_0}\) und \(\class{red}{E_1}\) zum Zeitpunkt \( c\, \class{red}{t_1}\) passieren. Etwas später, zum Zeitpunkt \(c\, \class{blue}{t_2}\), sieht er drei andere Ereignisse \(\class{blue}{E_2}\), \(\class{blue}{E_3}\) und \(\class{blue}{E_4}\) passieren.

Gleichzeitige Ereignisse auf Parallelen zur Ortsachse im Minkowski-Diagramm
Zwei gleichzeitige Ereignisse zum Zeitpunkt \(c\, t_1\) und drei andere gleichzeitige Ereignisse zum Zeitpunkt \(c\, t_2\).

Finden Ereignisse nicht parallel zur Zeitachse, sondern parallel zur Ortsachse statt, dann finden sie relativ zum Ruhebeobachter gleichzeitig statt. Solche Ereignisse werden gleichzeitige Ereignisse genannt. Die Ereignisse \(\class{blue}{E_2}\), \(\class{blue}{E_3}\) und \(\class{blue}{E_4}\) sind beispielsweise gleichzeitige Ereignisse.

Verbindest Du gleichzeitige Ereignisse miteinander, dann bekommst Du eine horizontale Gerade. Die Ortsachse des Ruhesystems ist zum Beispiel auch so eine horizontale Gerade. Alle Ereignisse auf der Ortsachse passieren gleichzeitig zum Zeitpunkt \( c\, t = 0 \) statt.

Weltlinien - als Geschichten der Teilchen

Die Bewegung, aber auch das bloße Dasein eines Teilchens oder eines anderen als punktförmig betrachteten Körpers (zum Beispiel Raumschiff) erzeugt eine sogenannte Weltlinie im Minkowski-Diagramm. Diese stellt die Bahn (Trajektorie) dieses Körpers dar. Die Weltlinie ist sozusagen eine Aneinanderreihung von allen Ereignissen, die diesem Körper im Laufe der Zeit zustoßen.

Beispiele für verschiedene Weltlinien

7 verschiedene Weltlinien in einem Minkowski-Diagramm
Sieben verschiedene mögliche Weltlinien in einem Minkowski-Diagramm.

In der Illustration 4 sind sieben unterschiedliche Weltlinien dargestellt, die zu unterschiedlichen Körpern (Teilchen, Beobachter, ...) gehören. Es ist nur eine \(x\)-Ortsachse eingezeichnet, weshalb nur eindimensionale Bewegungen möglich sind: also entweder Bewegungen nach links oder nach rechts. Dem Ruhebeobachter gehört das schwarze Koordinatensystem in der Illustration 4. Dieser Ruhebobachter sieht verschiedene Körper sich unterschiedlich bewegen:

  • Weltlinie 1 - dieser Körper bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit von dem Körper weg, dem die Weltlinie 2 gehört. Er bewegt sich als einziger Körper nach links.

  • Weltlinie 2 - dieser Körper befindet sich wie der Ruhebeobachter in Ruhe, an einem bestimmten Ort. Für ihn vergeht zwar die Zeit, sein Ort bleibt aber gleich. Er hat einen festen Abstand zum Ruhebeobachter.

  • Weltlinie 3 - dieser Körper bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit von dem Körper weg, dem die Weltlinie 2 gehört. Seiner Weltlinie nach, bewegt er sich wie Körper 4, 5 und 6 nach rechts.

  • Weltlinie 4 - dieser Körper hat die gleiche Geschwindigkeit wie der Körper, dem die Weltlinie 3 gehört. Körper 4 und 3 bewegen sich nach rechts in einem festen Abstand zueinander.

  • Weltlinie 5 - dieser Körper ist ganz schnell und beschleunigt fast auf Lichtgeschwindigkeit. Am Ereignis S trifft er sich mit dem Körper 6 zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort.

  • Weltlinie 6 - dieser Körper fliegt beinahe mit Lichtgeschwindigkeit und bremst ab, bis er irgendwann stehen bleibt, weil die Weltlinie mit der Zeit zu einer senkrechten Geraden wird. Am Ereignis S trifft er sich mit dem Körper 5.

  • Weltlinie 7 - dieser Körper pendelt hin und her von rechts nach links. Er beschleunigt auf hohe Geschwindigkeit und bremst an den Umkehrpunkten (an den Berg- und Talspitzen) ab, um die Bewegungsrichtung zu ändern.

Was unterscheidet gerade Weltlinien von den gekrümmten?

Gerade Weltlinien im Minkowski-Diagramm stellen unbeschleunigte Körper (Inertialsysteme) dar. Krummlinige Weltlinien sind dagegen beschleunigte Körper.

Weltlinien von Lichtteilchen

Die Lichtgeschwindigkeit wird in jedem Bezugssystem gleich wahrgenommen. Egal, ob sich das Bezugssystem bewegt oder nicht. Die Geschwindigkeit der Lichtteilchen (Photonen) ist immer konstant. Das ist eines der beiden Postulate auf denen die spezielle Relativitätstheorie beruht.

Aus diesem Grund wählen wir die Maßstäbe der beiden Achsen im Minkowski-Diagramm so, dass die Weltlinie eines Photons eine Winkelhalbierende der Orts und Zeitachse darstellt. Damit die Photon-Weltlinie stets eine Winkelhalbierende ist, müssen drei Dinge erfüllt sein:

  1. Trage auf die Zeitachse nicht \( t \), sondern \( c \, t \) auf. Damit skalierst du die Zeit mit der Lichtgeschwindigkeit \( c \). Die \( c\,t\)-Achse hat nun die Dimension einer Länge, genau wie die \(x\)-Ortsachse!

  2. Beide Achsen müssen in der selben Längeneinheit sein. Zum Beispiel müssen auf beiden Achsen Lichtjahre eingetragen sein, aber nicht auf einer Achse Lichtjahre und auf anderer Achse Lichtsekunden.

  3. Beide Achsen müssen gleich skaliert sein. Zum Beispiel, wenn ein Lichtjahr auf der \(ct\)-Achse einem Zentimeter auf dem Papier entspricht, dann muss ein Lichtjahr auf der \(x\)-Achse ebenfalls einem Zentimeter auf dem Papier entsprechen.

Wird nun ein Photon zum Zeitpunkt \(c\,t = 0 \) vom Ort \( x = 0 \) in die positive \(x\)-Richtung (nach rechts) ausgesendet, dann wird die Weltlinie dieses Photons immer einen 45 Grad Winkel zur Zeitachse und zur Ortsachse einschließen.

Weltlinie eines Photons in einem Minkowski-Diagramm
Weltlinie eines Photons als Winkelhalbierende im Minkowski-Diagramm.

Die Weltlinie eines Photons ist wegen der konstanten Lichtgeschwindigkeit niemals auf irgendeine Weise gebogen, sondern immer gerade. Sie kann aber sehr wohl zickzackförmig sein, wenn beispielsweise das Photon an irgendwelchen Spiegeln hin und her reflektiert wird. Die Zickzack-Form kann jedoch nicht beliebig sein. Die "reflektierte Weltlinie" muss genau einen Neigungswinkel von 45 Grad zur Orts- und Zeitachse haben. Dieser Winkel ist auf jeden Fall gewährleistet, wenn an den Relfektionspunkten die Weltlinie um 90 Grad reflektiert wird.

Beispiele für Weltlinien mit verschiedenen Geschwindigkeiten

Die Lichtgeschwindigkeit ist die maximale Geschwindigkeit im Universum und kann nur von masselosen Photonen erreicht werden. Daher können die Weltlinien von Objekten mit einer Masse niemals flacher sein als die Weltlinie eines Photons! Ihre Geschwindigkeit kann sich zwar der Lichtgeschwindigkeit nähern, aber sie niemals erreichen oder gar übersteigen.

6 Weltlinien unterschiedlicher Geschwindigkeit in einem Minkowski-Diagramm
Weltlinien von sechs Raumschiffen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Weltlinie eines Photons ist als Referenz eingezeichnet.

In der Illustration 6 siehst du verschiedene Weltlinien, die unterschiedlich stark geneigt sind. Nehmen wir mal an, dass diese Weltlinien zu unterschiedlichen Raumschiffen gehören. Aus Sicht des ruhenden Raumschiffs 1 (schwarzes Koordinatensystem) starten alle Raumschiffe zum Zeitpunkt \( c\,t = 0 \) alle am Ort \(x = 0\). Von dort aus bewegen sie sich alle nach rechts, aber mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten:

  • Raumschiff 2 - hat eine sehr steile Weltlinie, es bewegt sich sehr langsam nach rechts.

  • Raumschiff 3 - bewegt sich schneller als Raumschiff 2 nach rechts.

  • Raumschiff 4 - bewegt sich schneller als Raumschiff 3 und zwar mit ungefähr halber Lichtgeschwindigkeit. (Beachte: Halbe Lichtgeschwindigkeit bedeutet nicht, dass Du den Winkel der Weltlinie von Licht halbieren sollst (22,5 Grad). Das ist nämlich falsch, wenn Du Dir die Beziehung 2 zwischen dem Winkel und der Geschwindigkeit anschaust.)

  • Raumschiff 5 - bewegt sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit.

  • Raumschiff 6 - bewegt sich mit Überlichtgeschwindigkeit und ist deshalb nicht zulässig.

Was sagt die Neigung einer Weltlinie aus?

Je schneller sich ein Körper bewegt, desto mehr schmiegt sich seine Weltlinie an die Weltlinie eines Photons an. Die Weltlinie des Körpers wird jedoch niemals flacher als die Photonweltlinie.

Relativistische Geschwindigkeitsaddition mit dem Minkowski-Diagramm verstehen

Was ist, wenn zwei Raumschiffe mit jeweils 60% der Lichtgeschwindigkeit sich voneinander wegbewegen? Ist ihre Relativgeschwindigkeit dann größer als Lichtgeschwindigkeit? In der relativistischen Mechanik ist es nicht möglich eine Relativgeschwindigkeit herauszubekommen, die größer ist als die Lichtgeschwindigkeit. Lass uns das an einem Minkowski-Diagramm veranschaulichen.

Wir weisen der Erde (oder einem Ruhebeobachter auf der Erde) ein rechtwinkliges Koordinatensystem zu. Zwei Raumschiffe starten von der Erde aus und bewegen sich aus Sicht des Ruhebeobachters mit jeweils 60% der Lichtgeschwindigkeit von der Erde weg. Das eine Raumschiff bewegt sich nach links und das andere nach rechts. Eine naive Geschwindigkeitsaddition würde ergeben, dass die Raumschiffe aus Sicht eines der Raumschiffe mit 120% der Lichtgeschwindigkeit voneinander wegbewegen:

Das ist eine naive klassische Geschwindigkeitsaddition, die nur bei kleinen Relativgeschwindigkeiten näherungsweise gültig ist. Hier haben wir aber eine sehr große Relativgeschwindigkeit, daher musst Du hier relativistisch rechnen.

Lass eines der Raumschiffe zu irgendeinem Zeitpunkt ein Lichtsignal zum anderen Raumschiff senden. Die Weltlinie dieses Lichtsignals ist die eines Photons, also eine verschobene 45°-Gerade (siehe Illustration 7). Das Lichtsignal wird beim anderen Raumschiff in jedem Fall ankommen. Zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort? Zeichne die Photon-Gerade einfach bis zum Schnittpunkt mit der Weltlinie des anderen Raumschiffs. Der Schnittpunkt ist der Ort und Zeitpunkt, an dem der Lichtpuls ankommt.

Minkowski-Diagramm: Geschwindigkeit-Addition
Zwei Raumschiffe, die sich mit 60% der Lichtgeschwindigkeit von der Erde entfernen und KEINE Relativgeschwindigkeit von 120% haben!

Da sich das Signal mit Lichtgeschwindigkeit bewegt und es irgendwann das andere, sich wegbewegende Raumschiff einholt, bedeutet es, dass sich das zweite Raumschiff langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit von ihm entfernt. Es kann sich also gar nicht mit 120% der Lichtgeschwindigkeit vom anderen Raumschiff entfernen. Sonst würde das Lichtsignal niemals bei dem zweiten Raumschiff ankommen!

Du kannst die tatsächliche Relativgeschwindigkeit \(u\) zwischen den beiden Raumschiffen auch folgendermaßen mithilfe der speziellen Relativitätstheorie berechnen:

Hierbei ist \(v_1\) die Geschwindigkeit des ersten Raumschiffs und \(v_2\) die Geschwindigkeit des zweiten Raumschiffs aus Sicht des irdischen Ruhebeobachters. Die tatsächliche Relativgeschwindigkeit beider Raumschiffe ist 88% und nicht 120% der Lichtgeschwindigkeit!

Weltflächen: Weltlinien ausgedehnter Objekte

Bis jetzt hast Du nur Weltlinien von Körpern kennengelernt, die als punktförmig idealisiert oder von Natur aus sehr sehr klein waren. Jede Körper ist in Wirklichkeit jedoch nicht punktförmig, sondern räumlich ausgedehnt. Das heißt, ein Körper besteht aus vielen Teilchen, die viele Orte zur selben Zeit besetzen und alle diese Teilchen fassen wir zusammen zu einem einzigen ausgedehnten Körper.

Minkowski-Diagramm: 3 Weltflächen
Drei ausgedehnte Stäbe unterschiedlicher Länge erzeugen Weltflächen im Minkowski-Diagramm.

Jedes dieser Teilchen erzeugt seine eigene Weltlinie im Minkowski-Diagramm. Fasst Du sie alle zusammen, bekommst Du eine Weltfläche - als eine Aneinanderreihung vieler Weltlinien. Dieser Körper könnte beispielsweise ein langer dünner Stab sein.

  • Ein ruhender Stab der Länge \( L_1 \) erzeugt eine Weltfläche, die parallel zur Zeitachse verläuft. Die Weltfläche ist ein Rechteck der Breite \(L_1\), das mit der Zeit entlang der Zeitachse länger wird.

  • Ein bewegter Stab dagegen, erzeugt zwar auch eine reckteckförmige Weltfläche, diese ist jedoch entweder nach links oder nach rechts gekippt, je nach dem, ob sich der Stab nach links oder rechts bewegt.

Koordinatensystem eines bewegten Beobachters

Das Koordinatensystem eines Ruhebeobachters ist rechtwinklig. Wie sieht im Vergleich dazu das Koordinatensystem eines bewegten Beobachters aus? Nehmen wir mal an: Du bist der Ruhebeobachter, dem ein schwarzfarbiges, rechtwinkliges Koordinatensystem \( (c \, t, x) \) gehört (siehe Illustration 9). Neben dir (im Koordinatenursprung) steht ein Raumschiff XxX zum Zeitpunkt \( t = 0 \). Dort seid ihr zur selben Zeit am selben Ort. Nun startet das Raumschiff unbeschleunigt nach rechts zu fliegen (in die positive \(x\)-Richtung). Dadurch erzeugt es eine Weltlinie in deinem Koordinatensystem, die geneigt nach rechts verläuft.

Zeitachse des bewegten Beobachters konstruieren

Nach dem Relativitätsprinzip kann sich das Raumschiff XxX selbst als ruhend ansehen. Das Raumschiff hat ein eigenes Koordinatensystem \( (c \, t_{\text R}, x_{\text R}) \) und es befindet sich in seinem Ruhesystem immer im Koordinatenursprung \( x_{\text R} = 0 \). Die Weltlinie eines Ruhebeobachters XxX, der sich im Koordinatenursprung befindet, verläuft entlang seiner \(c \, t_{\text R}\)-Zeitachse (siehe Illustration 9). Das Ruhesystem \( (c \, t_{\text R}, x_{\text R}) \) des Raumschiffs dagegen, hat aus der Sicht des \( (c \, t, x) \)-Systems eine geneigte \(c \, t\)-Zeitachse.

Weltlinien bilden verschiedene Zeitachsen im Minkowski-Diagramm
Ein Ruhebeobachter und ein relativ dazu bewegter Beobachter haben unterschiedliche Zeitachsen \( c \, t \) und \( c \, t_{\text R} \).
Zeitachsen verschiedener Beobachter

Zwei relativ zueinander bewegte Beobachter haben verschiedene Zeitachsen!

Ortsachse des bewegten Beobachters konstruieren

Gut, wir wissen nun, dass die Zeitachse des Raumschiffs XxX aus der Sicht des schwarzen Koordinatensystems \( (c \, t, x) \) um einen bestimmten Winkel geneigt ist.

Wie sieht denn die Ortsachse des Raumschiffs XxX aus?

In vorherigen Kapiteln hast du gelernt, dass gleichzeitige Ereignisse im Minkowski-Diagramm parallel zur Ortsachse verlaufen müssen. Das nutzen wir aus! Zusätzlich zum Raumschiff XxX nehmen wir zwei weitere gleiche Raumschiffe: linkes Raumschiff LR und rechtes Raumschiff RR. Alle drei fliegen in die gleiche Richtung mit gleicher Geschwindigkeit. Die beiden neuen Raumschiffe halten dabei einen gleichen Abstand zu XxX ein.

Wenn wir nun nach dem Relativitätsprinzip das Raumschiff XxX als ruhend ansehen, dann sind auch aus seiner Sicht die beiden Raumschiffe LR und RR in Ruhe.

Das Raumschiff XxX schickt zum Zeitpunkt \( t_{\text R} = 0 \) zwei Lichtsignale in entgegengesetzte Richtungen zu den Raumschiffen LR und RR ab:

Schiedsrichter als Weltlinie zwischen zwei anderen im Minkowski-Diagramm
Raumschiff XxX sendet zwei Lichtpulse zu den Raumschiffen RR und LR zum Zeitpunkt \( c\,t_{\text R} = 0\). Beide Lichtpulse kommen gleichzeitig an.

Beide Lichtsignale werden bei beiden Raumschiffen jeweils gleichzeitig ankommen. Warum gleichzeitig? Weil die Raumschiffe LR und RR im gleichen Abstand zu XxX sind. Wir haben also zwei gleichzeitige Ereignisse:

  • \( E_{\text{LR}} \): "Lichtsignal ist beim linken Raumschiff angekommen"

  • \( E_{\text{RR}} \): "Lichtsignal ist beim rechten Raumschiff angekommen"

Verbinde die beiden Ereignisse \( E_{\text{LR}} \) und \( E_{\text{RR}} \):

Connection of events \(E_{\text{RR}}\) and \(E_{\text{LR}}\) occurring simultaneously for the spacecraft XxX.

Diese Verbindungslinie stellt eine Gerade dar, auf der nur gleichzeitige Ereignisse aus Sicht von XxX stattfinden. Gleichzeitige Ereignisse liegen stets parallel zur Ortsachse des Systems, für den die Ereignisse gleichzeitig stattfinden. Die Verbindungslinie liegt also parallel zur Ortsachse des Raumschiffs XxX.

Verschiebe nur noch die Verbindungslinie in den Koordinatenursprung: \( (c \, t_{\text R}, x_{\text R}) \) = \( (0, 0) \), um die Ortsachse des Koordinatensystems von XxX zu bekommen. Das Raumschiff XxX hat also seine eigene Ortsachse (nennen wir sie \( x_{\text{R}} \)-Achse). Das Raumschiff XxX darf also die \( x \)-Ortsachse nicht mitbenutzen!

Ortsachsen verschiedener Beobachter

Zwei relativ zueinander bewegte Beobachter haben verschiedene Ortsachsen!

Gleichzeitigkeit und Gleichortigkeit

Nachdem Du das Koordinatensystem \( (c \, t_{\text R}, x_{\text R}) \) des bewegten Systems XxX konstruiert hast, kannst Du daran ein Phänomen der Relativitätstheorie beobachten, nämlich:

Gleichzeitige bzw. gleichortige Ereignisse für einen Ruhebeobachter, sind nicht gleichzeitig bzw. gleichortig für einen relativ dazu bewegten Beobachter!

Machen wir ein kleines Beispiel für Gleichzeitigkeit:

  • Nimm zwei Ereignisse, die im schwarzen Koordinatensystem \( (c \, t, x) \) gleichzeitig passieren, also auf einer Parallelen zur Ortsachse liegen.

  • Schau nun, ob die beiden Ereignisse auch gleichzeitig im bewegten System \( (c \, t_{\text R}, x_{\text R}) \) passieren.

Du wirst feststellen, dass dies nicht der Fall ist. Warum? Weil ihre Verbindungslinie nicht parallel zur Ortsachse des bewegten Systems verläuft. Das gleiche gilt für Gleichortigkeit. Die Linien der Gleichzeitigkeit und Gleichortigkeit der beiden Systeme stimmen nicht überein!

Lichteck und Winkel zwischen Orts- und Zeitachsen

Der Winkel zwischen der Licht-Weltlinie und der \(c\,t\)-Zeitachse ist 45 Grad. Der Winkel zwischen der Licht-Weltlinie und der \(x\)-Ortsachse ist ebenfalls 45 Grad. Die beiden Winkel sind gleich.

Um welchen Winkel ist die Orts- und Zeitachse des bewegten Koordinatensystems gegenüber dem ruhenden Koordinatensystem geneigt?

Lass uns die beiden Lichtpulse, die vom Koordinatenursprung zu den beiden Raumschiffen RR und LR ausgesandt wurden, zurück zum Raumschiff XxX reflektieren. Die beiden Reflexionen stellen die Ereignisse \( E_{\text{LR}} \) und \( E_{\text{RR}} \) dar. Die reflektierten Lichtpulse kommen wieder gleichzeitig bei XxX an.

Lichtviereck (Lichteck) in einem Minkowski-Diagramm
Vom Raumschiff XxX ausgesandten Lichtpulse zu anderen beiden Raumschiffen, werden dort reflektiert und kommen gleichzeitig wieder bei XxX an. Es entsteht ein Lichteck im Minkowski-Diagramm.

Durch Aussenden und Reflektieren beider Lichtpulse ist ein Lichtviereck (oder kurz: Lichteck) im Raumzeitdiagramm entstanden. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Viereck, denn die Lichtweltlinien schließen "bei den Knicks" einen 90 Grad Winkel ein.

Was ist ein Lichtviereck?

Zwei von einem Beobachter gesendete und zu ihm zurückreflektierte Pulse bilden ein Lichtviereck, das das Koordinatensystem des Beobachters festlegt.

Die steilere Diagonale im Lichteck, also die \( c\,t_{\text{R}} \)-Achse, schließt mit der \(c\,t\)-Achse gleichen Winkel ein wie die \(x_{\text R}\)-Ortsachse und die \(x\)-Ortsachse. Das Licht stellt nicht nur eine Winkelhalbierende der Achsen vom ruhenden System dar, sondern auch der Achsen von bewegten Beobachtern!

Winkel zwischen den Orts- und Zeitachsen im Minkowski-Diagramm
Bewegter Beobachter, deren Zeitachse und Ortsachse gleichen Winkel \(\alpha\) mit den Achsen des Ruhebeobachters einschließen.

Der eingeschlossene Winkel \(\alpha\) zwischen den Zeitachsen des ruhenden und bewegten Beobachters ist Gegenkathete \( x = v\,t\) durch Ankathete \(c\,t\):

Aus der Formel 2 und der Tatsache, dass die beiden Winkel gleich sind, kannst Du folgern: Je schneller sich das Raumschiff aus der Sicht eines ruhenden Beobachters bewegt, desto näher rücken die Orts- und Zeitachse des Raumschiffs an die Lichtweltlinie; bis sie im Falle des lichtschnellen Raumschiffs zusammenfallen. Verschmelzen Raum und Zeit zu einer Dimension? Passiert für ein Photon alles im Universum gleichzeitig? Was denkst Du?

An der Gleichung 2 kannst Du außerdem erkennen, dass je größer die Geschwindigkeit \( v \) eines Beobachters ist, desto größer wird der Winkel \( \alpha \); bis die Geschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit \( c \) erreicht hat - dann ist der Quotient:

Der Winkel \(\alpha\) beträgt dann: \( \alpha ~=~ 45^\circ \) bzw. \( \alpha ~=~ \frac{\pi}{4} \) (wegen: \( \arctan(1) ~=~ \frac{\pi}{4} \)).

Skalierung der Zeitachse des bewegten Beobachters

Bis jetzt haben wir nur die Ausrichtung der Orts- und Zeitachse des bewegten Systems konstruiert. Jetzt müssen wir uns noch um die Skalierung der Achsen kümmern, um ein vollständiges Koordinatensystem eines bewegten Beobachters zu bekommen. Schließlich kannst Du Dir nicht sicher sein, ob eine Sekunde im bewegten System einer Sekunde im ruhenden System entspricht. Wir wollen also die folgende Frage klären:

Wie viel Zeiteinheiten im bewegten System entspricht eine Zeiteinheit im Ruhesystem?

Nach der speziellen Relativitätstheorie bleibt das folgende Abstandsquadrat \( s^2 \) in jedem System gleich:

Abstandsquadrat \( s^2 \) ist die Zeitkoordinate zum Quadrat abzüglich der Ortskoordinate zum Quadrat.

Die Gleichung 4 für das Abstandsquadrat entspricht einer gleichseitigen Hyperbel. Die Gleichung für eine allgemeine Hyperbel lautet folgendermaßen:

In unserem Fall ist \( y ~=~ c\,t \) und \(a\) und \(b\) sind gleich, was in der Gleichseitigkeit resultiert. Im Folgenden betrachten wir nur den Fall \( s ~=~ 1 \), was einer Einheitshyperbel entspricht:

Zeichne nun unterschiedlich schnelle Raumschiffe ein und schaue, wo ihre Weltlinien die Einheitshyperbel schneiden. Der Abstand vom Ursprung bis zum Schnittpunkt entspricht einer Zeiteinheit für das jeweilige Raumschiff. Und zwar je schneller das Raumschiff ist, desto gedehnter wird eine Zeiteinheit in diesem Raumschiff.

Einheitshyperbel für gleiche Zeitpunkte verschiedener Beobachter im Minkowski-Diagramm
Schneidet die Weltlinie die Einheitshyperbel, so entspricht der Schnittpunkt einer Lichtsekunde im jeweiligen Bezugssystem.

Schickst Du zwei Lichtpulse so vom Ursprung zum Schnittpunkt aus, dass sie an zwei Orten reflektiert und gleichzeitig beim Schnittpunkt ankommen, dann bekommst Du flächengleiche Lichtecke. Wendest Du auf das Abstandsquadrat 6, die binomische Formel an, dann bekommst Du das Produkt von zwei Ausdrücken, die als Seitenlängen eines Rechteckes interpretiert werden können:

Das Produkt selbst ergibt dann die Fläche dieser eingezeichneten Lichtecke (siehe Illustration 14). Und diese Fläche muss ja in jedem System gleich sein, weil sie dem umgeschriebenen Abstandsquadrat entspricht.

Skalierung der Ortsachse des bewegten Beobachters

Hyperbel für die Skalierung der Ortsachsen verschiedener Beobachter im Minkowski-Diagramm
Einheitshyperbel für die Skalierung der Ortsachsen. Der Schnittpunkt einer Ortsachse mit der Hyperbel entspricht einer Längeneinheit auf dieser Ortsachse.

Du kannst nicht nur eine Einheitshyperbel für gleiche Zeiten in unterschiedlichen Systemen einzeichnen, sondern auch für gleiche Orte! Die Hyperbelgleichung ist exakt die selbe, mit dem einzigen Unterschied, dass das Abstandsquadrat nicht \(s^2 = 1 \), sondern \( s^2 = -1 \) ist:

Auch hier kannst Du Ortsachsen unterschiedlicher Systeme einzeichnen und die Schnittpunkte mit der Hyperbel betrachten. Ortsachsen unterschiedlich schnell bewegter Systeme werden anders skaliert: Je schneller sich das System bewegt, desto gedehnter wird eine Längeneinheit in diesem System.

Nun hast Du neben der Ausrichtung der Achsen des bewegten Systems, auch die Skalierung der Achsen herausgefunden. Wie Du siehst, ist sie bei einem bewegten System anders als einem ruhenden.

Beispiel: Zeitdilatation

Mit den erworbenen Kenntnissen kannst Du nun die wichtigsten Phänomene der speziellen Relativitätstheorie veranschaulichen! Lass uns jetzt vergleichen, wie viel Zeit auf der Uhr eines Ruhebeobachters (System A) vergangen ist, nachdem eine Sekunde auf der Uhr eines bewegten Beobachters (System B) verstrichen ist. Für die graphische Darstellung der Zeitdilatation in einem Minkowski-Diagramm nutzen wir die Linien der Gleichzeitigkeit aus. Das sind, wie du weißt, Parallelen zur Ortsachse.

Aus der Sicht von System A (siehe Illustration 16):
Im System A findet das Ereignis E zum Zeitpunkt \(c\,t_{\text A} = 1 \) Sekunde statt. Zeichne die Linie der Gleichzeitigkeit (Parallele zur \(x_{\text A} \)-Ortsachse) durch das Ereignis E. Betrachte den Schnittpunkt dieser Linie mit der \(c\,t_{\text B}\)-Zeitachse des bewegten Systems B. Bezeichnen wir den Schnittpunkt als Ereignis E'. Damit stellt System A fest, dass das Ereignis E' und damit auch E im System B noch nicht stattgefunden hat. Die Zeit im System B scheint für das System A langsamer zu vergehen.

Minkowski-Diagramm: Zeitdilatation für den Ruhebeobachter
Zwei für das System A gleichzeitige Ereignisse E und E', die nach einer Sekunde passieren. System A sieht, dass E' (und damit auch E) im System B noch nicht eingetreten ist.

Aus der Sicht von System B (siehe Illustration 17):
Betrachten wir nun ein Ereignis E, das zum Zeitpunkt \(c\,t_{\text B} = 1 \) Sekunde aus Sicht des Systems B stattfindet. Zeichne die Linie der Gleichzeitigkeit (Parallele zur \(x_{\text B} \)-Ortsachse) durch das Ereignis E. Betrachte den Schnittpunkt dieser Linie mit der \(c\,t_{\text A}\)-Zeitachse des Systems A. Bezeichnen wir den Schnittpunkt als Ereignis E'. Damit stellt System B fest, dass das Ereignis E' und damit auch E im System A noch nicht stattgefunden hat. Die Zeit im System A scheint für das System B langsamer zu vergehen.

Zeitdilatation für bewegten Beobachter im Minkowski-Diagramm
Zwei für das System B gleichzeitige Ereignisse E und E', die nach einer Sekunde passieren. System B sieht, dass E' (und damit auch E) im System A noch nicht eingetreten ist.

Wie du siehst, die Zeitdilatation ist ein symmetrischer Effekt. Die bewegte Uhr geht langsamer. Aber, welche Uhr bewegt ist, hängt von dem gewählten System (Beobachter) ab.

Beispiel: Längenkontraktion

Neben der Zeitdilatation tritt ein weiteres Phänomen der speziellen Relativitätstheorie auf, nämlich die Längenkontraktion. Für die graphische Darstellung der Längenkontraktion in einem Minkowski-Diagramm nutzen wir die Linien der Gleichortigkeit aus. Das sind, wie du weißt, Parallelen zur Zeitachse.

Aus der Sicht von System A (siehe Illustration 18):
Mit einer Einheitshyperbel wurde die Skalierung der Ortsachsen für das System A und B bestimmt. Ein Stab im System A hat die Länge 1 Meter. (Übrigens: Damit eine Messung der Länge richtig ist, müssen die beiden Orte der Stabenden gleichzeitig abgelesen werden. Alles, was für ein System gleichzeitig passiert, liegt auf Parallelen zu seiner Ortsachse. In unserem Fall messen wir zum Zeitpunkt \(c\,t_{\text A} = 0\) die beiden Stabenden und bekommen 1 Meter heraus.) Das Ereignis E markiert das Ende des Stabs. Zeichne die Linie der Gleichortigkeit durch das Ereignis E. Damit findest du den Schnittpunkt E' mit der \(x_{\text B} \)-Ortsachse. Aus Sicht von A scheint der Stab im bewegten System B verkürzt.

Längenkontraktion aus Sicht eines ruhenden Beobachters im Minkowski-Diagramm
Zwei Ereignisse E und E' finden für das System A am gleichen Ort statt. Der Stab ist aus Sicht von A im bewegten System B verkürzt.

Aus der Sicht von System B (siehe Illustration 19):
Ein Stab im System A hat die Länge 1 Meter. Das Ereignis E markiert das Ende des Stabs. Zeichne die Linie der Gleichortigkeit durch das Ereignis E. Damit findest du den Schnittpunkt E' \(x_{\text B} \)-Ortsachse. Aus Sicht von A scheint der Stab im bewegten System B verkürzt.

Minkowski-Diagramm: Längenkontraktion - Bewegter Beobachter
Zwei Ereignisse E und E' finden für das System B am gleichen Ort statt. Der Stab ist aus Sicht von B im System A verkürzt.

Wie du siehst: Auch die Längenkontraktion ist ein symmetrischer Effekt wie die Zeitdilatation und zeichnet keinen "besonderen" Beobachter aus.

Lichtkegel in zweidimensionalen Minkowski-Diagrammen

Um Bewegungen in einer Ebene beschreiben zu können, brauchst Du neben der \(x\)-Ortskoordinate eine weitere Ortskoordinate \(y\). In einem eindimensionalen Raumzeitdiagramm konnte sich das Licht nur nach rechts oder nach links ausbreiten. In einem zweidimensionalen Raumzeitdiagramm dagegen kann sich das Licht in eine beliebige Richtung in einer Ebene ausbreiten. Die Winkelhalbierenden können jetzt rotationssymmetrisch um die Zeitachse gedreht werden. Dadurch entsteht ein nach oben geöffneter Lichtkegel. Ein nach unten geöffneter Lichtkegel ergibt sich analog mit den Winkelhalbierenden unterhalb der \(x\)-Achse. Die Weltlinien des Lichts, die einen 45 Grad Winkel mit den Achsen einschließen, bilden nun den Rand des Lichtkegels.

Lichtkegel im Koordinatenursprung in einem Raumzeit-Diagramm
Lichtkegel für ein Ereignis im Koordinaten Ursprung in einem 2d Minkowski-Diagramm.

So einen Lichtkegel können wir für beliebige Ereignisse (Punkte im Raumzeitdiagramm) einzeichnen. Der gezeigte Lichtkegel (Illustration 21) bezieht sich auf ein Ereignis im Koordinatenursprung.

  • Der Lichtkegel oberhalb des Koordinatenursprungs stellt den zukünftigen Lichtkegel dar.

  • Der Lichtkegel unterhalb des Koordinatenursprungs stellt den vergangenen Lichtkegel dar.

Wir werden gleich sehen, welche Rolle dieser Lichtkegel spielt, wenn wir neben dem Ereignis im Koordinatenursprung, noch weitere Ereignisse hinzunehmen.

Raumartige, zeitartige und lichtartige Ereignisse

Nachdem wir die Lichtkegel für das Ereignis \( \class{red}{E_0} \) im Koordinatenursprung eingezeichnet haben, betrachten wir drei weitere Ereignisse \( \class{blue}{E_1} \), \( \class{green}{E_2} \) und \( \class{brown}{E_3} \) in der Raumzeit, die bezogen auf \( \class{red}{E_0} \) in verschiedenen Bereichen liegen: innerhalb des Lichtkegels, außerhalb des Lichtkegels und genau auf dem Mantel des Lichtkegels.

Lichtartiges, zeitartiges und raumartiges Ereignis in einem Raumzeit-Diagramm
Ereignisse \( \class{blue}{E_1} \), \( \class{green}{E_2} \) und \( \class{brown}{E_3} \), die raumartig, zeitartige bzw. lichtartig zum Ereignis \( \class{red}{E_0} \) stehen.

Stell Dir beispielsweise folgende Ereignisse vor:

  1. \( \class{blue}{E_1} \) ist: "Ein Stern explodiert".

  2. \( \class{green}{E_2} \) ist: "Schwarzes Loch verschlingt einen Stern".

  3. \( \class{brown}{E_3} \) ist: "Ein Mond kracht gegen einen Planeten".

  4. \( \class{red}{E_0} \) ist: "Drei Personen in drei Raumschiffen starten mit gleicher Geschwindigkeit ihre Flüge zu den drei genannten Ereignissen, um sie hautnah zu erleben".

Als nächstes fragen wir uns:

Welches der Raumschiffe kommt zum jeweiligen Ereignis rechtzeitig an?

  • Raumschiff 1, welches am Ereignis \( \class{red}{E_0} \) seinen Flug zu \( \class{blue}{E_1} \) startete, wird das Ereignis \( \class{blue}{E_1} \) niemals rechtzeitig erreichen, da es sich außerhalb seines Lichtkegels befindet. Die Verbindung der beiden Ereignisse (\( \class{red}{E_0} \) und \( \class{blue}{E_1} \)) ergäbe eine Weltlinie, die flacher wäre als die Weltlinie eines Lichtteilchens. Das Raumschiff müsste sich also mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen.

    Ereignisse \( \class{red}{E_0} \) und \( \class{blue}{E_1} \) stehen RAUMARTIG zueinander. Ereignisse, die raumartig zu einem anderen Ereignis stehen, haben einen größeren Raumabstand (zur Zeitachse) als Zeitabstand (zur x-y-Ebene).

    Alle Ereignisse, die für einen Beobachter gleichzeitig stattfinden (also auf Parallelen zur \(x\)-Achse liegen) haben einen raumartigen Abstand zueinander, denn Du könntest keinen Lichtkegel zu einem Ereignis \( E_{\text{x1}} \) zeichnen, der ein zu \( E_{\text{x1}} \) gleichzeitigiges Ereignis \( E_{\text{x2}} \) beinhaltet.

  • Raumschiff 2, welches am Ereignis \( \class{red}{E_0} \) seinen Flug zu \( \class{green}{E_2} \) startete, wird es rechtzeitig erreichen, weil sein Ziel \( \class{green}{E_2} \) innerhalb seines Lichtkegels liegt. Eine Verbindung von \( \class{red}{E_0} \) und \( \class{green}{E_2} \) ist steiler als die Weltlinie eines Lichtteilchens - das Raumschiff 2 überschreitet nicht die Lichtgeschwindigkeit; mit genügend großer Geschwindigkeit erreicht es \( \class{green}{E_2} \) rechtzeitig.

    Ereignisse \( \class{red}{E_0} \) und \( \class{green}{E_2} \) stehen ZEITARTIG zueinander.

  • Das Raumschiff 3, welches am Ereignis \( \class{red}{E_0} \) seinen Flug zu \( \class{brown}{E_3} \) startete, wird \( \class{brown}{E_3} \) nur dann erreichen, wenn es sich genau mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Da aber kein massebehaftetes Objekt (und dazu gehört auch das Raumschiff 3) jemals auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden kann (dafür bräuchte es unendlich viel Energie), kann das Raumschiff selbst, das Ereignis \( \class{brown}{E_3} \) niemals rechtzeitig erreichen. Es hat aber die Möglichkeit, bei seinem Startereignis \( \class{red}{E_0} \) wenigstens ein Lichtsignal zu \( \class{brown}{E_3} \) zu schicken, welches \( \class{brown}{E_3} \) rechtzeitig erreichen wird, weil sich Lichtsignale eben mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten.

    Ereignisse \( \class{red}{E_0} \) und \( \class{brown}{E_3} \) stehen LICHTARTIG zueinander. Ereignisse, die lichtartig zu einem anderen Ereignis stehen, haben gleichen Zeitabstand wie Raumabstand.