Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

Exponentialansatz und wie Du damit lineare DGL (beliebiger Ordnung) löst

DGL Typen: Gewöhnlich, beliebiger Ordnung, linear
Exponentialansatz ist geeignet für gewöhnliche DGL beliebiger Ordnung, die linear sind.

Der Exponentialansatz ist gut geeignet für...

  • gewöhnliche DGL beliebiger Ordnung mit konstanten Koeffizienten,

  • die außerdem linear sind.

Der Exponentialansatz wird für höhere Ordnungen schnell komplex. Am besten ist die Methode geeignet für DGL zweiter Ordnung. Die allgemeine Form einer linearen DGL 2. Ordnung sieht so aus:

Hierbei nehmen wir an, dass die Koeffizienten \(K_1\) und \(K_0\), sowie die Störfunktion unabhängig von \(x\) sind, also konstant sind.

Wenn die Störfunktion nicht Null ist, dann musst du zuerst einen Mathematiker fragen. Dann sagt er dir, dass eine allgemeine Lösung \(y\) einer inhomogenen lineare DGL sich aus zwei Anteilen zusammensetzt:

  • aus einer homogenen Lösung \( y_{\text h} \) der DGL

  • und aus einer speziellen Lösung, die wir mit \( y_{\text s} \) bezeichnen.

Die homogene Lösung \(y_{\text h}\) löst den homogenen Anteil von 1, wenn du die Störfunktion \(S\) gleich Null setzt:

Bei der Methode, wie der Name schon sagt, machen wir einen Exponentialansatz für die homogene Lösung \(y_{\text h}\):

Da in der homogenen Form der DGL 3 die erste und die zweite Ableitung von \(y_{\text h}\) vorkommen, müssen wir unseren Exponentialansatz zwei Mal ableiten. Die erste Ableitung ist:

Und die zweite Ableitung des Ansatzes ist:

Jetzt können wir den Exponentialansatz und die dazugehörigen Ableitungen in die homogene DGL 3 einsetzen:

Klammern wir \(C \, \mathrm{e}^{\lambda \, x} \) aus:

Wenn wir durch den Faktor \(C \, \mathrm{e}^{\lambda \, x} \) teilen, dann bekommen wir die sogenannte charakteristische Gleichung für \(\lambda\):

Wenn wir diese Gleichung lösen, dann finden wir das unbekannte \(\lambda\) heraus. Da es eine quadratische Gleichung für \(\lambda\) ist, bekommen wir zwei Lösungen \(\lambda_1\) und \(\lambda_2\). Beide müssen wir gleich berücksichtigen.

Im Grunde kannst du die charakteristische Gleichung direkt durch das Angucken deiner DGL aufstellen, ohne diese ganzen Schritte machen zu müssen. Vergleiche dazu die homogene DGL mit der charakteristischen Gleichung. Der Koeffizient vor dem \(\lambda^2\) steht vor der zweiten Ableitung von \(y\). In diesem Fall der Koeffizient ist 1. Der Koeffizient von \(\lambda\) steht vor der ersten Ableitung von \(y\), in diesem Fall \(K_1\). Und der Koeffizient \(K_0\) vor der Funktion \(y\) selbst, steht in der charakteristischen Gleichung allein da. Wenn du übrigens eine homogene DGL 3. Ordnung hättest, dann würde die charakteristische Gleichung bei \(\lambda^3\) anfangen und so weiter.

Eine quadratische Gleichung hat wie gesagt zwei Lösungen \(\lambda_1\) und \(\lambda_2\) und diese kannst du beispielsweise mithilfe der pq-Formel bestimmen:

Da du zwei \(\lambda\) Werte bekommst, müssen wir beide berücksichtigen. Dazu musst den Exponentialansatz um einen weiteren Term erweitern, in dem der zweite \(\lambda\)-Wert im Exponenten steht. Mit den dazugehörigen \(\lambda\)-Werten ist das auch schon die Lösung der homogenen Differentialgleichung 3:

Je nach dem, welche Werte die Koeffizienten \(K_1\) und \(K_0\) haben, können die Lösungen ein unterschiedliches Verhalten zeigen. Denn, wenn \(K_0\) größer ist als \(\frac{{K_1}^2}{4}\), dann ziehst du die Wurzel aus einer negativen Zahl. In diesem Fall bekommst du eine Lösung, die Schwingungen beschreibt. Das lernst du gleich an einem Beispiel.

Wenn die zu lösende DGL dagegen inhomogen ist, also die Störfunktion nicht Null ist, dann müssen wir noch die spezielle Lösung \( y_{\text s} \) zur homogenen Lösung hinzu addieren, um eine allgemeine Lösung herauszufinden.

Für die spezielle Lösung müssen wir einen passenden Ansatz wählen, der davon abhängt, wie die Störfunktion \(S\) ist. Hier schauen wir uns den einfachsten möglichen Fall an, nämlich, wenn die Störfunktion \(S\) konstant ist. Dann ist die spezielle Lösung gegeben durch Störfunktion geteilt durch den Koeffizienten \(K_0\), der vor der gesuchten Funktion steht: \( y_{\text s} = \frac{S}{K_0} \). Um nun eine allgemeine Lösung einer inhomogenen linearen DGL 2. Ordnung zu bekommen, müssen wir die homogene Lösung und die spezielle Lösung zusammenaddieren:

Die beiden unbekannten Konstanten \(C_1\) und \(C_2\) werden, wie du weißt, durch die Nebenbedingungen bestimmt. Beachte außerdem, dass diese Methode des Exponentialansatzes eine Ratemethode ist. Es kann auch passieren, dass der Exponentialansatz scheitert. Deshalb solltest du, wenn du eine Lösungsmethode anwendest, die das Wort 'Ansatz' in ihrem Namen trägt, deine Lösung auf jeden Fall überprüfen. Das machst du, indem du die herausgefundene Lösung in die DGL einsetzt und schaust, ob beide Seiten gleich sind.

Beispiel: DGL für eine schwingende Masse lösen

Hooke-Gesetz - Auslenkung der Feder + Rückstellkraft Visier das Bild an!
Eine Masse an der Feder erfährt eine rücktreibende Kraft, wenn die Feder ausgelenkt wird.

Die schwingende Masse, die wir betrachten wollen, wird in der Physik als harmonischer Oszillator bezeichnet. So sieht die dazugehörige Differentialgleichung aus:

Das ist eine Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Die Störfunktion ist sogar Null. Das heißt, wir müssen nur die homogene Lösung herausfinden. Und das machen wir mit dem eben kennengelernten Exponentialansatz. Lass uns dazu erstmal die DGL in einer kompakteren Newton-Notation schreiben, mit den Punkten für die Zeitableitungen:

Gehen wir den schnellen Weg und schreiben direkt die charakteristische Gleichung für diese DGL hin. Wir erwarten eine quadratische Gleichung, da wir eine DGL 2. Ordnung haben. Vor der zweiten Ableitung steht der Koeffizient 1, also schreiben wir einfach \(\lambda^2\) hin. Dann kommt der Koeffizient vor der ersten Ableitung. Da in der DGL die erste Ableitung fehlt, ist der \(\lambda\)-Term in der charakteristischen Gleichung ebenfalls nicht da. Anschließend kommt der Koeffizient, der vor der gesuchten Funktion selbst steht, nämlich \(D/m\). Dieser Koeffizient steht in der charakteristischen Gleichung allein dar. Insgesamt lautet die charakteristische Gleichung:

Für diese Gleichung brauchen wir nicht mal die pq-Formel. Die Lösung bekommen wir direkt, wenn wir zuerst \(D/m\) auf die andere Seite bringen:

und dann noch die Wurzel ziehen:

Bedenke, dass die Umkehrung des Quadrats zwei Lösungen ergibt, eine positive und eine negative Wurzel. Außerdem haben wir hier einen interessanten Fall, wo die Wurzel aus einer negativen Zahl gezogen wird. Wurzel aus einer negativen Zahl ergibt keine reelle Zahl mehr, sondern eine komplexe Zahl. Erinnerst du dich noch daran, was das für das betrachtete System bedeutet? Wir erwarten, dass das System schwingen muss!

Auch, wenn du dich noch nicht mit komplexen Zahlen auskennst, du kannst in diesem Fall den Term unter der Wurzel in ein Produkt aus -1 und \(D/m\) aufteilen. Nach den Wurzelgesetzen kannst du dieses Produkt in zwei Wurzeln aufteilen:

Die Wurzel aus -1 ist definiert als die imaginäre Einheit, eine Zahl, die wir mit \(\mathrm{i}\) bezeichnen. Mehr zu den komplexen Zahlen musst du nicht wissen:

Setzen wir nur noch die herausgefundenen \(\lambda\)-Werte in den Exponentialansatz ein, dann bekommen wir die allgemeine Lösung für die betrachtete DGL. Lass uns am besten den Ausdruck \(\sqrt{\frac{D}{m}}\) etwas kompakter mit \(\omega\) bezeichnen:

Diese Lösung sieht auf den ersten Blick sehr abstrakt aus. Aber gleich wirst du lernen, dass eine derartige Lösung Schwingungen beschreibt. Doch lass uns als erstes die unbekannten Konstanten \(C_1\) und \(C_2\) mithilfe von zwei Anfangsbedingungen herausfinden.

Zum Beispiel könnten wir beobachtet haben, dass zum Zeitpunkt \(t= 0\) die Auslenkung der Feder maximal war. Wir können dann beispielsweise die maximale Auslenkung auf den Wert 1 setzen. Die Anfangsbedingung lautet also \( y(0) = 1 \). Füge diese Bedingung in die allgemeine Lösung ein, um \(C_1\) zu bestimmen. Die Exponentialfunktionen werden dabei zu 1:

Umstellen nach \(C_1\) ergibt:

Als nächstes müssen wir die Unbekannte \(C_2\) bestimmen. Hier können wir beispielsweise die Anfangsbedingung benutzen, dass zum gleichen Zeitpunkt \(t=0\) die Geschwindigkeit der Masse 0 war. In der Physik lernst du, dass Geschwindigkeit der ersten Zeitableitung des Wegs, also in diesem Fall der Auslenkung, entspricht. Unsere zweite Anfangsbedingung lautet also: \(y'(0) = 0 \).

Damit wir sie überhaupt benutzen können, müssen wir unsere allgemeine Lösung einmal nach der Zeit ableiten. Ich hoffe du weißt, wie eine Exponentialfunktion abgeleitet wird! Der Faktor vor dem \(t\) im Exponenten landet beim Ableiten vor der Exponentialfunktion:

Jetzt können wir unsere Anfangsbedingung für die Ableitung benutzen. Dabei werden die Exponentialfunktionen zu 1 und die Faktoren \(i \, \omega\) kürzen sich weg:

Umstellen nach \(C_2\) ergibt:

Wir wissen jetzt also dass \(C_2\) gleich \(C_1\) sein muss. Sehr schön. Um konkret \(C_1\) zu bestimmen, ersetzten wir in \(C_1 ~=~ 1 ~-~ C_2\) die Konstante \(C_2\) mit \(C_1\), da sie ja gleich sind:

Umstellen nach \(C_1\) ergibt \(C_1 = \frac{1}{2}\). Setzen wir diese Konstante in die allgemeine Lösung ein:

So weit so gut. Lass uns jetzt herausfinden, was diese Lösung mit Schwingungen zu tun hat. Dazu holen wir unseren Freund Euler zur Hilfe. Dieser wird uns seine berühmte Euler-Formel verraten:

Diese Beziehung sagt uns, wie eine komplexe Exponentialfunktion \(\mathrm{e}^{i \, \omega \, t}\) mit Cosinus und Sinus zusammenhängt. Damit können wir nämlich unsere Lösung etwas umschreiben. Die erste komplexe Exponentialfunktion in der Lösung wird nach der Euler-Formel zu Cosinus und Sinus mit positivem \(\omega \, t\). Und die zweite Exponentialfunktion wird zu Cosinus und Sinus mit negativem \(-\omega \, t\):

Das Minuszeichen im Argument von Cosinus können wir weglassen, weil Cosinus symmetrisch ist. Symmetrisch bedeutet, dass \( \cos(-x)\) gleich \( \cos(x) \) ist. Die Sinusfunktion dagegen ist antisymmetrisch. Deshalb dürfen wir das Minuszeichen im Argument nicht weglassen. Aber wir dürfen das Minuszeichen vor die Sinusfunktion ziehen: \( \sin(-x) = -\sin(x) \). Das ist die Eigenschaft antisymmetrischer Funktion. Nutzen wir diese Eigenschaften in unserer Lösung aus:

Jetzt siehst du, warum diese Umformung sinnvoll war. Jetzt kürzen sich nämlich die beiden komplexen Sinusfunktionen weg und mit ihnen verschwindet auch die imaginäre Einheit. Übrig bleiben die reellen Cosinus-Funktionen, die wir zusammenaddieren können:

Wie du siehst: Die Auslenkung der Masse an der Feder wird durch die Cosinus-Funktion beschrieben. Da Cosinus eine periodische Funktion ist, beschreibt unsere Lösung eine Schwingung.

Jetzt weißt du, wie inhomogene Differentialgleichungen 2. Ordnung mit dem Exponentialansatz gelöst werden können. In der nächsten Lektion widmen wir uns den partiellen Differentialgleichungen zu und dem dafür geeigneten Produktansatz (Separationsansatz).