Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

Zustandsdichte (1d, 2d, 3d) von einem freien Elektronengas

Mathematisch formuliert ist die Zustandsdichte \( D(W) \) die Ableitung der Anzahl der Zustände \( N \) nach der Energie \(W\):

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Definition der Zustandsdichte
D(W) ~=~ \frac{\text{d}N}{\text{d}W}
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Manchmal wird auch die Zustandsdichte \( g(W) \) pro Volumen \( V \) des betrachteten Kristalls angeben:

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Definition: Zustandsdichte pro Volumen
g(W) ~=~ \frac{1}{V} \, \frac{\text{d}N}{\text{d}W}
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Im Folgenden wollen wir die Zustandsdichte eines freien Elektronengases betrachten, das räumlich eingeschränkt ist:

  • Zustandsdichte eines zweidimensionalen Elektronengases. Dieses kommt in 2d-Materialien, wie Graphen oder beim Quanten-Hall-Effekt vor.
  • Zustandsdichte eines dreidimensionalen Elektronengases. Dieses kommt beispielsweise in Metallen vor. Die Zustandsdichte kann dazu benutzt werden, um die Ladungsträgerdichte im Metall zu bestimmen.
  • Zustandsdichte eines eindimensionalen Elektronengases. 1d-Zustandsdichte ist nützlich in Materialien, wo sich Elektronen quasi nur in einer Dimension ausbreiten können. Zu den 1d-Materialien gehören beispielsweise Nanoröhrchen und Nanodrähte.
Was ist eine Zustandsdichte?

Die Zustandsdichte eines freien Elektronengases gibt an, wie viele verfügbare Zustände ein Elektron annehmen kann.

Zustandsdichte (2d)

Erlaubte \(k\)-Zustände (Punkte) der freien Elektronen im Gitter im reziproken 2d-Raum.

Die kleinste reziproke Fläche \( \mathcal{A}_1 \) (im k-Raum), die von einem einzigen Zustand eingenommen wird, ist:

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Formel: Reziproke Fläche von einem k-Zustand
\mathcal{A}_1 ~=~ \frac{(2\pi)^2}{A}
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Hierbei ist \( A \) die Fläche eines realen zweidimensionalen Kristallgitters.

Um die 2d-Zustandsdichte herauszufinden, müssen wir nach der Definition 1 erst die verfügbaren Zustände \( N^{\small 2\text d} \) im 2d-Elektronengas herausfinden. In den meisten Fällen ist die genaue Anzahl \( N^{\small 2\text d} \) der Zustände jedoch nicht bekannt. Diese können wir aber bestimmen, wenn wir zusätzlich zur Gl. 3 noch die reziproke Fläche \( \mathcal{A}_N \) angeben, die von diesen \( N^{\small 2\text d} \) Zuständen eingenommen wird.

Da die Zustände sehr dicht beieinander liegen (siehe die Abmessung der 1. Brillouin-Zone), kannst Du die von \( N^{\small 2\text d} \) Zuständen eingenommene reziproke Fläche \( \mathcal{A}_N \) durch eine Kreisfläche annähern. Jeder von dieser Kreisfläche eingeschlossene Kreis, wie z.B. der Flächenrand, ist eine Linie konstanter Energie. Warum? Weil der Abstand zu allen \(k\)-Werten auf der Kreislinie durch den immer gleichen Kreisradius \( k \) gegeben ist. Wie sich die Fläche eines Kreises mit Radius \(k\) berechnet, steht in jeder Formelsammlung:

0
Fläche eines Kreises im k-Raum
\mathcal{A}_N ~=~ \pi \, k^2
0

Um nun die Anzahl \( N^{\small 2\text d} \) der Zustände herauszufinden, musst Du schauen, wie oft die Fläche \( \mathcal{A}_1 \) in \( \mathcal{A}_N \) hineinpasst. Teile also Gl. 4 durch Gl. 3:

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Anzahl der 2d-Zustände im k-Raum
N^{\small 2\text d} &~=~ \frac{ \mathcal{A}_N }{ \mathcal{A}_1 } \\\\
&~=~ \pi \, k^2 ~\cdot~ \frac{ A }{ (2\pi)^2 } \\\\
&~=~ \frac{A}{4\pi} \, k^2
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Da die Elektronen noch einen Spin haben (spin-up und spin-down), passt in \( \mathcal{A}_1 \) nicht nur ein Zustand, sondern zwei! Gleichung 5 gibt also nur die Hälfte der Zustände an (z.B. nur spin-up Zustände). Multipliziere also Gl. 5 mit 2, um auch die andere Hälfte der Spinzustände zu berücksichtigen:

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Anzahl der 2d-Zustände im k-Raum mit Spin
N^{\small 2\text d} &~=~ 2 \cdot \frac{A}{4\pi} \, k^2 \\\\
&~=~ \frac{A}{2\pi} \, k^2
0

Denk dran: Unser Ziel ist es, die Zustandsdichte mithilfe der Ableitung 1 herauszufinden. Wir haben zwar jetzt die Anzahl der Zustände \( N^{\small 2\text d}(k) \) bestimmt, jedoch in Abhängigkeit von der Wellenzahl \(k\). Wir brauchen aber eine Zustandsanzahl \( N^{\small 2\text d}(W) \), die mit der Energie \(W\) ausgedrückt ist. Erst dann können wir \( N^{\small 2\text d}(W) \) nach der Energie ableiten.

Um die Zustandsanzahl \( N^{\small 2\text d}(W) \) mithilfe der Energie auszudrücken, müssen wir die Beziehung zwischen der Energie \( W \) und der Wellenzahl \( k \) kennen. Diese Beziehung ist durch die Dispersionsrelation \( W(k) \) gegeben. Je nach System kann sie linear in \( k \), quadratisch in \( k \) oder eine komplizierte Form haben, die im Experiment bestimmt werden kann. Wir schauen uns hier die quadratische Dispersionsrelation eines freien Elektronengases an.

Für ein freies Elektronengas gilt die quadratische Dispersionsrelation:

1
Dispersionsrelation: freies Elektronengas
W(k) ~=~ \frac{\hbar^2}{2m} \, k^2
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Hierbei ist \( m \) die Masse des Elektrons (in der Praxis die effektive Masse \( m^* \)) und \( \hbar \) das reduzierte Wirkungsquantum. Wellenzahl \( k \) ist der Betrag des Wellenvektors \( \boldsymbol{k} \). Stelle die Dispersionsrelation 7 nach \( k \) um:

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Dispersionsrelation eines freien Elektronengases nach der Wellenzahl umgestellt
k ~=~ \sqrt{ \frac{2m \, W}{\hbar^2} }
0

Setze nur noch Gl. 8 in Gl. 6 ein. Dadurch machst du die Zustandsanzahl \( N^{\small 2\text d} \) unabhängig von der Wellenzahl \( k \), aber abhängig von der Energie \(W\):

0
Anzahl der Zustände im k-Raum mittels quadratischer Dispersionsrelation
N^{\small 2\text d} &~=~ \frac{A}{2\pi} \, \left(\sqrt{ \frac{2m \, W}{\hbar^2} }\right)^2 \\\\
&~=~ \frac{A}{2\pi} \, \frac{2m \, W}{\hbar^2}
0

Leite nur noch die Zustandsanzahl 9 nach der Energie \(W\) ab, um die Zustandsdichte \( D(W) \) eines zweidimensionalen freien Elektronengases zu bekommen:

1
Zustandsdichte (2d) - quadratische Dispersionsrelation
D(W) ~=~ \frac{A \, \class{brown}{m}}{\pi \, \hbar^2} ~=~ \text{const.}
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Zustandsdichte eines freien 2d-Elektronengases, das eine quadratische Dispersionsrelation hat, ist konstant.

Wie du an der Ableitung siehst, ist die 2d-Zustandsdichte unabhängig von der Energie \( W \). Die 2d-Zustandsdichte ist also für alle Energien, die ein Elektron haben kann, konstant.

Zustandsdichte (3d)

Fermi-Kugel im reziproken Raum mit beispielhaft eingezeichnetem Fermi-Wellenvektor als Radius der Fermi-Kugel.

Das kleinste reziproke Volumen \( \mathcal{V}_1 \), welches von einem einzigen Zustand eingenommen wird, ist:

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Volumen im k-Raum von einem einzigen Zustand
\mathcal{V}_1 ~=~ \frac{(2\pi)^3}{V}
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Das reziproke Volumen einer Kugel (hier wird ebenfalls die Näherung gemacht), welches von \( N^{\small 3\text d} \) Zuständen eingenommen wird, ist:

0
Volumen im k-Raum von N Zuständen
\mathcal{V}_N ~=~ \frac{4}{3} \, \pi \, k^3
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Hier ist die Wellenzahl \( k \) der Radius der 3d-Kugel und \( V \) das Volumen des realen Kristallgitters.

Die Anzahl der Zustände bekommst du analog zum zweidimensionalen Fall, indem du das Verhältnis der reziproken Volumina bildest:

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Anzahl der Zustände im k-Raum in 3d
N^{\small 3\text d} &~=~ \frac{\mathcal{V}_N}{\mathcal{V}_1} \\\\
&~=~ \frac{4}{3} \, \pi \, k^3 ~\cdot~ \frac{V}{(2\pi)^3} \\\\
&~=~ \frac{V}{6\pi^2} \, k^3
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Berücksichtigen wir außerden den Spin des Elektrons, indem wir Gl. 13 mit 2 multiplizieren:

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Anzahl der Zustände im k-Raum in 3d mit Spin
N^{\small 3\text d} ~=~ \frac{V}{3\pi^2} \, k^3
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Nun kannst Du Wellenzahl 8 aus der quadratischen Dispersionsrelation in Gl. 14 einsetzen, um diese in Abhängigkeit von der Energie \(W\) auszudrücken:

0
Anzahl der Zustände im k-Raum mittels quadratischer Dispersionsrelation (3d)
N^{\small 3\text d} &~=~ \frac{V}{3\pi^2} \, \left( \sqrt{\frac{2m \, W}{\hbar^2} } \right)^3 \\\\
&~=~ \frac{V}{3\pi^2} \, \left( \frac{2m \, W}{\hbar^2} \right)^{3/2} \\\\
&~=~ \frac{V}{3\pi^2} \, \left( \frac{2m}{\hbar^2} \right)^{3/2} \, W^{3/2}
0

Um die Zustandsdichte zu bestimmen, differenziere die Zustandsanzahl 15 nach der Energie \(W\):

1
Zustandsdichte (3d) - quadratische Dispersionsrelation
0
Zustandsdichte für ein freies Elektronengas (quadratische Dispersionsrelation) in drei Dimensionen.

Manchmal interessiert Dich die Zustandsdichte \( g(W) \) pro Volumen. Wenn das so ist, dann teile dazu 16 durch das Volumen \( V \), um die Zustandsdichte (diesmal: Anzahl der Zustände pro Energie UND pro Volumen) zu erhalten:

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Zustandsdichte (3d) pro Volumen - quadratische Dispersionsrelation
g(W) ~=~ \frac{1}{2\pi^2} \, \left( \frac{2\class{brown}{m}}{\hbar^2} \right)^{3/2} \, \sqrt{W}
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Zustandsdichte (1d)

Ein einziger Zustand besetzt folgende reziproke Länge \( \mathcal{L}_1 \):

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Reziproke Länge eines einzigen Zustands (1d)
\mathcal{L}_1 ~=~ \frac{2\pi}{L}
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Dabei ist \( L \) die Länge eines eindimensionalen Systems (z.B. von einem Quantendraht), indem sich ein freies Elektronengas befindet.

In eindimensionalen Systemen nehmen \( N^{\small 1\text d} \) Zustände die folgende reziproke Länge ein:

0
Reziproke Länge eingenommen von N Zuständen
\mathcal{L}_N ~=~ 2k
0

Warum genau \( 2k \)? Weil \( k \) der Radius ist. Die gesamte reziproke Länge ist damit \( 2k\)! Noch unklar? Zeichne dazu einen Kreis mit dem Radius \( k \). Wie groß ist dann sein Durchmesser?

Teile Gl. 19 durch Gl. 18, um die Anzahl \( N^{\small 1\text d} \) der Zustände zu bestimmen, die in den Längenabschnitt \( \mathcal{L}_N \) passen:

0
Anzahl der 1d-Zustände auf einer Länge
N^{\small 1\text d} &~=~ 2k \cdot \frac{L}{2\pi} \\\\
&~=~ \frac{L}{\pi} \, k
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Setze die nach der Energie umgestellte Wellenzahl 8 der quadratischen Dispersionsrelation in Gl. 20 ein:

0
Anzahl der 1d-Zustände mittels quadratischer Dispersionsrelation
N^{\small 1\text d} &~=~ \frac{L}{\pi} \, k \\\\
&~=~ \frac{L}{\pi} \, \sqrt{ \frac{2m \, W}{\hbar^2} } \\\\
&~=~ \frac{L}{\pi} \, \left(\frac{2m}{\hbar^2}\right)^{1/2} \, W^{1/2}
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Leite die Zustandsanzahl 21 nach der Energie \(W\) ab, um die 1d-Zustandsdichte \( D(W) \) zu bekommen:

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Zustandsdichte (1D) mit Spinrichtung - quadratische Dispersionsrelation
D^{\small 1\text d}(W) ~=~ \frac{L}{2\pi} \, \left(\frac{2m}{\hbar^2}\right)^{1/2} \, \frac{1}{\sqrt{W}}
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Wenn der Spin berücksichtigt werden soll, müssen wir noch Gl. 22 mit 2 multiplizieren:

1
Zustandsdichte (1D) - quadratische Dispersionsrelation
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Zustandsdichte eines 1d-Elektronengases nimmt mit der Elektronenenergie ab.

Nun hast du gelernt, was die Zustandsdichte ist und wie du sie für ein freies Elektronengas in verschiedenen Dimensionen herausfinden kannst. In weiteren Lektionen schauen wir uns an, wie mithilfe der Zustandsdichte die Ladungsträgerdichte und Wärmekapazität eines Materials bestimmt werden können.