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WIEDERGEBURT .
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LEBEN:

Das Leineweberfest

25. Mai 2022. Um neunzehn Uhr erreichte ich endlich Maras Wohnung. Die Vorfreude auf den Abend prickelte in der Luft, als wir uns direkt auf den Weg zur Kirmes in der Stadtmitte machten. Die bunten Lichter und fröhlichen Klänge der Fahrgeschäfte versetzten uns sofort in eine ausgelassene Stimmung. Nach einer kleinen Bummelrunde entlang der Stände beschlossen wir, uns eine Pizza zu holen.

»Ich hätte gerne die mit Pilzen«, sagte ich zum Verkäufer hinter der Theke, während mein Magen schon vor Freude knurrte.

»Das macht dann vier Euro fünfzig«, antwortete der Verkäufer, während er die köstlich aussehende Pizza in ein Pappbehälter steckte.

»Alle Pizzen haben so viel Käse drauf«, bemerkte Mara und lehnte sich zu mir, um die Auswahl zu kommentieren.

»Und du, junge Dame«, reichte der Mann mir meine Pizza und fragte, was Mara haben möchte.

»Mmm. Ich nehme wohl Pizza Margherita.«

Wir setzten uns abseits des Getümmels auf eine Steintreppe.

»Ich dachte, du bist eine Veganerin?«, fragte ich sie skeptisch und biss in meine Pizza rein.

»Ich bin nicht so streng mit mir. Wenn es keine vegane Alternative gibt, greife ich ausnahmsweise auch zum Käse. Aber Fleisch würde ich natürlich auf keinen Fall essen.«

»Darf ich deine Pizza probieren? Die Pilze sehen lecker aus«, fragte sie, und ich konnte nicht anders, als ihr mein Pizzastück vor den Mund zu halten, damit sie kosten konnte.

»Gehen wir los. Das Frida Gold Konzert fängt um einundzwanzig Uhr an«, sagte Mara, während sie noch kauend sprach.

Das Konzertgelände lag etwas weiter entfernt, und wir mussten ein Stück laufen. Als wir dort ankamen, hatte sich bereits eine beachtliche Menschenmenge von wahrscheinlich zweihundert oder mehr Leuten um die Bühne versammelt, und noch viel mehr standen in einem größeren Radius etwas weiter von der Bühne entfernt.

»Ich möchte so nah wie möglich an die Bühne ran. Dort spürt man die Energie der Musik viel intensiver«, schlug Mara mir eifrig vor und nahm meine Hand.

Wir bahnten uns unseren Weg durch die dichte Menschenmenge und erreichten schließlich die Nähe der Bühne. Nur wenige Meter trennten uns von der Bühne, auf der ein Mann Werbung für die Sparkasse machte.

Sie strahlte und ich konnte ihre Begeisterung förmlich spüren.

»Ich muss zugeben, ich bin nicht der größte Frida Gold Fan. Ich kenne sie nicht wirklich.«, gestand ich Mara.

»Das macht nichts. Warte nur ab, das Lied 'Wovon sollen wir träumen?' ist einfach wunderschön.«

»Es ist das einzige Lied, das ich von ihr kenne«, lächelte ich.

»Warst du schon mal auf einem Festival?«, fragte sie mich.

»Nein, das ist mein erstes Mal.«

»Dann müssen wir unbedingt zusammen zu einem richtigen Festival! Die Stimmung, die Musik, das Gefühl von Freiheit - du wirst es lieben.«

»Gern! Ein kühles Radler wäre jetzt perfekt, oder?«, fragte ich mit einem breiten Grinsen.

»Ich hätte nichts gegen ein Bier, aber es ist so teuer auf den Festivals.«

»Ich gebe aus«, erwiderte ich und sie nickte.

Ich steuerte den nächsten Campinganhänger, an dem Bier verkauft wurde, an und stellte mich in die Schlange. Es schien, als hätten sich hier mehr Leute versammelt als an der Bühne.

Endlich kam ich dran.

»Zwei Radler, bitte«, rief ich der Verkäuferin zu.

»Das macht zwölf Euro. Zwei Euro Pfand«, schrie sie über das laute Gemurmel hinweg.

Das war der Moment, in dem ich meinen Vorschlag, Bier zu holen, bereute.

Mit den Getränken in der Hand kämpfte ich mich zurück zu Mara, die auf mich wartete. Die Menschenmenge hatte sich während meiner Abwesenheit noch etwas verdichtet.

»Bitte einen Applaus für Frida Gold, meine Damen und Herren«, schrie ein Mann eifrig ins Mikrofon, als ich Mara den Becher in die Hand reichte.

»Dankeschön«, lächelte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange.

Dann begann Frida Gold in einem komplett weißen, stylischen Anzug einen Song zu singen, den sie bisher noch nicht veröffentlicht hatte. Irgendwie konnte mich die Musik nicht ganz mitreißen. Meine Aufmerksamkeit schweifte ab, und ich fand die bunten Lichter der sich hin und her bewegenden Scheinwerfer faszinierender als die Musik. Die Farben verschmolzen miteinander und malten ein lebendiges Gemälde auf der Bühne und um die Bühne herum. Mara bemerkte mein Desinteresse, nahm meine herunterhängende Hand, schaute mich liebevoll an und lächelte. Ihre Augen leuchteten im Licht der Scheinwerfer. Sie sah bezaubernd aus.

Ich bin mitten drin und geb mich allem hin
Aber schaut man hinter die Kulissen

Endlich war es soweit - das lang erwartete Lied begann und die Menschenmenge brach in lauten Jubel aus. Mara war voller Begeisterung und stimmte sofort in den Gesang ein. Ich machte mit.

Das Lied war zu Ende.

»Es war doch gar nicht so übel, oder?«, fragte sie mich mit einem verschmitzten Lächeln, als das Konzert endete.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und antwortete mit einem Hauch von Ironie: »Ja, es war in Ordnung.« »Komm schon, sei ehrlich! Du hast es genauso genossen wie ich«, entgegnete sie mit einem Augenzwinkern. Ich musste schmunzeln und gab schließlich zu: »Okay, vielleicht ein bisschen weniger als 'in Ordnung'.«

»Ich geh noch ganz kurz aufs Klo«, erklärte ich ihr, »dann können wir uns gerne noch etwas zu essen auf der Kirmes gönnen.«

Sie nickte zustimmend und wir trennten uns für einen kurzen Moment. Nach meinem kurzen Besuch im Plumpsklo fanden wir uns wieder und hielten Händchen, während wir gemeinsam zurück in die Stadtmitte schlenderten.

Es war bereits dreiundzwanzig Uhr, aber die Kirmes war in vollem Gange, und die Straßen pulsierten vor Leben. Die grellen Lichter der Fahrgeschäfte und die fröhlichen Rufe der Schausteller füllten die Luft. Es roch verführerisch nach gebrannten Mandeln.

Mara und ich schlenderten durch die Gassen, als ein vorbeigehender Typ uns mit den Worten »Heiße Schnecke« ansprach und dabei augenzwinkernd auf Mara deutete.

Ein genervter Seufzer entkam Maras Lippen, während sie die Augen verdrehte.

»Genau das ist einer der Gründe, warum ich Feministin bin.«

Sie war immer schon eine Frau, die sich nicht in Schubladen stecken ließ und gegen die Klischees ankämpfte.

»Lass uns Crepés essen, damit ich mich wieder abregen kann«, schlug sie vor und wir machten uns auf den Weg zum nächsten Stand, an dem die köstlichen Pfannkuchen zubereitet wurden. Ich entschied mich für eine Variante mit Nutella, während Mara den Mut hatte, etwas Neues auszuprobieren und sich für Crepés mit Erdnussbutter entschied.

Wir suchten uns eine freie Bank in der Nähe, auf der wir Platz nahmen und unsere Leckereien genossen. Als ich herzhaft in meinen Crepés biss, konnte ich mir ein begeistertes

»Geil, sie schmecken ja wie Mamas Pfannkuchen« nicht verkneifen.

Mara nickte. »Crepés sind mein absolutes Lieblingsessen auf der Kirmes«, verriet sie und verzog glücklich das Gesicht, als sie genussvoll ihren Pfannkuchen verschlang.

»Lass uns gleich noch umschauen, ob hier irgendwo ein DJ spielt. Ich habe Lust zu tanzen«, schlug ich vor, und Mara stimmte begeistert zu.

Schnell entdeckten wir den auflegenden DJ in unmittelbarer Nähe. Sein Sound füllte die Luft mit geilen Technobeats. Doch obwohl die Musik pulsierend durch den Raum strömte, schien niemand in Bewegung zu geraten – alle standen wie angewurzelt da und schlürfte an ihren Getränken. Doch dann fiel mir ein dunkelhäutiger Mann auf, der sich von der Trägheit der Menge unbeeindruckt zeigte. Er tanzte mit einer Leidenschaft, als ob jeder Moment sein letzter auf Erden wäre. Seine Energie und seine Freude sprühten förmlich und zogen mich in ihren Bann.

Ich konnte nicht anders, als mich von seinem Rhythmus mitreißen zu lassen und tanzte mit ihm. Mara traute sich nicht. Die Menschen um uns herum wandten sich uns beiden Tänzern zu und beobachteten uns. Plötzlich hörte die Musik auf zu spielen.

»Tut mir leid, Leute, aber es ist Mitternacht. Wir müssen Rücksicht auf die Anwohner nehmen«, erklärte der DJ mit bedauernder Stimme, und die Menschenmenge seufzte laut enttäuscht.

»Du bist echt cool«, sagte ich zu meinem Tanzpartner und reichte ihm begeistert ein High Five, bevor ich mich zurück zu Mara begab. Sie stand einige Meter entfernt und sah mich mit verschränkten Armen grinsend an.

»Ich wollte schon immer sehen, wie du tanzt«, gestand sie, während sie mich immer noch angrinste. »Ich kenne es nur aus deinen Erzählungen von deinen Clubgeschichten«, fügte sie hinzu.

»Ich hoffe, dass mein Tanz nicht wie ein epileptischer Anfall aussah.«

»Überhaupt nicht«, erwiderte sie lachend.

Unterwegs zu ihr nach Hause kamen wir auf ein Thema, mit dem ich mich noch nie beschäftigt hatte.

Wir gingen entlang einer menschenleeren, mit Laternen beleuchteten Gasse.

»Hast du mit Jule schon mal ein Sexspielzeug ausprobiert?«

»Nein, ich denke, Jule würde das nicht mögen. Aber was ist mit dir? Hast du jemals einen Vibrator benutzt?«

»Natürlich. Ich habe einen in meiner Schublade«, sagte sie und sah mich beim Gehen so an, als würde sie ihn gleich mit mir ausprobieren wollen.

»Zeigst du mir gleich, wie du das machst? Ich will es auch lernen!«

Mara nickte.

Endlich waren wir bei ihrer Wohnung angekommen, und erschöpft ließen wir uns auf das gemütliche Sofa fallen. Mara nahm auf einer Lehne Platz, während ich mich auf die gegenüberliegende mit dem Kopf anlehnte.

»Lust auf einen Gin Tonic?«, fragte sie mich und startete eine Spotify-Playlist namens Lover’s Food.

»Ich könnte ein Gläschen vertragen, aber nur eins, sonst werde ich noch betrunken«, meinte ich.

»Das ist nicht schlimm. Wir können morgen ausschlafen. Ich schwänze morgen die Uni.«

Mara verschwand kurz in der Küche, um uns die Getränke zu mixen. Als sie zurückkam, reichte sie mir ein volles Glas.

»Oh, der ist ganz schön stark.«

»Ich habe aus Versehen etwas mehr Gin reingekippt«, gestand sie und lachte herzlich.

»Wollen wir tanzen?« fragte sie und drehte die Musik lauter.

Ohne weiteres Zögern sprang ich vom Sofa auf und fing an, mich albern herumzubewegen. Mit einem Fingerzeig lud ich Mara ein, sich mir anzuschließen. Ihre Augen funkelten, als sie lachend zu mir kam, und wir tanzten ausgelassen und unbeschwert.

Nach und nach verloren wir beim Tanzen all unsere Klamotten, bis wir nur noch in Unterwäsche waren. Wir alberten herum, küssten uns und fassten uns überall an. Ich begab mich auf alle Viere, und Mara setzte sich auf meinen Rücken, ritt mich und gab mir dabei leichte Klapse auf den Po. Wir lachten und tanzten bis spät in die Nacht hinein, ohne Sorge um das Morgen, voller Spaß und Verbundenheit in diesem Moment des unendlichen Glücks. Diese Nacht würde unvergesslich bleiben, wie ein Kapitel in einem fesselnden Roman, in dem wir die Hauptrollen spielten.

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