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WIEDERGEBURT .
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LEBEN:

Angst vor dem Sterben. Akzeptanz meines Körpers (grauer Haare und Glatze). Handy passwortlos. Heftiger Streit meiner Mutter mit ihrer Stimme im Kopf.

29. Oktober 2024.

Gestern, vor dem Schlafengehen, ist mir der Grund für meine Angst vor dem plötzlichen Sterben eingefallen, zum Beispiel durch einen Herzinfarkt oder Schlaganfall: das Leiden meiner Familie, insbesondere meiner Mutter. Ich weiß jetzt schon, wie sie sich fühlen würde. Sie würde sich Vorwürfe machen und sich irgendwie die Schuld für meinen Tod geben.

Das Sterben an sich macht mir keine Angst. Wenn das Schicksal es so will, dann gehe ich. Aber wie kann ich mich von der Angst befreien, durch mein Sterben Menschen im Leben zu hinterlassen, die deswegen leiden?

Es ist fast Mitternacht. Ich kann immer noch nicht einschlafen. Die Beschäftigung mit dem eigenen Tod ist keine leichte Kost.

Ich liege da und beschließe, das Passwort auf meinem Smartphone zu entfernen, damit meine Familie und Freunde nach meinem Tod Zugriff auf das Handy haben. So können sie auch auf meine Nacktbilder zugreifen und diese verkaufen. 😜

  • Dafür musste ich Apple Pay / Wallet aus Sicherheitsgründen deaktivieren (ohne Passcode geht es nicht). Ich bezahle dann einfach wieder mit der physischen Karte.
  • Die Passwörter-App habe ich auch deaktiviert, damit niemand auf mein einziges Passwort zugreifen kann. 😄
  • Die Banking-App gelöscht, weil ich sie nur zum Einstellen der Daueraufträge benutzt habe. Wenn sich neue Änderungen ergeben, installiere ich wieder die App. Ansonsten muss ich ja nicht ständig mein Bankkonto checken.
  • Alle Nachrichten, Browserverlauf und andere sensible Daten gelöscht.

So, hab’s getan. Falls ich das Handy jetzt verlieren würde, wäre das gar nicht so schlimm.

zzZ…

Es ist 7:14 Uhr. Obwohl ich bis ungefähr 2:00 Uhr nicht richtig einschlafen konnte, habe ich jetzt eine Lösung gefunden, wie ich meine Angst vor dem Sterben überwinden kann: Ich verabschiede mich einfach schon jetzt von meiner Mutter, damit sie später nicht wie beim Tod von Oma Lina sagt, dass sie sich nicht verabschieden konnte. Ich tue einfach so, als wäre heute mein letzter Tag.

Beim morgendlichen Massieren der Kopfhaut und dem Kämmen der Haare mit den Händen habe ich mich gefragt: Warum? Warum ist es mir so wichtig, dass an meinem Hinterkopf keine Glatze zu sehen ist?

Das ist mir wichtig, weil ich ewig jung bleiben will, weil ich das Altern fürchte. Altern ist der Prozess des allmählichen Sterbens, und dem versuche ich zu entkommen, indem ich verschiedene Methoden ausprobiere, um die Glatze zu bekämpfen.

In diesem Moment wird mir bewusst, dass dieser Kampf eigentlich unnötig ist, weil ich den Kampf gegen das Altern nicht gewinnen kann.

Ich sollte nicht nur Toleranz gegenüber anderen Menschen zeigen, sondern auch gegenüber den Veränderungen und Eigenheiten meines eigenen Körpers. Ich beschließe, endlich damit aufzuhören und die Glatze einfach zu akzeptieren.

Deshalb habe ich alle Fotos gelöscht, die den Verlauf der Glatze am Hinterkopf täglich dokumentieren sollten. Wer jetzt mein passwortloses Smartphone in die Hand bekommt, wird im Fotoalbum leider nichts weiter als ein paar Kennenlern-Fragekarten aus einem Gesellschaftsspiel in der Fotos-App finden.

Ich schaute mir auch die vereinzelten grauen Haare auf dem Kopf und im Bart an. Auch das ist ein Zeichen des Alterns. Ich werde auch aufhören, ständig nach Lösungen zu suchen, um die grauen Haare zu bekämpfen. Stattdessen werde ich sie ab heute tolerieren und akzeptieren. Denn wenn ich einmal im Sterben liege, werde ich wirklich darüber nachdenken, wie erfolgreich ich gegen die Glatze oder die grauen Haare gekämpft habe? Nein.

Anders sieht es beispielsweise bei den Schuppen aus. Diese sind kein Symptom des Alterns, sondern ein Anzeichen für ein ungelöstes physisches oder psychisches Problem. Auch sie werde ich zwar akzeptieren, aber weiterhin nach Lösungen suchen, um dieses zugrunde liegende Problem zu beheben.

Was mir auffällt, ist, dass nicht nur meine Haare inzwischen recht lang geworden sind (sie verdecken fast meine Ohren), sondern auch, dass die Kopfhaut überhaupt nicht juckt, obwohl ich meine Haare gar nicht mehr wasche. Die Kopfhaut fühlt sich sehr angenehm an.

Vor zwei Jahren wäre das noch unvorstellbar gewesen: Sobald ich damals ein paar Tage meinen Kopf nicht gewaschen hatte, fing er sofort an zu jucken, und die einzige Lösung, um das Jucken loszuwerden, war, den Kopf mit Shampoo zu waschen. Nach dem Verbannen des Shampoos aus meinem Leben hat sich dieser Prozess etwas umgekehrt. Das Waschen mit Shampoo hat die Kopfhaut eher ausgetrocknet und Juckreiz ausgelöst. Selbst das bloße Waschen der Kopfhaut mit Wasser verursacht einen ähnlichen Juckreiz und Austrocknung. Nun, nach dem Weglassen des Wassers, fühlt sich die Kopfhaut sehr angenehm an – kein Juckreiz und keine Rötungen, sogar wenn ich viel Zucker esse. Vielleicht wird sich durch das Massieren statt Waschen auch das Schuppenproblem im Laufe der Zeit lösen? Wer weiß.

Beim Frühstück habe ich das Thema Tod gegenüber meiner Mutter angesprochen. Als ich den Satz sagte: „Ich werde auch sterben. Ich wollte mich jetzt schon mal von dir verabschieden,“ passierte etwas, das fast alle meine Vorstellungen übertraf. Sie schaute mich zuerst sprachlos an, lief in die Küche und kam mit einem Besser in der Hand zurück. Kurze Zeit dachte ich, dass sie mich erstechen würde, doch stattdessen hielt sie es sich an die Brust und sagte: „Ich bringe mich um.“

Ich bekam Angst, dass sie es wirklich tun könnte, und ging ihr in die Küche hinterher. Dort wollte sie sich Alkohol in ein Weinglas einschenken, ihre Hände zitterten.

„Beruhig dich doch erstmal,“ sagte ich, als wäre es so leicht.

Das machte sie nur noch wütender. Mit bloßer Hand zerdrückte sie das Weinglas über dem Waschbecken, und ihre Hand begann zu bluten. Worte waren wohl das Dümmste, was ich in dieser Situation sagen konnte. Also ging ich zurück ins Wohnzimmer, setzte mich im Schneidersitz hin und versuchte, mich mit ein paar tiefen Atemzügen schnell zu beruhigen.

„Ich fahre mich tot,“ höre ich aus der Küche, während ich weiterhin ruhig aus dem Fenster auf den grauen Himmel schaue.

Was danach kam, hätte mich vor zwei Jahren zutiefst verletzt. Damals wäre ich wahrscheinlich heulend weggelaufen oder zusammengebrochen.

Du scheiß Sohn.

Ich hasse dich.

Ich schäme mich für meinen Sohn.

Ich hasse dich.

Ich hasse es, dass du barfuß läufst.

Wie ein Obdachloser sitzt du den ganzen Tag da, tust nichts und philosophierst nur.

Geh arbeiten wie ein normaler Mensch. Du kannst nicht einmal etwas für deine Freundin oder deine Familie leisten.

Kein Wunder, dass du von anderen nicht akzeptiert wirst.

Niemand braucht dich.

Ich hasse dich. Ich hasse dich so sehr. Ich hasse euch alle.

Ihr akzeptiert meinen Freund nicht. Ihr habt meine Beziehung zerstört.

Du hast mir den Tag versaut, das Frühstück, mein Leben.“

Ihre Augen schweifen dabei immer wieder gedankenvoll in eine Ecke. Es ist, als würde sie auf ihre innere Stimme hören und ihr folgen oder gar mit ihr reden.

Fast eine ganze Stunde habe ich mir das in Ruhe angehört, ohne etwas zu sagen. Wenn ich jetzt im Hier und Jetzt meine Mutter so betrachte, fällt mir auf, wie gefangen sie in ihrer Gedankenwelt ist, in der Vergangenheit. Es ist fast schon absurd, sie wie ein wildes Tier zu beobachten, das mich anfaucht, Laute von sich gibt und die Zähne zeigt. Manchmal sehe ich sie an, manchmal lasse ich meinen Blick ruhig in die Gegend schweifen und erlebe den Moment.

Nach ihrem Wutausbruch hat sie sich auf den Boden gelegt, geweint und angefangen zu summen. Dann sprach sie mit ihrer Mutter, bat um Vergebung von Gott und ihrer Mutter dafür, dass sie nicht immer für sie da sein konnte. Vielleicht versteht sie nun, dass ihre größte Wunde die Angst vor dem Tod ist.

Auch wenn ich all das ruhig angehört habe, bin ich im Laufe der Zeit etwas aus dem Hier und Jetzt abgedriftet. Es fühlte sich in diesem Moment an, als hätte ich meinen Schutzschild abgelegt, und ihre emotionalen Giftpfeile hinterließen so leichte Schürfwunden. Diese Wunden zeigten sich später in Form von leichten Bauchschmerzen.

Heute wurde mir klarer denn je: Ich kann Wut nicht mit Wut besiegen, und Krieg lässt sich nicht mit Krieg beenden. Auch vor emotionalen Giftpfeilen zu fliehen, ist keine Lösung. Was mich wirklich schützt, ist innere Ruhe und das bewusste Sein im Hier und Jetzt. Ich bin vielleicht noch nicht vollständig aus „der Matrix“ heraus, aber das Erwachen ist spürbar in mir. Die Stimme im Kopf versucht alles, um es zu verhindern, doch ich lasse mich nicht mehr aufhalten.

Ich habe mir ein Glas Wasser geholt und fast eine Glasscherbe verschluckt, die vom zerbrochenen Weinglas im Becher war. Ich spuckte die Scherbe aus und betrachtete sie.

Sollte der Traum vom 27. Oktober mir genau diese Situation voraussagen? Habe ich in dem Traum die Zukunft gesehen? Ich bin erstaunt …

Später kam die Mutter zu mir und setzte sich neben mich. Ihre innere Stimme sprach weiter mit Oxana, und ich hörte zu. Plötzlich verwandelten sich ihre Vorwürfe und Beleidigungen in Ansätze von Verständnis.

„Ich verstehe, dass du minimalistisch leben und barfuß laufen willst. Aber man muss sich ein bisschen anpassen, sonst akzeptiert dich die Welt nicht,“ sagte sie und fügte hinzu: „Arbeit wird dir gut tun.“

Dabei hörte ich nur, wie selbst ihre innere Stimme mich dazu bewegen will, zurück in „die Matrix“ zu gehen, wieder einzuschlafen.

„Ich bin nicht hier, um akzeptiert zu werden,“ entgegnete ich ruhig. „Ich bin hier, um die Welt zu verändern.“

Nach diesem „Streit meiner Mutter mit ihrer inneren Stimme“ bin ich nach Hildesheim gefahren und habe mich von ihr verabschiedet, dabei ihre Schulter kurz berührt. Währenddessen schrieb sie mit Julien. Erst als ich die Wohnung verlassen und den Parkplatz erreicht hatte, drehte ich mich um und sah sie am Fenster stehen. Sie hatte ihre Hand ans Glas gelegt, um sich von mir zu verabschieden.

Arme Seele, meine Mutter — so tief gefangen in dem leidvollen Leben, das sich nur in ihrem Kopf abspielt.

Im Café habe ich das Buch von der Eckhart Tolle gelesen und dabei einen Pfefferminztee getrunken.

Ich wandte regelmäßig meinen Block vom Buch ab und schaute den Tee an. Ich nahm den Pfefferminzgeruch wahr und die im Tee schwimmenden Pfefferminzblätter und bemerkte, wie das Licht am Glas schimmernd reflektiert wurde. Es war so schön, dass ich beinahe weinen musste vor diesem schönen Anblick. Noch nie zuvor hatte ich ein Glas Pfefferminztee so intensiv und klar wahrgenommen. Ich spürte eine tiefe, vollkommene Zufriedenheit in mir — ein unbeschreibliches Gefühl.

Auf dem Weg nach Hause begann es zu nieseln. Ich blickte zu den bunten Blättern an den Bäumen und spürte ein Lächeln auf meinem Gesicht, dieses Lächeln, das kommt, wenn man erkennt, dass all das Leiden und die Probleme der Vergangenheit nur ein Traum waren.

Julia hat mich später besucht, und wir haben lange miteinander geredet. Das ist privat. ✍️

Kurz darauf rief meine Mutter an und entschuldigte sich noch einmal bei mir. Ich sagte ihr, dass sie sich nicht entschuldigen müsse, da mich ihr Verhalten überhaupt nicht verletzt hatte. Im Gegenteil, ich konnte ihre Reaktion verstehen. Sie hat mich zum Pizzaessen eingeladen. Ich habe zugestimmt. Allerdings werde ich mit ihr nicht nochmal über den Tod reden. Wenn ich einmal im Sterben liegen sollte, dann werde ich es einfach akzeptieren, dass meine Mutter trauern wird, so oder so. Es liegt nicht in meiner Verantwortung, beim Sterben dafür zu sorgen, dass sie sich gut fühlt. Jeder geht anders mit Verlust um, und ihre Trauer wird ein Teil ihres eigenen Weges sein. In diesem Sinne, bis (hoffentlich) morgen! 🙏


Ich bin heute dankbar:

  • Dafür, dass ich immer mehr erwache.
  • Dafür, dass ich ein tolles Gespräch mit Julia hatte.
  • Dafür, dass ich die wahre Schönheit eines Pfefferminzglases erblicken konnte.
  • Dafür, dass meine Mutter schnell mit mir Frieden geschlossen hat.

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