Direkt zum Inhalt


WIEDERGEBURT .
.
.
LEBEN:

Der genialste Oma-Trick. Unterhose-Upgrade auf Merinowolle. Von der WG-Party abschotten. Idee im Garten zu schlafen.

6. April 2024. Ich bin um 9 Uhr aufgestanden. Spaziergang von zu Hause Richtung Welfengarten. Eine hübsche Brünette mit zerzausten Haaren kommt auf mich zu. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Sie scheint interessant zu sein. Dann holt sie ihre Vape aus der schwarzen Jackentasche und zieht. Mein Puls normalisiert sich, ich senke den Blick zu Boden und gehe an ihr vorbei. Frauen, die rauchen, vor allem in der Öffentlichkeit, stoßen mich ab. Ich weiß nicht warum. Vielleicht, weil es wie rauchen ist und ich mich ärgere, wenn ich selbst rauche.

Ein Spaziergang durch den Welfengarten. Es ist menschenleer, nur das Zwitschern der Vögel ist zu hören. Ab und zu sieht man einen Hund mit seinem Herrchen spazieren gehen. Dort habe ich mich auf eine sonnige Bank gesetzt und meine zuvor geschmierten Brote gegessen. Und Sonne getankt. Eine junge Brünette in schwarzen Leggings mit rosa Streifen an den Seiten sprach etwas in ihr Handy, während sie zweimal an mir vorbeiging. Ich pflückte eine gelbe Blume, um sie ihr beim dritten Mal zu geben. Aber sie kam nicht.

Dann ging ich durch den Georgengarten. Ich murmelte vor mich hin das Gedicht von Goethe, das einzige, was mir von meiner damaligen Poesiezeit geblieben ist:

»Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide.
Allein und abgetrennt von aller Freude sehe ich ans Firmament an jener Seite.
Ach der mich liebt und kennt ist in der Weite.
Es schwindelt mir es brennt mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide.«

Eine Oma mit auffälligem rosa Lippenstift kam auf mich zu und sprach mich an. Sie wollte, dass ich ihren rosa Pullover hinten durch die Schlaufen des Rucksacks ziehe. Sie sah sehr modisch aus. Ein paar Schritte weiter höre ich: »Danke noch mal«. Ich drehe mich um und sehe, wie mir die süße Oma zuwinkt. Ich lächle und winke zurück.

Es war 11 Uhr. Ich saß draußen auf dem Campus und schrieb mein Tagebuch. Auch hier auf dem Campus war es leer. Es saßen nur zwei Studenten an einem Tisch. Ich habe die Hoffnung, dass die HanoMacke um 12 Uhr kurz aufmacht. Heute findet bei uns die WG-Party statt. Ich hoffe, dass ich diesmal dabei nicht so stark meine soziale Batterie entlade. Das ist nämlich sehr anstrengend. Ich versuche mehr ich selbst zu sein.

Es ist 11.20 Uhr. Die Türen von HanoMacke öffnen sich. Wie schön, denke ich. Jetzt kann ich mich bei einem Kaffee ein wenig von dem Nebel in meinem Kopf befreien.

Um 12:34 Uhr nehme ich den Zug nach Hildesheim. Ich fahre kurz nach Borsum, weil ich dort mein T-Shirt vergessen habe. Ich will nicht in dem nach Zigarettenrauch stinkenden T-Shirt herumlaufen, das ich gestern im Dax getragen habe.

An der Haltestelle habe ich Mama im Auto gesehen. Wieder kalt geduscht. Mein Gott, das kostet Überwindung. Aber danach fühle ich mich so gut und warm. Ich muss lernen, den Schmerz auszuhalten - vor allem, weil er beim kalten Duschen nur vorübergehend ist. Ich sollte mehr darüber forschen, wie man Schmerzen besser aushalten kann. Das ist eine nützliche Fähigkeit.

Beim Duschen ist mir aufgefallen, dass der Haarausfall am Tag nach der Party wieder irgendwie stärker ist und die Kopfhaut rot ist und juckt. Ich dachte, das sei immer nur Zufall, aber es scheint, dass das Feiern mit Rauchen und verrauchter Umgebung den Haarausfall kurzfristig stark erhöht und die Kopfhaut rötet.

Um 16:18 Uhr, nachdem ich mit Mama, die nur kurz im Laden war, Frühlingsrollen gegessen habe, nehme ich mein vergessenes T-Shirt und fahre zurück nach Hannover. Eigentlich habe ich keine Lust auf die WG-Party, vor allem weil ich müde bin und keine Lust habe mich zu unterhalten.

Auf dem Weg zum Bus ist mir erst jetzt der geniale Trick der Oma aufgefallen, die mich gebeten hat, ihren Pullover zwischen Rucksack und Rücken zu stecken. Da es heute warm war, habe ich meine Regenjacke die ganze Zeit in der Hand getragen. Ich wollte meinen Rucksack nicht zu dick machen, indem ich die Jacke hineinstecke, aber ich wollte sie auch nicht um meine Taille binden, weil ich kein Kleid tragen wollte. Die Sexiness meines Stils soll natürlich nicht zerstört werden. Die Jacke in der Hand zu tragen ist das kleinere Übel. An der Bushaltestelle habe ich den Trick der Oma gleich ausprobiert und war begeistert. Dieser Trick löst all die genannten Probleme. »Danke Oma«, flüsterte ich mit einem breiten Grinsen vor mich hin.

Es ist 19 Uhr. Ich stehe an der Ampel. Eine Radfahrerin und ein Fußgänger, der auf sie zukommt, kollidieren fast. Die Radfahrerin schreit »Du Arschloch« hinterher.

So möchte ich auf keinen Fall mit Menschen umgehen. Das wäre weder gut für mich noch für andere. Die Welt würde vergiftet und feindselig. Ich gehe lieber den Weg der Liebe, auch wenn das manchmal nicht einfach ist. Aber ich glaube, dass ich so besser durchs Leben komme. Deshalb finde ich die Prepper-Szene auch ein bisschen komisch, weil sie in Krisensituationen andere Menschen eher als feindlich wahrnehmen und sich vor ihnen schützen müssen, indem sie zum Beispiel in den Wald fliehen. Auch hier würde ich lieber mit den Menschen arbeiten als gegen sie. Jedes Lebewesen, ob Mensch oder Tier, will überleben und das muss man respektieren.

Ich war kurz bei Hugendubel. Ich war in einer anderen Abteilung als sonst. Ich war in der Pflanzen-, Wald- und Tierabteilung. Dort bin ich auf die Idee gekommen, mal auf dem Balkon oder im Garten in Borsum oder Hannover zu übernachten, um mich daran zu gewöhnen, draußen zu schlafen und später auch mal in der Natur.

Auf dem Weg vom Kröpcke nach Hause habe ich das Gefühl, dass nicht die Physik an erster Stelle meiner Leidenschaft steht, sondern im Moment irgendwie die Upgrades. Irgendwie habe ich richtig Lust, mich Schritt für Schritt durch Mikroveränderungen in einen Übermenschen zu verwandeln, der für alle Krisen und Lebenslagen gewappnet ist und über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt, sowohl körperlich als auch geistig. Dieses Wissen und diese Fähigkeiten gebe ich dann in Form von Büchern an andere Menschen weiter. Das war meine Vision auf dem Weg nach Hause. Es ist nicht die Physik, die diese Leidenschaft in mir weckt. Vielleicht ist diese Leidenschaft auch nur vorübergehend. Ich weiß es nicht.

Zu Hause war es noch ruhig. Zum Glück. Lina und Thomas waren in ihren Zimmern. Ich habe mich ein bisschen ausgeruht. Habe Isabell und Marco die Tür aufgemacht, weil meine Mitbewohner die Klingel wohl nicht gehört haben.

Ich war im Zimmer. Auf die WG-Party hatte ich keine Lust. Ich bin nur ab und zu rausgegangen, um Hallo zu sagen. Stattdessen habe ich mir einen guten schwarzen Minikompass und eine Klappschere mit GERADEN Klingen auf Amazon ausgesucht, damit ich damit auch Papier gerade schneiden kann. Meine jetzige Schere ist gebogen, so dass ich damit nur Nägel schneiden kann. Man kann sie auch nicht zusammenklappen und als Schlüsselanhänger benutzen. Die neue Schere schon.

Ich habe meine neue Merino-Unterhose inspiziert. Ich habe sie heute morgen angezogen und am Abend roch sie überhaupt nicht. Also habe ich auch das zweite Paar Unterhosen bestellt. Schwarze Merino-Unterhose von Alexander Fufaev

Bis ca. 2 Uhr nachts konnte ich wegen der lauten Musik in der WG nicht einschlafen.


Learning: Statt die wegen der Temperatur ausgezogene Jacke oder den Pullover in der Hand zu tragen, schiebe ich sie/ihn zwischen Rücken und Rucksack durch die beiden Rucksackschlaufen.

Mikroveränderung: Bambusunterhosen durch Merinounterhosen ersetzt. Diese sind an den Beinen etwas kürzer und haben kein auffälliges Logo am Bund. Unterhose aus Merinowolle hat außerdem eine verringerte Geruchsentwicklung.

...