WIEDERGEBURT .
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LEBEN:
Uhrzeitanzeigen meiden und Larissa, die Märchenfrau
1. November 2023. Ich weiß nicht mehr, wann ich aufgewacht bin. Aber es war auf jeden Fall noch früh, denn ich hörte, wie, wahrscheinlich Lara, gerade zur Arbeit ging. Es muss also zwischen 7 und 8 Uhr gewesen sein. Ich lag noch da, schaute auf den Regen und den weißen Himmel und dachte an den Traum von heute, in dem ich mit Jule und einer anderen Frau in einem Bett kuschelte.
Im Bad habe ich mir die Achseln nur mit Wasser gewaschen und ohne Natron unter den Achseln habe ich mir mein T-Shirt angezogen. Dann habe ich mir mit der kurzen Zahnbürste die Zähne geputzt. Das Putzen mit der kurzen Zahnbürste ist viel anstrengender, weil wahrscheinlich andere Muskeln beansprucht werden, aber zumindest muss ich nicht mehr so viel Druck beim Putzen ausüben.
Aus der Küche holte ich die Lunchbox mit dem Kirschkuchen und dem Mittagessen, das ich mir gestern zubereitet hatte: Kichererbsen aus der Dose, Gurke und Pesto. Dazu ein Apfel, eine Banane und eine Mandarine.
Als ich auf die Bushaltestelle zuging, sah ich schon einige Leute dort stehen. Einige schauten auf ihre Handys, andere schauten in die Richtung, aus der der Bus kommen sollte. Das war für mich ein Zeichen, dass der Bus bald kommen würde. Und tatsächlich, es dauerte nicht lange und der Bus kam. Ich fand es faszinierend, wie man spontan andere Wege findet, ohne Uhr zurechtzukommen. Statt auf die Uhr und den Fahrplan zu schauen, achtete ich darauf, wie viele Menschen an der Haltestelle standen und was sie taten.
Als ich die Bibliothek betrat und zu den Aufzügen ging, bemerkte ich an der Wand vor mir eine große Uhr, auf der ich leider die Zeit ablesen konnte: Es war halb neun. Dann setzte ich mich in den noch leeren vierten Stock. Aus Gewohnheit schaute ich auf die Uhr meines Macbooks. Es war 9 Uhr.
Ich ging kurz raus, um eine Banane und eine Mandarine zu essen. Dann kurz zu HanoMacke auf einen Kaffee. Auf dem Weg habe ich Sarah getroffen. Sie hatte Over-Ear-Kopfhörer auf und machte trotz ihres Lächelns nicht den Eindruck, als wolle sie zu dieser frühen Stunde mit mir reden. Also ging ich einfach an ihr vorbei. Da es draußen regnete, stellte ich mich unter das Dach bei den Fahrrädern und genoss meinen heißen Kaffee.
Um 11 Uhr schaute ich aus Gewohnheit, wie schon einige Male zuvor, auf die Zeit in der rechten oberen Ecke des Macbooks. Ich ging essen. Ich nahm ein Tablett, einen Löffel und eine Gabel aus der Mensa und setzte mich in die HanoMacke, um zu essen. Ich holte mir noch einen Kaffee für den Kirschkuchennachtisch.
Zurück in der Bibliothek schaute ich wieder unbewusst auf die Uhr auf dem Lockscreen. Es war 11:32. Mist, dachte ich, die Zeitanzeige anzuschauen ist eine hartnäckige Angewohnheit.
Ich schaute in den Einstellungen nach, ob es eine Möglichkeit gab, die Uhr auf dem Sperrbildschirm auszublenden. Tatsächlich fand ich die Option »Große Uhr anzeigen«, die ich auf »Nie« stellte. Jetzt werde ich beim Entsperren meines Macbooks nicht mehr mit der Uhrzeit konfrontiert.
Um 14 Uhr habe ich eine kurze Kaffeepause gemacht. Ich aß einen Apfel und schaute auf den vollen Campus. Als ich mich in die Schlange bei HanoMacke einreihte, kam mir die rothaarige Märchenfrau mit ihren Freunden entgegen. Ihr bezaubernder Blick mit den hellbraunen Augen und das Lächeln auf ihrem Gesicht ließen mir warm ums Herz werden.
Als ich mit der Kaffeetasse in der Hand aus der HanoMacke kam, stand sie mit ihren Freunden davor, in ihrem dunkelgrünen Pullover, der perfekt zu ihren dunkelroten, lockigen Haaren passte. Ich war kurz davor, sie nach ihrem Namen zu fragen, um sie in meiner Lebensgeschichte beim Namen nennen zu können. Aber die Jungs, mit denen sie da stand, hielten mich irgendwie davon ab. Vielleicht war einer von ihnen ihr Freund. Diesmal hatte ich keine Eier in der Hose.
Später, gegen 14.30 Uhr (ja, ich habe leider wieder auf die Uhr geschaut), als ich zufällig an meinem Laptop saß und zum Ausgang schaute, sah ich, dass sie auch im vierten Stock war und gerade mit dem Korb in der Hand wegging. Ich wollte sowieso nach unten, um mein Handy-Ladekabel zu holen, also ging ich auch raus und traf sie, als sie auf den Aufzug wartete.
Im Vorbeigehen fragte ich sie: »Wie heißt du eigentlich?«
»Larissa. Und wie heißt du nochmal?«
»Alexander.« Dann fragte sie mich: »Was studierst du eigentlich?«
»Ich studiere nicht mehr«, während wir beide in den Aufzug stiegen.
Ich war so aufgeregt, dass ich ihren Satz unterbrach und sagte: »Als ich dich das erste Mal in der Cafeteria angesprochen habe, habe ich vergessen, dich nach deinem Namen zu fragen. Jetzt weiß ich es endlich und kann dich in meiner Lebensgeschichte bei deinem Namen nennen«.
»Oh, vielleicht ist es besser, wenn man mich nicht erkennt«, antwortete sie.
»Keine Sorge, ich werde nur unsere Begegnung beschreiben, die nur einen kleinen Teil der Geschichte ausmacht.«
Der Aufzug war unten und wir gingen hinaus.
»Was studierst du eigentlich?«
»Jura«, sagte sie und blieb vor einem der Bücherausleihautomaten stehen.
»Ach, hab ich mir gedacht! Na dann, mach's gut", sagte ich im Vorbeigehen und winkte ihr zu. Sie winkte zurück.
In diesem Moment wurde mir auch klar, dass es eine blöde Idee war, heute morgen meine Achseln ohne Seife zu waschen und gleichzeitig kein Natron in die Achseln zu reiben. Hoffentlich hat sie meinen Achselgeruch nicht bemerkt.
Es war kein sehr angenehmes Gespräch. »Meine blöde Aufregung hat es ein bisschen vermasselt«, dachte ich an meinem Spind. Wenigstens weiß ich jetzt, wie sie heißt.
Um 16 Uhr fuhr ich nach Hause. Noch schnell bei Lidl Rucola, zwei Kiwis, einen grünen Apfel, Linsen, Bohnen und Dosenmais gekauft.
Am Abend habe ich noch Musik gehört und mir vorgestellt, wie wir, Larissa und ich, uns umarmen und küssen. Mal sehen, ob sie meine Gedanken empfängt.
Ich habe ausnahmsweise heiß geduscht, um meine Haare etwas zu entfetten, und auch mein Gesicht mit heißem Wasser gewaschen. Danach war es sehr trocken und schuppig. Obwohl ich kein Duschgel benutze, scheint warmes Wasser auszureichen, um meine Haut auszutrocknen. Das war eine Lektion für mich. Nie wieder zu warm duschen.
Ich erzähle Lina, welche wichtige Lektion ich aus dem Buch »Think again« gelernt habe: Offen zu sein gegenüber Andersdenkenden, Klimaleugnern, Nazis und anderen, die von den Medien als Spinner bezeichnet werden. Wenn ich in ein Gespräch mit Andersdenkenden verwickelt werde, dann werde ich nicht versuchen, sie mit meinen Argumenten zu überzeugen, sondern ich werde zuerst nach Gemeinsamkeiten suchen und meine Argumente anbieten, aber nicht aufdrängen. Ich werde auch nicht alle Argumente vorbringen, sondern nur die stärksten, damit sie nicht in der Menge der Argumente untergehen.
Eine zweite Lektion, die mir sehr im Gedächtnis geblieben ist, ist, dass ich meine Meinung, mein Wissen nicht mit meiner Identität verknüpfen darf. Denn wenn die Meinung angegriffen wird, wird meine Identität angegriffen. Es würde mir schwer fallen und weh tun, die Meinung abzulehnen, weil ich dann auch meine Identität in Frage stellen müsste. Lina hat mir ein Buch von Adam Grant geliehen.
Ich bin in der Nacht aufgewacht und habe die ganze Zeit an Larissa gedacht. Ihr Gesicht hat sich so intensiv in meinen Kopf eingeprägt, dass es mir einfach sehr real vorkam, sie mir vorzustellen - besonders in diesem schläfrigen Zustand. Ich stellte mir vor, wie wir uns im Aufzug gegenüberstanden und redeten. Es war so real, dass ich sogar die Worte, die ich in der Vorstellung zu ihr sagte, real flüsterte.
»Jedes Mal, wenn ich dich sehe und du mir ein Lächeln schenkst, wird mir warm ums Herz«, flüsterte ich.
Larissas Augen leuchteten und sie lächelte. »Ich spiegele nur dein Lächeln.«
»Ich möchte dich an meiner Seite haben. Ich will mit dir alt werden«, flüsterte ich weiter, ging auf sie zu und berührte ihre Wange mit meiner Hand.
»Ich liebe dich«, sagte sie.
»Ich liebe dich auch«, antwortete ich und wir küssten uns.
»Bitte komm morgen zu mir in den vierten Stock. Ich werde da sein und auf dich warten«, sagte ich und sah ihr tief in die Augen. »Ich möchte, dass wir uns endlich kennenlernen.«
»Ich werde da sein, meine Liebster.«
Ich lag immer noch da und fragte mich, ob sie jetzt auch wach war und an mich dachte. Vielleicht war meine Vorstellung von unserem Treffen etwas Reales in einer immateriellen Welt.
Dann kam mir ein anderer Gedanke. Worauf sollte ich mich nach dem Minimalismus bei den Verbesserungen konzentrieren? Wie aus dem Nichts flüsterte ich: Ernährung. Meinen Abfall auf 0 Prozent reduzieren. Auf meinen Körper hören und ihm die beste Nahrung geben, die er braucht.
Aber vorher muss ich lernen, auf meinen Körper zu hören. Ein Meister der Meditation werden. Ich möchte ein Menschenversteher werden. Ein Meister des Smalltalks, der Körpersprache und des Gedankenlesens. Ich will mit der Kraft der Gedanken Botschaften an andere Menschen senden und mit ihnen über Gedanken kommunizieren. Ich will noch stärkere übernatürliche Kräfte entwickeln, wie Telekinese. Irgendwann bin ich mit diesem Gedankenspiel wieder eingeschlafen...
Learning: Offen sein für alle, die anders denken. Mit ihnen Gemeinsamkeiten finden. WIE und WAS zur Meinung des Andersdenkenden fragen. Meine Argumente nicht aufdrängen, sondern nur vorschlagen und mich nur auf meine stärksten Argumente konzentrieren.
Mikroveränderung: Ich habe die Uhrzeitanzeige reduziert, weil mich die Uhrzeit innerlich unruhig macht. Ich habe die Zeit- und Datumsanzeige auf dem Sperrbildschirm des Laptops ausgeblendet.