WIEDERGEBURT .
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LEBEN:
Leben ohne Schreibtisch und Bürostuhl. Möbelfreies Leben.
26. Juli 2023. Jule schloss ihr Fahrrad am Bahnhof in Hildesheim an einem Parkplatz an. Ich beobachtete sie aus zehn Metern Entfernung und weinte, weil sie mich nicht gesehen hatte.
Wahrscheinlich hatte ich diesen traurigen Traum wegen des Spaziergangs nach Linden. Abgesehen von diesem Traum freute ich mich darüber, dass ich eine meiner schlimmsten Gewohnheiten losgeworden war: Vor dem Aufstehen zum Handy zu greifen und darauf die Zeit zu vertrödeln. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhrzeit und legte das Handy wieder weg. Es war noch nicht acht Uhr und ich konnte deshalb wegen der Downtime-Funktion nicht auf die Dating-App und andere Apps zugreifen. Nach kurzem Starren in die Decke, dem Nachdenken über den Traum und einem Blick aus dem Fenster auf die Baumkronen, stand ich auf. Vom Aufwachen bis zum Aufstehen vergingen maximal fünf Minuten und nicht wie üblich eine halbe Stunde oder gar noch länger, als ich noch keine Downtime-Funktion auf dem Handy verwendet hatte.
Ich stand auf, machte mich fertig und ging die zweieinhalb Kilometer zu Fuß in die Bibliothek. Heute war ich etwas schneller unterwegs, um meinen Kreislauf in Schwung zu bringen und wach zu werden. Heute nahm ich mir nämlich vor, keinen Kaffee direkt am Morgen zu trinken.
Als ich auf die Christuskirche zusteuerte, blickte ich sie an und sah die große Uhr, die zwanzig vor neun zeigte. »Interessant«, dachte ich, »diese Veränderung war mir gar nicht bewusst«. Seitdem ich mein Handy nicht in der Hosentasche trug, sondern hinten im Rucksack, schaute ich seltener auf die Uhrzeit. Es wäre einfach viel zu umständlich, das Handy aus dem Rucksack zu holen, um die Uhrzeit zu checken. »Eine positive Veränderung«, fand ich. Schließlich gab es am Bahnhof, an der Christuskirche oder in der Bibliothek eine Uhr, also an allen Orten, wo ich mich in letzter Zeit regelmäßig aufhielt, die mir die Uhrzeit verriet, ohne den negativen Nebeneffekt, am Handy ganz »aus Versehen« die Dating-App zu öffnen.
Ich saß in der vierten Etage, schrieb mein Lebenskapitel mit Mara und war froh über die Entscheidung, hier in der vierten Etage der Literaturwissenschaften zu sein. Ich wurde quasi von den hübschen Studentinnen umschwärmt. Vier Tische weiter saß auch diese eine rothaarige, große Studentin, deren Ohren mich damals fasziniert hatten.
Als ich später in der Mensa war und Kartoffeln mit Sojabohnen aß, regnete es. Danach gönnte ich mir noch einen Kaffee. Zum Glück regnete es nicht mehr, sodass ich den Kaffee draußen genießen konnte. Ich beobachtete die dunklen Wolken über mir und versuchte, sie mit meinem angestrengten Blick von der Sonne wegzuschieben. Es gelang mir, und die Sonne warf ihre Sonnenstrahlen in mein Gesicht.
»Ach, ich gehe jetzt nach Hause und gewöhne mich an das möbelfreie Arbeiten«, entschied ich mich und fuhr wieder nach Hause, um dort meine Geschichte weiterzuschreiben. Es machte irgendwie Spaß, am Boden zu arbeiten. Mein geschmiertes Brot aß ich einfach stehend an der Fensterbank, wo einst mein Tisch stand. Es war so toll, direkt ans offene Fenster gehen zu können. Ich setzte mich auf die Fensterbank mit dem Teller in der Hand, aß mein Erdnussbrötchen weiter und genoss den umfassenden Blick auf den Gemeinschaftsgarten und die Bäume drumherum.
Mikroveränderung: Ich besitze keinen Arbeitstisch und Bürostuhl mehr. Ich nutze stets das, was mir zur Verfügung steht. Zu Hause arbeite ich auf dem Boden.