WIEDERGEBURT .
.
.
LEBEN:
Die musikalische Darbietung auf der Toilette und Eis essen mit Dascha und Tobi
1. Juni 2023. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Es war halb neun morgens. In unserer Familien-WhatsApp-Gruppe hinterließen Mascha und Tobi eine Nachricht, ob ich Lust hätte, mit ihnen ein Eis essen zu gehen. Sie wollten heute in Hannover shoppen und ich sagte zu.
Auf dem Weg zur Uni ärgerte ich mich, dass ich den Bus verpasst hatte, weil ich den Biomüll rausgebracht hatte. Ich fand es schade, dass Lina und Vanessa meine Idee nicht so gut fanden, die Biomüllbeutel wegzulassen und den Biomüll direkt in den Eimer zu werfen. Schließlich könnte man dadurch etwas Geld sowie Zeit beim Einkauf sparen und 1% nachhaltiger sein. Trotzdem konnte ich die Argumentation von Vanessa nachvollziehen, dass sie die Maden in der Biotonne eklig fand und es einfacher war, den Beutel reinzuwerfen und schnell wegzurennen. Auch Linas Argumentation, den Eimer stets zu reinigen, hatte ihre Berechtigung.
Bis zum Treffen mit Mascha und Tobi verbrachte ich meine Zeit in der Bibliothek und übersetzte die Biografie ins Englische. In letzter Zeit streikte mein Magen wieder öfter und ich musste häufiger auf die Toilette. Wahrscheinlich lag es an der neuen Lebenssituation: Neue Menschen, neue Wohnung und sicherlich auch am Kaffee.
Ich ging in die Toilette und betrat die letzte leere Kabine. Ich zog die Hose runter und bückte mich. Alles war mucksmäuschenstill. Ich presste, bis ein PFRRRR PFRRRR ertönte. Plötzlich hörte ich rechts in der Kabine Bewegung und lautes Ausatmen. Offensichtlich wurde es dem Typen ungemütlich. Ich legte nach. PFRRR PFRRRR. Dann plötzlich das Geräusch einer Spülung. Ich beschloss, noch einen draufzusetzen - mit vollem Druck pinkelte ich abwechselnd auf die Emaille und ins Klowasser. Eine andere Toilette wurde gespült. Dann hörte ich jemanden aus der Kabine gegenüber eilig verschwinden. Ich kämpfte mit zusammengepressten Lippen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Doch das Stoppen des Luftdurchzugs durch meinen Mund sorgte versehentlich für eine andere Austrittsquelle. PFRRRRRR. Der dritte und letzte Spülvorgang ertönte. Zwei Kabinen wurden geöffnet und zwei Kerle verschwanden fluchtartig. Nun war ich allein und philosophierte darüber, was die Typen auf den Toiletten wohl gemacht hatten, denn von Klopapiergeraschel hatte ich nichts gehört. War es meine musikalische Darbietung, die sie vertrieben hatte, oder hatten sie freiwillig das Weite gesucht? Was geschah wirklich? Ihr Jonathan Frakes.
Ich sah auf mein Handy und bemerkte, dass ich die Nachricht von Mascha und Tobi verpasst hatte. Sie waren bereits in Hannover und auf dem Weg zum Kröpcke. Schnell schlüpfte ich in meine Hose, packte meine Sachen und eilte zur Straßenbahn. Am Eingang zum Conti-Campus saß eine Studentin am Bordstein und las ein Buch. Als ich an ihr vorbeiging, hob sie den Kopf. Unsere Blicke trafen sich und sie lächelte mich an. Ich setzte mich neben sie auf den Bordstein.
»Du hast mich gerade so süß angelächelt. Wie lange wartest du hier schon auf mich?«
Sie lachte. »Ich warte eigentlich auf meine Freundin.«
»Ach so, schade. Na gut, dann gehe ich weiter. Ciao«, sagte ich mit einem Grinsen, stand auf und ging weiter zur Straßenbahn.
Als ich am Kröpcke ankam, standen die beiden schon an der Uhr und zum Glück schienen sie nicht sauer auf mich zu sein. Das Wetter war sonnig und die Eiscafés am Kröpcke waren voll. Ich schlug vor, ins Colosseum am Bahnhof zu gehen. Dort fanden wir einen freien Platz. Ich entschied mich für eine Kugel Heidelbeereis und eine Kugel Meloneneis.