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WIEDERGEBURT .
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LEBEN:

Abgabe der Bachelorarbeit

22. Juli 2019. Am vorletzten Tag der Bachelorarbeit musste ich mich beeilen, die Literaturangaben fertigzustellen. Bis spät in die Nacht arbeitete ich unter großem Stress. Doch dann, aus unerklärlichen Gründen, verlor ich die Verbindung zum Uni-VPN. Das wurde mir erst bewusst, als ich versuchte, auf ein Paper zuzugreifen und plötzlich mit einer Zahlungsaufforderung von neunundvierzig Euro konfrontiert wurde. Diese wissenschaftlichen Arbeiten, hinter einer ärgerlichen Bezahlschranke versteckt, trieben mich zur Verzweiflung in dieser nächtlichen Stunde. Dennoch, gegen zwei Uhr morgens, konnte ich endlich aufatmen. Eilig übertrug ich meine Bachelorarbeit auf einen USB-Stick, damit ich sie morgen beim Copyshop in der Uni ausdrucken konnte, bevor ich endlich schlafen ging.

zzZ…

Ein Klopfen an meiner Zimmertür weckte mich. Mit verschlafenem Blick sah ich Lauri an der Tür.

»Jule versucht, dich dringend zu erreichen!«

»Was, warum? Wie spät ist es?«, murmelte ich müde vor mich hin und holte das Handy unter meinem Bett hervor.

»Ach du scheiße!«, wachte ich sofort auf, als ich die Uhrzeit sah. Es war bereits 8:40 Uhr. Mein Bus, den ich nehmen musste, um den Zug nach Hannover zu erreichen, war bereits weg. Es war nicht mehr möglich, um zehn Uhr die Bachelorarbeit abzugeben, vor allem, weil ich sie davor noch drucken musste.

Ich machte den Flugmodus aus und sah die tausend Nachrichten und Anrufe von Jule. Ich rief sie zurück.

»Jule, ich habe verschlafen. Du musst mir helfen.«, bat ich sie, während mir eine Idee in den Sinn kam.

»Das habe ich mir gedacht. Schick mir deine Arbeit und ich fahre zur Uni, um sie zu drucken«, las Jule bereits meine Gedanken.

»Und ich bestelle ein Taxi!«

Ich orderte sofort ein Taxi, stopfte eilig meinen Laptop in die Tasche, putzte halbherzig die Zähne, schlüpfte in ein weißes Hemd und eine schwarze Jeans, und schaffte es sogar, eine Scheibe Toast zu verschlingen, bevor das Taxi endlich eintraf. Ich stürmte aus dem Haus und ließ mich auf die Rücksitzbank des Taxis fallen.

»Wo solls denn hingehen?«, sagte der Taxifahrer, während er mich im Rückspiegel dabei beobachtete, wie ich meinen Laptop rausholte, um Jule meine Bachelorarbeit zu schicken.

»Nach Hannover, direkt zur Leibniz-Uni«, antwortete ich ihm und öffnete das E-Mail-Programm.

»Das würde dann ungefähr neunzig Euro kosten«, sagte der Taxifahrer. Erst, als ich das hörte, realisierte, dass ich gar nicht daran gedacht hatte, ob ich genügend Bargeld für die Fahrt besaß. Ich holte schnell mein Portemonnaie aus der Tasche und sah nach, was drin war. Dort lag ein ganzer Einhundert-Euro-Schein – das Geld, das ich von Galja vor einer Woche zum Abschluss der Bachelorarbeit bekommen hatte.

»Kein Problem, aber fahren Sie so schnell wie möglich. Ich muss spätestens um Viertel vor Zehn da sein.«, bat ich den Taxifahrer.

Als ich die Bachelorarbeit an Jule geschickt hatte, war ich sehr erleichtert, machte den Laptop zu und lehnte mich zurück. Doch kurze Zeit später klingelte mein Handy. Es war Jule.

»Sascha, die Seitenzahlen fehlen in der Datei, du musst es anpassen und mir die Datei nochmal schicken«, sagte sie am Telefon, während mein Stresspegel einen Maximalwert erreichte. Dabei waren die Seitenzahlen gestern noch abgebildet. Und ich hatte keinen blassen Schimmer, wie man bei LaTeX die Seitenzahl einstellt. Wir waren schon fast in Hannover. Ich beeilte mich. Wahrscheinlich sah ich wie ein beschäftigter Geschäftsmann aus. Mein Finger nestelte am Handy herum und meine Augen suchten nach einer Antwort. Als ich die Lösung für mein Problem fand und es glücklicherweise beseitigen konnte, schickte ich die Arbeit nochmal an Jule. Die ganze Fahrt war ich angespannt, weil ich die Befürchtung hatte, dass noch etwas schieflaufen könnte.

»Fahren Sie bitte direkt vor den Eingang der Uni«, forderte ich den Taxifahrer auf, als wir am Parkplatz der Uni ankamen.

»Stimmt so«, reichte ich ihm den hundert Euro Schein und sprintete zum Copyshop der Universität.

Jule hatte die Bachelorarbeit bereits ausgedruckt. Es blieben noch zehn Minuten. Das reichte gerade aus, um zum Institut für Festkörperphysik zu joggen. Dort angekommen, wartete Jule draußen auf mich, während ich zu Professor Haug, in sein Büro in den ersten Stock lief. Beim Klopfen an seiner Tür blickte ich kurz auf die Uhr. Sie zeigte 9:59 an. Ich war rechtzeitig da.

Als ich nach der Abgabe aus dem Gebäude trat, sah ich Jule auf einer Treppe sitzen und im Sonnenschein baden. In den Moment vergaß ich den ganzen Stress von zuvor. Ein Lächeln entfaltete sich auf meinem ganzen Gesicht, während ich erleichtert ausatmete und kurz ins Nachdenken kam: Da bist du, meine Liebste, meine Retterin. Ich hätte niemals gedacht, dass ich dich erst finden würde, wenn ich aufhöre, krampfhaft nach dir zu suchen.

»Komm mein Schatz, wir gehen Kaffee trinken«, sagte ich zu Jule und reichte ihr meine Hand.

»Saschi, fang bitte bei der Masterarbeit etwas früher mit dem Schreiben an.«

»Keine Sorge, ich habe aaaalles unter Kontrolle«, entgegnete ich und grinste verschmitzt.

»Du Spinner«, erwiderte sie meine Ironie mit einem Schmunzeln und gab mir ihre Hand, bevor wir zusammen ins Café Kopi gingen.

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