WIEDERGEBURT .
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LEBEN:
Drag Show und barfuß Tanzen auf dem Maschseefest. Pia die nachhaltige Sozialarbeiterin. Erste Nacht in meiner Wohnung. Bumble installiert.
7. August 2024. An der Haltestelle wartete ich bereits seit 20 Minuten auf den Bus, der einfach nicht kam. Ich überlegte schon, wieder nach Hause zu gehen und den nächsten Bus zu nehmen, als mein Fahrlehrer anrief. Er sagte alle Fahrstunden für diese Woche ab, da er immer noch krank sei. Er erwähnte auch, dass er meinen Personalausweis für die Prüfung doch nicht mehr benötigt. Wir verschoben die nächste Fahrstunde auf den 14. August.
Ich setzte mich auf den Bordstein und wartete einfach eine Stunde auf den nächsten Bus. Währenddessen veröffentlichte ich den Tagebucheintrag vom 3. August. In Hildesheim gönnte mir einen kleinen Spaziergang sowie einen entkoffeinierten Latte Macchiato.
Als ich zu Hause ankam, begann es nicht lange danach zu blitzen und zu donnern. Das schwüle, heiße Wetter verwandelte sich in ein kühles Gewitter. Heute sollte auf dem Maschseefest eine Veranstaltung namens "Quer Wednesday" stattfinden. Eigentlich wollte ich gern hingehen, aber mir fehlte die Energie, und jetzt kam auch noch der Regen hinzu. Doch dann erinnerte ich mich an die Worte von Tobias: "Wenn ich keine Energie habe, überwinde ich mich, zum Sport zu gehen, und danach habe ich die Energie." Deshalb entschied ich mich, trotz des Regens zum Maschseefest zu fahren.
Während ich auf den Zug in Hildesheim nach Hannover wartete, stellte sich eine wunderschöne blonde Frau neben mich und lächelte mich mehrere Sekunden lang an. Mein Herz begann zu rasen, und ich dachte mir, was für eine wunderschöne Frau sie doch ist. Doch anstatt die Gelegenheit zu nutzen, drehte ich mich weg, als würde ich mich nicht für sie interessieren – eine dumme Reaktion von mir.
Der Zug kam, und wir stiegen beide ein. Sie stieg vor mir ein und bog nach links zum Fahrradabteil ab, da sie ein Fahrrad dabei hatte. In einem Sekundenbruchteil entschied ich mich, nach rechts zu gehen und mich irgendwo in der Nähe niederzulassen. Ich war viel zu aufgeregt. Da der Zug ziemlich voll war, musste ich einige Sitze weitergehen, um einen freien Platz zu finden.
Während der Fahrt schaute ich immer wieder den Gang entlang und bemerkte, dass sie ihre Beine angewinkelt hatte. Ich hoffte, dass sie nicht in Sarstedt aussteigt, sondern mit mir nach Hannover fährt. Und tatsächlich hatte ich Glück – wir stiegen beide in Hannover aus.
Ich wartete ab, bis wir die Treppe hinuntergegangen waren, bevor ich mich entschloss, sie anzusprechen.
Ich holte sie ein.
„Hey,“ sagte ich.
„Hi,“ antwortete sie, blieb stehen und lächelte mich an.
„Du hast mich in Hildesheim so schön angelächelt. Ich habe mich dort nicht getraut, dich anzusprechen, aber jetzt in Hannover dachte ich mir: jetzt oder nie. Und nun stehe ich hier vor dir. Wie heißt du?“
Sie lächelte weiter. „Pia, und du?“
„Alexander,“ erwiderte ich und reichte ihr die Hand. Wir schüttelten uns die Hände.
„Ich bin gerade auf dem Weg zum Maschseefest. Kommst du mit?“ fragte ich.
„Danke für das Angebot, aber ich mag keine großen Menschenmengen,“ antwortete sie, „ außerdem wird dort viel Müll produziert“
„Ach, heute ist Mittwoch, es wird gar nicht so voll sein. Wo geht’s bei dir hin?“ versuchte ich, sie zu überzeugen.
„Ich komme gerade von der Arbeit und fahre nach Hause. Und du gehst allein zum Maschseefest?“
„Ja, es sei denn, du kommst mit.“
Sie lächelte und meinte: „Es klingt, als hättest du mehr Interesse, als nur mit mir zum Maschseefest zu gehen. Ich muss dir sagen, ich bin verheiratet und fahre jetzt zu meinem Mann.“
Schauspielerisch legte ich meine Hände an mein Herz und sagte: „Oh nein, mein Herz wurde gebrochen!“
Sie lachte, und wir führten noch einen kurzen Smalltalk darüber, was wir so machen. Schließlich verabschiedeten wir uns, und ich verbeugte mich leicht vor ihr und sagte „Namaste“.
Als ich den Bahnhof verließ und barfuß zum Maschseefest ging, dachte ich verträumt: „Was für eine wundervolle Frau mit einem zauberhaften Lächeln und dazu auch noch sehr nachhaltig. Ein Träumchen.“
An der Hauptbühne vor der Drag Show hat mich ein recht großer älterer Herr mit einer Plauze, einer Halbglatze und einer Kamera in der Hand angesprochen.
„Du kommst aus Hildesheim, oder?“
„Ja, woher weißt du das?“
„Ich habe dich dort mal barfuß laufen sehen. Das fällt sehr auf, und man kann es nicht so leicht vergessen.“
„Oh, das kann gut sein. Ich laufe regelmäßig in Hildesheim barfuß durch die Stadtmitte.“
„Am Samstag warst du auch hier am Tanzen. Ich wollte schon die Veranstalter fragen, ob sie dich auf die Bühne lassen.“
Ich lachte. Wir führten noch einen kurzen Smalltalk. Der Mann ist ein Filmemacher und hat einen YouTube-Kanal, den ich mir auf meinem Handy notiert habe, um ihn später anzuschauen.
Eine halbe Stunde später begann auch die Drag Show. Eine Drag Queen betrat die Bühne. Nach einer witzigen Einleitung bat sie uns, einen Kreis vor der Bühne zu bilden, damit sie herunterkommen und direkt bei uns sein kann.
Die Show war jetzt nicht so spektakulär, weshalb ich mit dem Bus in Richtung des Südufers gefahren bin. Im Bus setzten sich ein Opa und zwei Omis auf meinen Vierersitz.
„Ist es barfuß nicht so kalt?“, fragte eine der Omis mich freundlich.
„Nein, überhaupt nicht“, antwortete ich und erklärte den dreien freundlich und plausibel, warum mir barfuß nicht kalt ist.
Ich musste noch ein Stück bis zur Löwenbastion laufen, weil ich mit dem Bus 800 gefahren bin, der davor nach links abbiegt. Bei der Löwenbastion angekommen, habe ich mir ein Corona-Bier geholt und dem DJ zugehört.
Er spielte keine Mainstream-Musik und ausschließlich Non-Vocal-Tracks. Das hat mich irgendwie in einen schläfrigen Trance-Zustand versetzt. Ich setzte mich im Schneidersitz an einen Altar oder etwas Ähnliches, schloss die Augen und genoss die Musik weiter – oder besser gesagt, ich meditierte.
Plötzlich fing er an, ein Mainstream-Lied zu spielen: „SexyBack“ von Justin Timberlake. Sofort bewegte ich mich tanzend in die Mitte der Tanzfläche, wo die Musik noch lauter war, und ging richtig ab. Und das schöne war, es gab genug Platz zum Tanzen.
Nach dem Lied kam wieder ein Mainstream-Song, und so musste ich weitertanzen. Ich konnte nicht aufhören. Ich hatte das Gefühl, der DJ wollte, dass ich vor Erschöpfung und Atemnot tot umfalle, weil ich nicht aufhören konnte zu tanzen. Beim Lied von ABBA sprang ich offenbar so hoch, dass mein Handy herausfiel, was ich jedoch nicht bemerkte. Eine junge Frau, fast wie eine Göttin, kam zu mir und fragte, ob das mein Handy sei. Sie hielt ein schwarzes iPhone in der Hand.
„Oh, danke! Ja, das ist mein Handy“, erwiderte ich und nahm es dankend an.
Als ich vor lauter Durst zum Barkeeper ging und nicht genügend Bargeld dabei hatte, spendierte er mir ein Glas Wasser. Die Barkeeperin, die mit ihm arbeitete, fragte mich, ob ich nicht schon einmal hier gewesen sei, da ich den beiden irgendwie bekannt vorkomme.
„Nein, eigentlich nicht. Also, ich bin höchstens hier vorbeigegangen“, antwortete ich und bedankte mich bei den beiden für das Gratisgetränk.
So verbrachte ich den Abend bei der Löwenbastion bis 23:00 Uhr, barfuß tanzend mit kleinen Pausen dazwischen. Es war seltsamerweise recht leer bei der Löwenbastion im Vergleich zur Hauptbühne. Das fand ich eigentlich ganz toll. Aber…
Meine Intention war natürlich nicht nur, dort zu tanzen, sondern auch jemanden kennenzulernen. Irgendwie klappte es nicht so wirklich. Es gab keine, die mein Herz berührte, so dass ich sie ansprechen würde.
Auf dem Rückweg bin ich zufällig einer Göttin Mitte vierzig begegnet, die ebenfalls barfuß unterwegs war. Es ist immer ein cooles Erlebnis, wenn man Gleichgesinnte auf der Straße trifft. Wir haben uns ein High Five im Vorbeigehen gegeben.
Ich hatte so einen Hunger, dass ich mir noch bei McDonald's ein McPlant-Menü geholt habe.
Mit einer Zugverspätung von 20 Minuten kam ich dann in Hildesheim an. Ich wollte zu dieser späten Stunde nicht meine Mutter fragen, ob sie mich abholt, also fuhr ich einfach zur Wohnung und schlief dort auf der Bettdecke, die da war. Ich habe ihr nur Bescheid gesagt, dass ich bei mir in Hildesheim schlafe, sonst würde sie sich noch die ganze Nacht Sorgen machen…
Es war meine erste Nacht in der neuen Wohnung, und es fühlte sich richtig schön an, nach Hause zu kommen. Auch wenn die Wohnung noch nicht fertig eingerichtet war.
Ich wusch meine Füße, breitete die Bettdecke vor dem Fenster aus, durch das das gelbe Laternenlicht schien. Es war sogar gar nicht schlimm, dass die Lampe im Wohnzimmer noch nicht angebracht war.
Ich legte mich hin und installierte aus einer spontanen Laune heraus Bumble – oder eher aus Verzweiflung? Egal, dachte ich mir, ich probiere es mal kurz aus und lösche die App dann wieder. Ich habe es nur gemacht, weil es im echten Leben irgendwie nicht so richtig klappt. Kurze Zeit später hatte ich die ersten Matches. Mal schauen, was sich daraus ergibt. Gute Nacht.