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WIEDERGEBURT .
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LEBEN:

Wenn man eine rothaarige Göttin manifestiert, dann sieht man nur rothaarige. In WGs zur Zwischenmiete leben?

5. Juni 2024. Ich bin gegen 9 Uhr aufgestanden. Gegen 9.30 Uhr stehe ich an der Bushaltestelle.

»Ist dir nicht zu kalt?«, höre ich jemanden hinter mir sagen. Eine Oma mit Rollator, die auf der Bank sitzt, hat mich das gefragt.

Der Himmel war grau und draußen war es noch recht kühl, also hatte ich mein Longshirt angezogen, aber kalt war es nicht. »Nein, überhaupt nicht«, ging ich auf die Oma zu, »schauen Sie mal, wie flexibel mein Fuß ist, wenn ich barfuß gehe«, sagte ich und wippte mit dem Fuß auf Ballen und Fußsohle hin und her. »Der Fuß ist gut durchblutet und sehr warm.«

»Und was ist mit den Glasscherben?«, fragte sie freundlich.

»Ich laufe jeden Tag über die Scherben«, erklärte ich, »klar, wenn man nur mit Schuhen unterwegs ist, hat man eine weiche Haut und kann sich leichter verletzen. Aber die Fußsohle wird schnell robust, wenn man barfuß läuft.«

Der Bus hält an der Haltestelle. »Achso, danke, ich verstehe«, rief sie mir zu, während sie vorne einstieg und ich hinten.

An der Kopernikusstraße stieg ich aus, um den restlichen Weg zur Bibliothek zu Fuß zurückzulegen. An der Christuskirche überholt mich eine Gruppe kleiner Kinder mit zwei Betreuern.

Ich lächle die Betreuer an. »Guck mal, da ist jemand barfuß«, hörte ich die Betreuerin sagen, als ich an der Gruppe vorbeiging.

In der Conti-Bibliothek setzte ich mich diesmal in den dritten Stock der Rechtswissenschaften. Nach kurzer Zeit wurde es ziemlich voll.

Gegen 11 Uhr machte ich eine Pause. Bei den Schließfächern ging eine große, rothaarige Göttin an mir vorbei und lächelte mich an. Sie trug eine schicke graue Hose und hatte ein dickes Buch in der Hand. Anscheinend studiert sie Jura. Ich saß in der Cafeteria der Bibliothek, aß Paprika mit Tomaten und sah sie in Richtung des Hochhauses gehen. Wahrscheinlich zum Ausgang des Campus.

Ich saß am Fenster der Cafeteria, snackte Kirschtomaten und versuchte, mich an ihr Gesicht zu erinnern. Mara tauchte auf. Irgendwie, wenn ich mich nicht an das Gesicht einer rothaarigen Frau mit Sommersprossen erinnere, taucht immer Maras Gesicht als Erinnerung auf.

Nach dem Essen habe ich mir noch einen Pfefferminztee in der HanoMacke gegönnt.

Ich sitze im Schneidersitz und schließe die Augen. »Liebes Universum, lieber Gott. Ich wünsche mir, dass ich heute dieser rothaarigen Jurastudentin wieder begegne, die mich gerade angelächelt hat.«

Oben in der Bibliothek saß mir eine blonde Göttin mit einem Muttermal auf ihrem Laptop gegenüber. Irgendwie schaute sie mich ab und zu an. Das habe ich über den peripheren Blick wahrgenommen. Aber ich zeigte kein Interesse. Es schien sie aufgeregt zu haben. Sie hat hektisch und laut ihre Sachen gepackt und ist gegangen.

Kurz darauf bin ich auch gegangen. Durch das Fenster sah ich, dass die Sonne aus den grauen Wolken kam. Das wollte ich ausnutzen. Ich holte mir eine Fritz Orange aus der HanoMacke. Als ich aus dem Gebäude kam, sah ich Julia, die große Sonderpädagogin, die mit ihrer Freundin dort saß. Unsere Blicke trafen sich.

»Hey«, rief sie mir zu. Ich winkte ihr zu.

Ich gehe auf die beiden zu. »Hey, Julia.«

»Alexander, richtig?«

»Ja genau«, ich nehme einen Schluck aus der Flasche, »ich habe dich vor einem Monat oder so im Café Kopi gesehen. Da warst du mit einem Behinderten zusammen.«

»Ach so, mit Simon meinst du«, fährt sie lächelnd fort.

»Ach, jetzt weiß ich, wie der Mann heißt, der mich grüßt, obwohl ich ihn nicht kenne.«

»Ich wollte dir Hallo sagen, aber dann bist du schnell mit Simon weggegangen. Ich dachte, das wäre wegen mir oder so.«

»Nein, überhaupt nicht. Simon wollte nur raus, nachdem er reingekommen ist«, erklärte sie.

»Ach so, okay, ich dachte schon, du wolltest mir aus dem Weg gehen«, sagte ich beruhigt und nahm noch einen Schluck aus der Flasche.

Obwohl sie sehr fröhlich und nett wirkte, merkte ich, dass sie lieber mit ihrer Freundin allein sein wollte. Ich setzte mich auf eine Bank nicht weit von ihnen, trank Limo und schrieb mein Tagebuch. Alexander Fufaev trinkt eine Limi am Conti Campus am Königsworther Platz

Dann bin ich in die Stadt gegangen. An der Ampel sah ich schon von weitem, wie eine Rothaarige mit einem Dutt aus der Straßenbahn stieg und die Treppe zur U-Bahn-Station hinunterging.

Ich überquerte die Straße und lief von der anderen Seite zur U-Bahn-Station. Von oben sah ich, dass sie noch da war. Ich lief die andere Treppe hinunter und ging auf die Göttin zu.

»Hey«, sagte ich zu ihr. Sie schaltete die Musik auf ihrem Handy aus, hatte aber noch die Airpods in den Ohren.

Skeptisch schaut sie auf meine Füße.

»Ich bin ja nicht obdachlos oder so. Ich laufe nur gerne barfuß«, sie nickt, »ich hab dich oben bei der Straßenbahn gesehen«, sie hört mir zu, »da hab ich mir gedacht, wenn ich hier runterkomme und du bist noch nicht mit der anderen Straßenbahn weg, dann sprech ich dich an.«

Sie sieht mich etwas verwirrt an.

»Und du stehst immer noch da. Das muss Schicksal sein«, fahre ich fort.

Sie lacht.

»Kommst du mit auf ein Date?«

»Ähm, ich bin noch nicht volljährig«, antwortete sie.

Ich war etwas verwirrt, denn sie sah jung aus, aber eher wie 20.

»Mist, ich war schon in deine roten Haare verliebt. Okay, dann komme ich in ein paar Jahren wieder«, fuhr ich fort.

»Die Haare sind übrigens gefärbt«, erklärte sie.

»Ach so, dann habe ich kein Interesse«, scherzte ich.

Sie lachte.

»Machs gut«, verabschiedete ich mich und machte mich auf den Weg in die Innenstadt.

Nach einem Rundgang durch die Altstadt ging ich in den Hugendubel. Dort saß an einem runden Tisch eine Göttin mit einem Laptop. Sie hatte wunderschöne lange rote Locken. Mein Herz schlug ein bisschen schneller. Ich stellte mich an die Theke, um zu bestellen.

»Ich bin gleich da«, sagte eine andere Göttin hinter der Theke.

Das Warten an der Theke kam mir gelegen, denn so konnte ich mir überlegen, wo ich mich hinsetzen könnte, um mit der rothaarigen Göttin Blicke auszutauschen. Ich entdeckte einen Sessel, von dem aus ich mit der Göttin flirten konnte. Ich setzte mich hin und wartete auf meine »Hazelnut Chocolate«.

Ich sah sie an. Sie war in ihren Laptop vertieft. Daneben stand ein Tablet. Ich begab mich ins Jetzt. Das Herzrasen verschwand und ich ging einfach auf sie zu. Ich beugte mich vor ihr auf ein Knie auf die Höhe des Laptops.

»Bist du gerade beschäftigt oder hättest du Lust gemeinsam Kaffee zu trinken?«, fragte ich sie und schaute ihr in die braunen Augen.

»Ich habe noch viel für die Uni zu tun«, sagt sie.

»Oh, schade. Okay«, sagte ich und verbeugte mich so, wie man sich beim Namaste verbeugt.

Ich setzte mich auf die Fensterbank, von der aus ich die Menschenmenge beobachten konnte, und las das Buch von Eckhart Tolle und schrieb das Tagebuch. Alexander Fufaev bei Coffee Friends im Hugendubel in Hannover

Im Kapitel »Die Identifikation mit dem Schmerzkörper aufheben« las ich etwas, das mir sehr bekannt vorkam. Eckhart Tolle sagt, dass der Schmerzkörper (damit meint er die Ansammlung allen Leids aus der Vergangenheit, das wir mit uns herumschleppen und jederzeit aktivieren können) eine Energie ausstrahlt, die andere Menschen in der Umgebung als sehr unangenehm empfinden.

Genau das habe ich auch erlebt: Wenn ich mich nicht ausgeglichen fühle, umgibt mich trotz eines Lächelns auf meinem Gesicht ein Energiefeld, das sich negativ auf meine Umgebung auswirkt. Es scheint also etwas dran zu sein an dem Feld, das mich umgibt.

Ich hatte das Getränk ausgetrunken. Die Göttin saß immer noch da. Ich packte meine Sachen und ging. Wir sahen uns an. Ich winkte ihr zu und verabschiedete mich mit einem Winken. Sie lächelte zurück.

Ich setzte mich auf das rote Sofa und las weiter. Eine andere rothaarige Göttin in weißen Turnschuhen ging an mir vorbei. »War sie das? Die aus der Bibliothek?«, schoss es mir durch den Kopf. »Mmm, dann hat sie sich umgezogen.«

Ich ging auf sie zu und fragte sie, ob sie heute in der Bibliothek auf dem Conti Campus war. Sie war da, aber es war eine andere Göttin. Die, die ich wiedersehen wollte, war auch viel größer als ich.

Nach dem Lesen bin ich in die WG gefahren. Es war niemand da. Ich habe Reis in meiner Titan-Brotdose gekocht und mit Gemüse gegessen. Nach dem Essen habe ich mir eine esoterische Doku über das Energiefeld angeschaut und Spagat geübt.

Am Abend habe ich noch ein paar Nachrichten an die WG-Anzeigen verschickt und mir ist eine Idee gekommen, wie ich die Hauptmietverträge vermeiden und noch mehr Leute kennenlernen kann, indem ich regelmäßiger an verschiedenen Orten wohne. Wie wäre es, wenn ich nach WGs suche, die nur für ein paar Monate zur Zwischenmiete suchen? So vermeide ich auch die ganzen Verträge (Strom, Gas, Internet), die mich an die Wohnung binden.

Ich bin heute dankbar:

  • Für die Wiederbegegnung mit Julia der Sonderpädagogin.
  • Dafür, dass ich den Mut hatte, die schöne rothaarige Göttin bei »Coffee Friends« anzusprechen.
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