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5. April 2024: Ich bin Sohn Gottes, Hanna die Politikwissenschaftlerin, Unterhose-, Trinkflasche- und Pullover-Upgrades

Alexander Fufaev

5. April 2024: Ich bin Sohn Gottes, Hanna die Politikwissenschaftlerin, Unterhose-, Trinkflasche- und Pullover-Upgrades

5. April 2024. Aufgewacht. Die Waschmaschine ist immer noch kaputt. Mama ist gestresst, weil der Techniker, der die Waschmaschine reparieren soll, nicht erreichbar ist. Sie hat mich mit ihrer Nörgelei so gestresst und mir die Schuld gegeben, dass ich nicht ans Handy gegangen bin. Lauri ist direkt nach dem Morgendrama abgehauen. Ich bin auf den Balkon geflüchtet, wütend auf mich selbst. Warum habe ich die Sachen nach Borsum bestellt und nicht nach Hannover? Dummkopf. Nach ein paar tiefen Atemzügen habe ich mich wieder beruhigt.

Diese verdammte Waschmaschine hat erst meine Mutter und dann mich gestresst. Eine Waschmaschine, die den ganzen Morgen vergiftet hat.

Nach all der Aufregung kam mir plötzlich die Idee für den Titel meines Buches. Anstatt es »Meisterhafter Minimalismus« oder »Extremer Minimalismus« zu nennen, nenne ich es »Materieller Detox«. Knackig, und man weiß sofort, worum es geht: Um die Entgiftung von all dem materiellen Kram, den man angesammelt hat oder benutzt. Wie diese kaputte Scheiß-Waschmaschine, die mir die Laune am Morgen verdorben und viel Stress gemacht hat.

Seit ich mehr auf meine innere Welt achte, merke ich viel schneller, wann ich gestresst bin und wann nicht. Ein schöner Nebeneffekt meiner verbesserten Selbstbeobachtung.

Mascha war kurz da. Tobi ist auf einer Fortbildung. Mascha wird auch eine Fortbildung machen - über motivierende Gesprächsführung. Beim Frühstück zu dritt sind wir auf das Thema Kaffee gekommen und wie schwer es mir und Mama fällt, diese Gewohnheit zu ändern. Mascha empfahl mir, das Kaffeetrinken zu etwas Besonderem zu machen, es mir nicht zu verbieten und so die Regelmäßigkeit des Kaffeetrinkens zu reduzieren. Oder einen Ersatz zu finden. Da ist mir wieder eingefallen, dass ich hier in Borsum eigentlich Lupinenkaffee oder entkoffeinierten Kaffee trinken wollte statt des koffeinhaltigen. Warum ich das nicht mehr tue? Weil der alternative Kaffee ausgegangen ist. Ich müsste mir mal eine Packung für Borsum besorgen.

Meine letzten Pakete sind heute angekommen: Der Baumwoll-Kaschmir-Pullover wurde durch einen etwas dickeren Rollkragenpullover (wie bei der Bundeswehr, aber nur in schwarz) ersetzt. Eigenschaften: Er ist wärmer und der Rollkragen mit Reißverschluss hält an kalten Tagen auch den Hals warm. Erwünschte Eigenschaften: Trocknet schneller und nimmt weniger Gerüche auf. Nachteile: Erhöhtes Gewicht und geringeres Packmaß.

Mein schwarzer Göffel ist da. Er sieht schön schwarz aus. Ab jetzt benutze ich ihn nur noch als Gabel und Löffel. Aber auch als Flaschen- und Dosenöffner. Diese Funktionen hat er schließlich auch. Wenn der Göffel jetzt noch aus Titan und nicht aus Edelstahl wäre, wäre er perfekt.

Schwarzer Göffel (Spork) mit Flaschenöffner von Alexander Fufaev

Meine Trinkflasche kam auch mit dem Göffel. Das matte Schwarz macht sie sehr sexy. Und das Gute ist, dass sie nicht ausläuft. Sie hat etwas mehr Fassungsvermögen (750 ml statt 500 ml), denn 500 ml finde ich für meinen derzeitigen Alltag etwas zu wenig. Und was mir auch sehr wichtig ist: Sie ist nicht isoliert (warme Getränke will ich sowieso nicht mitnehmen. Mir geht es nur um das Grundbedürfnis “Durst stillen”). Da ich sie täglich auf dem Rücken trage, ist eine Gewichtsreduktion von 30$\%$ sehr willkommen. Und jetzt kann ich damit sogar Wasser erhitzen. Stell dir vor, ich lande irgendwo im Wald und finde eine Wasserquelle. Dann kann ich Feuer machen und das Wasser in der Flasche abkochen. Ein cooles Survival-Feature.

Die minimalistische schwarze Trinkflasche und Laptop von Alexander Fufaev

Wenn ich irgendwann eine Titanflasche in schwarz finde, steige ich um. Das wäre noch einmal ein großer Schritt in Richtung Gewichtseinsparung. Aber leider gibt es so eine Trinkflasche noch nicht auf dem Markt. Plastikflaschen erfüllen diese Eigenschaften eher, aber ich vermeide lieber Plastik und ich habe auch noch keine Plastikflasche gefunden, die undurchsichtig schwarz ist und überhaupt kein Logo hat.

Auch meine erste Merino-Unterhose ohne auffälliges Logo auf der Außenseite ist eingetroffen. Sie ist an den Beinen etwas kürzer und sieht sexier aus. Entscheidend wird für mich sein, ob ich auch die andere Bambus-Unterhose wechsle, ob sie im Alltag nicht so schnell anfängt zu riechen und sich angenehm trägt. Aber auf den ersten Blick gefällt sie mir.

Bevor ich zurück nach Hannover fuhr, schnitt ich noch alle Etiketten von meinen neuen Klamotten ab und recherchierte die Frage, die mir gestern beim Blick in den Spiegel gekommen war: »Kann man mit Gesichtsyoga das Gesicht symmetrisch machen?«

Die Frage konnte ich zwar nicht eindeutig beantworten, aber zumindest habe ich gelernt, dass gewohnheitsmäßige Gesichtsausdrücke wie ein verschmitztes Lächeln, bei dem ein Mundwinkel höher ist als der andere, das Gesicht asymmetrisch machen können. Auch wenn man vorwiegend auf einer Seite schläft oder die Tasche immer auf derselben Schulter trägt. Der Grund, zumindest in meinem Fall, für die leichte Asymmetrie der Nase ist, glaube ich, das unsymmetrische Lächeln, das ich gerne forme, und das Kauen hauptsächlich auf der rechten Seite. Ich versuche, auf beiden Seiten zu kauen und gerade zu lächeln. Auch die Stirnfalten kommen sicher vom ständigen Stirnrunzeln beim Lesen.

Um 13.18 Uhr bin ich in den Bus gestiegen. Eigentlich wollte ich nach Hildesheim. Der Busfahrer schien schlecht gelaunt zu sein. Ich merkte schnell warum. Im Bus war ständig ein hoher Pfeifton. Der hat mir so in den Ohren geschmerzt, dass ich einfach in Harsum ausgestiegen bin, um dort auf den Zug zu warten. Dabei ist es völlig egal, ob ich in Harsum oder in Hildesheim in den Zug steige. Solange ich meinen Laptop dabei habe, kann ich von überall arbeiten.

Es wäre nicht so sinnvoll, ein Auto zu haben, wenn man sein Geld mit dem Laptop verdient. Wenn man das Autofahren als notwendiges Übel empfindet, kann man mit öffentlichen Verkehrsmitteln viel produktiver sein oder mehr qualitative Freizeit haben (z.B. beim Warten ein Buch lesen oder meditieren).

Zuerst gehe ich in die Bibliothek und flexe mit meiner neuen Trinkflasche, meinem pechschwarzen Merino-Longsleeve (nicht so ausgebleicht wie mein Baumwollpulli aus der Waschmaschinenzeit) und meinem schwarzen Laptop. Früher war ich nur in der Kleidung »all black«. Jetzt bin ich auch technisch »all black«.

Vorher habe ich noch einen Kaffee in der HanoMacke getrunken und einen langen Blick mit einem Lächeln von einer großen blonden Studentin bekommen, die an mir in der HanoMacke nach draußen vorbeigelaufen ist. So sieht ein Lächeln aus, wenn es »so« gemeint ist, dachte ich an die Studentin mit der blauen Hose von damals.

Ich war nur bis 16 Uhr dort. Als ich die Bibliothek verließ, fiel mir eine brünette Studentin auf, die ganz in Schwarz gekleidet war. Sie gefiel mir auf den ersten Blick. Ich ging in ihre Richtung zur Bushaltestelle. Ich wollte an ihr vorbeigehen, weil ich es mir anders überlegt hatte, aber dann hat sie mich angeschaut und mich angelächelt.

»Hey, gehst du nach Hause?«, habe ich sie angesprochen.

»Ja, genau, und du?«

»Ich auch. Ich bin auf dich aufmerksam geworden wegen deinem Style. Du bist auch ganz in Schwarz wie ich.«

Dann habe ich bemerkt, dass sich unter ihrer schwarzen Jacke ein grüner Pullover verbirgt, »aber deine inneren Werte sind gar nicht so schwarz«, habe ich gesagt und mit dem Kopf auf ihren Pullover gezeigt.

Sie lachte.

Beim Warten auf den Bus kamen wir ins Gespräch. Sie heißt Hanna, hat Politikwissenschaft studiert und ist jetzt auf Jura umgestiegen. Leider ist sie vergeben und lebt mit ihrem Freund zusammen. Er hat sie damals auch so angesprochen, wie ich sie angesprochen habe. Als der Bus kam, ist sie in den Bus gestiegen und ich bin weiter Richtung Innenstadt gelaufen.

Am Kröpcke bildete sich eine große Menschenmenge um einen jungen Mann, der ein Lied über Jesus sang, und vor ihm tanzten junge Frauen mit bunten Tüchern. Sie tanzten manchmal so wie ich es im Club tue. Dann stellte sich eine Frau mit einem Mikrofon in die Mitte der Runde und erzählte ihre Geschichte von ihrem Sodbrennen. Die Ärzte sagten, sie habe nichts. Mit ihrem Körper sei alles in Ordnung. Sie war verzweifelt. Aber dann hat sie zu Gott gebetet und ein paar Tage später hatte sie keine Sodbrennen mehr. Irgendwie erinnerte mich diese Geschichte an meine eigene. Dann sang der junge Mann wieder.

Ich stand etwas abseits, schaute mich nach möglichen Traumfrauen um, fand nichts, schloss die Augen und genoss einfach die Musik.

Jemand berührte mich an der Schulter.

»Weißt du, wer Jesus ist?«, beugte sich ein größerer Mann zu mir hinunter, etwa Mitte fünfzig, und fragte mich.

Ich hob meinen Kopf zu ihm. »Natürlich, wer kennt Jesus nicht?«

»Oh, ich habe schon viele Menschen getroffen, die Jesus nicht kannten«, antwortete der Mann.

Er schien gut gelaunt zu sein. Er erzählte mir von Jesus, dass er auferstanden ist und dass wir Gottes Kinder sind. Ich hörte ihm aufmerksam zu und stellte hin und wieder Fragen, zum Beispiel nach dem Unterschied zwischen Seele und Geist. Der Mann, der sich später als Malte vorstellte und aus Holland gekommen war, versuchte mir das zu erklären. Ich habe es nicht ganz verstanden.

Es ging darum, Jesus anzunehmen und Sohn Gottes zu werden, denn die Taufe als Kind war nicht freiwillig.

»Alexander, nimmst du Jesus an?«

»Natürlich, Malte, ich nehme jeden Menschen an, auch Jesus.«

Er erzählte weiter, wie er sich verändert hatte, nachdem er Jesus als seinen Vater angenommen hatte.

»Willst du Gottes Sohn werden, Alexander?«, fragte er mich zum Schluss.

Ich habe ohne zu zögern geantwortet: »Klar, warum nicht. Es kann doch nicht schaden.«

Es lachte. »Genau, es schadet nicht.«

Er legte seine Hand wieder auf meine Schulter, hob seinen Kopf in den wolkenverhangenen Himmel und sprach mit geschlossenen Augen zu Gott. Seine kurzen blonden Haare wehten im starken Wind. Ich blickte ihn kurz an und schloss dann ebenfalls die Augen.

»Vater, ich danke dir, dass du mir Alexander geschickt hast«, sagte er am Ende seiner Rede.

Sein Gespräch mit Gott tröstete mich, berührte mich sogar. Dabei musste ich seine Worte wiederholen.

»Alexander, ich gratuliere dir, von nun an bist du ein Sohn Gottes.«

Ich dankte ihm. Und wir umarmten uns zum Abschied.

Ich schlenderte durch das Steintor in Richtung Universität. Hier ist etwas Merkwürdiges passiert. Ich gehe die Allee entlang. Schaue in den Himmel und flüstere ganz leise »Ich bin jetzt Sohn Gottes«. Ein Windstoß bläst mich leicht zur Seite. Ich wiederholte den Satz: »Ich bin Sohn Gottes«. Es kam ein noch stärkerer Wind, so stark, dass ich ein paar Schritte zur Seite gehen musste, weil ich einfach weggeblasen wurde. Ein paar Meter vor mir fiel ein kleiner Junge um und fing an zu weinen. Eine Plastiktüte flog über mich hinweg. Ein paar Schritte weiter flog ein Schwarm Tauben in die Luft. Die Menschen mussten sich ducken, denn die Stadttauben scheinen keine Rücksicht auf Menschen zu nehmen. Diese Situation war irgendwie seltsam. So unnatürlich.

Dann ging ich über den E-Damm nach Hause. Als ich an der Christuskirche ankam, passierte wieder etwas Interessantes. Ich habe nach oben auf die Christuskirche geschaut und wieder geflüstert. »Ich bin jetzt ein Sohn Gottes«. Ich sah, wie die Kirche heller und heller wurde. Die Sonne kam durch ein kleines Loch in den Wolken und beleuchtete die Kirche und dann die ganze Umgebung. Ich musste lächeln. Das kann kein Zufall sein, dachte ich. Irgendwie fühlte es sich gut an, ein Sohn Gottes zu sein. Auf dem Weg habe ich einem Obdachlosen vor dem Lidl 50 Cent gegeben. Irgendwie musste ich das tun als Sohn Gottes.

Ich fühlte mich so gut in dem neuen Langarmshirt. So sexy, weil es enger am Körper anliegt. Und überraschenderweise ist es wärmer als es aussieht. Später auf dem Weg flog mir eine grüne Tüte vor die Füße. Ich hebe sie auf und werfe sie in den Mülleimer, der daneben hängt. Als ich vom Mülleimer zurück auf den Bürgersteig ging, sah ich einen Mann an der Bushaltestelle nebenan, der mich ansah und freundlich anlächelte. Ich lächelte zurück.

Als ich nach Hause kam, war es schon nach 18 Uhr. Obwohl ich jetzt Lust hätte zu essen, habe ich mich zurückgehalten und stattdessen getrunken. Dann habe ich meine neue Unterhose gewaschen, weil sie noch nach neu roch, mein Zimmer gefegt, den Müll rausgebracht und mich dann bei offenem Fenster in mein Zimmer gesetzt, um das Erlebte in mein Tagebuch zu schreiben.

Abends um 21 Uhr. Beim Zähneputzen kam mir die Idee: Zur Bundeswehr gehen? Um die ganzen Survival-Skills zu lernen?

Ich war in der Baggi tanzen. In der Schlange. Ich war der Vater von zwei 17-Jährigen, die mich fragten, ob ich für sie die Mutti-Zettel ausfüllen könnte. Das habe ich gemacht. Leider waren nur Kinder da. »Der Tänzer« wurde ich dort genannt und habe mich durch meine auffälligen Tänze schnell mit vielen im Club angefreundet.

Die Baggi hat sich sehr verändert, nicht nur in der Inneneinrichtung, sondern auch in der Zielgruppe. Es kommen viel mehr 18-Jährige. Oder ich bin einfach älter geworden.

Nach einer Zigarette draußen bin ich enttäuscht ins Dax gegangen. Ich bin enttäuscht, dass ich hier niemanden Interessantes getroffen habe.

Im Dax war es im Gegensatz zum Baggi total voll. Dort habe ich natürlich auch geraucht. Eine Rothaarige, die ich interessant fand, habe ich angesprochen. Aber die kommt nicht, wie die anderen auch nicht. Sie sagen zwar, dass sie es tun werden, aber bisher hat es noch niemand getan.

In der Straßenbahn nach Hause. Ich spreche Luisa in der Straßenbahn an. Sie trägt schwarze, heiße Leggings, hat schöne Augen und kurze, braune Haare. Sie geht allein feiern. Ist aber vergeben. Habe ihr gesagt, dass ich jetzt Gottes Sohn bin und auf der Suche nach der Liebe meines Lebens war. Leider hat der Segen von Malte heute nichts gebracht.


Learnings:
  1. Bei mir ist die Asymmetrie des Gesichts auf eine unterschiedlich ausgeprägte Muskulatur zurückzuführen. Ich sollte mir angewöhnen, auf beiden Seiten zu kauen und geradeaus zu lächeln. Auch die Stirnfalten kann ich reduzieren, wenn ich aufhöre, sie beim Lesen ständig zu formen.
  2. Materieller Besitz kostet nicht nur Geld und Zeit. Er kann auch die Stimmung trüben und zu Konflikten in der Familie führen. Ich bin fest davon überzeugt - Materieller Besitz ist Gift für die schönen immateriellen Werte wie Frieden, Zufriedenheit, Freiheit, Unabhängigkeit.
  3. Ich werde mich für eine Farbe (in meinem Fall: schwarz) nicht nur bei der Kleidung, sondern auch bei allen anderen Dingen wie Besteck, Trinkflasche und Laptop entscheiden.

Upgrades:

  1. Meine neue schwarze Trinkflasche ist 30% leichter, hat 750ml statt 500ml Fassungsvermögen, läuft nicht aus und ist völlig frei von Aufschriften und Logos. Da sie aus Edelstahl ist, kann sie auch zum Wasserkochen verwendet werden.
  2. Ich bin jetzt Gottes Sohn.