Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

30. April 2024: Schlafen auf dem Balkon und die Hellsinne

Schlafen auf dem Balkon in Borsum

30. April 2024. Das Fenster war die ganze Zeit offen. Am frühen Morgen weckte mich das Zwitschern der Vögel. Als ich die Augen öffnete, war mein erster Gedanke: Elisabeth. Ich lag immer noch da und atmete die frische Morgenluft ein. Ich schloss die Augen und fragte: »Was soll ich tun?« »Wollen«, kam die Antwort blitzschnell als innere Stimme. Ich öffnete die Augen und dachte: "Wollen? Ich lag noch eine Weile da und beschloss, Elisabeth eine E-Mail zu schreiben:


»Hallo nochmal an die Vegetarierin meiner Träume, unsere Begegnung hat bei mir einen starken Nachklang hinterlassen. Du gehst mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht hast du deine Meinung so plötzlich geändert, weil du Angst hast, wieder verletzt zu werden. Dein früheres Ich versucht sich unbewusst zu schützen, indem es auf Distanz geht, sobald der Gedanke aufkommt, dass es zu einer festen Beziehung kommen könnte. Jede Begegnung mit Menschen birgt Verletzungen in sich, auch ohne die Absicht, jemanden zu verletzen. Wenn man jedoch einfühlsam miteinander umgeht, regelmäßig über die eigenen Gefühle spricht und immer ehrlich zueinander ist, kann man Verletzungen vermeiden.

Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass du mir als Mensch sehr am Herzen liegst. Und ich wünsche mir sehr, dass du mehr in meiner Lebensgeschichte bist als nur ein kurzer Tagebucheintrag.

Ich werde dich nicht weiter mit Nachrichten vollspammen. Keine Bange. Du kannst jederzeit deine Meinung wieder ändern. Ich werde dich dafür nicht verurteilen. Mein Herz ist offen für dich.

Liebe Grüße,

Sascha, der kein Buchhalter ist«


Ich klappte meinen Laptop zu, atmete tief durch und war bereit für den Tag. Als ich mich auf den Weg zum Campus machte, waren gegen 8 Uhr morgens schon viele Leute unterwegs. Das lag sicher am schönen Wetter. Wie die Natur erwachen auch die Menschen aus ihrem Winterschlaf. Ich kaufte mir ein paar Brötchen, aß sie auf dem Friedhof und gönnte mir danach natürlich noch einen Kaffee auf dem Campus.

Es war so schön. Einfach da zu sitzen und die Sonnenstrahlen zu genießen. Hübsche Frauen gingen an mir vorbei, aber irgendwie interessierten sie mich nicht so wie sonst. Die einzige Frau, die ich wollte, war Elisabeth. Ich schloss die Augen und dachte: »Egal, wie Elisabeth sich entscheidet, ich liebe sie bedingungslos. Ich wünsche ihr ein glückliches Leben und dass all ihre seelischen Wunden heilen«.

»Was, wenn sie sich für mich entscheidet? Was, wenn wir füreinander bestimmt sind?«, fragte mich die innere Stimme.

Ich hielt kurz inne und antwortete innerlich: »Dann werde ich alle Zweifel beiseite schieben und mich ihr zu 100 Prozent widmen«.

»Willst du das wirklich?«

Eine kurze Stille in meinem Kopf. Ich sah nur das Spiel des Sonnenlichts hinter meinen geschlossenen Lidern.

»Ja, ich will.«

Ich öffne die Augen, trinke den letzten Schluck Kaffee, bringe die Tasse zurück und gehe mit einem Lächeln im Gesicht in die Bibliothek.

Um halb zwölf mache ich die nächste Pause. Das vorbereitete Mittagessen nehme ich auf dem Friedhof ein, an meinem inzwischen liebgewonnenen Grab. Es hat eine hohe Stufe, auf der man sitzen kann, und im Vergleich zu den anderen Gräbern und Bänken liegt das Grab die meiste Zeit in der Sonne. Danach gab es Kaffee auf dem bereits überfüllten Campus. Es war so heiß, dass ich meine Socken und Schuhe ausziehen musste. Mal sehen, vielleicht gehe ich in den nächsten Tagen gleich barfuß und nehme die Schuhe nur zur Sicherheit am Rucksack mit.

In der Pause habe ich in meinem neuen Buch »Handbuch der Übersinnlichkeit« von Mystic Michaela gelesen. Alles ist Energie (dem stimme ich als Physiker zu, \(E = mc^2\)). Ich habe gelernt, dass Übersinnlichkeit die Fähigkeit ist, die Welt um mich herum auf einer sogenannten energetischen Ebene wahrzunehmen.

Es gibt sechs Hellsinne: Hellsehen, Hellhören, Hellriechen, Hellfühlen, Hellschmecken und Hellwissen. Sie können sich tatsächlich physisch manifestieren oder eine mentale Illusion des physischen Fühlens, Sehens, Hörens, Riechens und Schmeckens erzeugen. Seine psychischen Kräfte zu stärken bedeutet, die Botschaften dieser Hellsinne von den gewöhnlichen Gedanken (Die Stimme des Egos, kreativee Stimme) zu unterscheiden. Die Stimme des Egos ist laut, die kreative Stimme ist chaotisch und auch laut. Aber beide sind langsamer als die außersinnlichen Botschaften. Deshalb kommen sie zeitlich später hevor. Die übersinnlichen Botschaften werden mir durch den »Geist« übermittelt. Der Geist ist meine persönliche Stimme, die mir die übersinnlichen Botschaften (Botschaften des Göttlichen) übermittelt.

Das Ganze erinnert mich ein wenig an die Gespräche mit Gott, von denen die Gläubigen sprechen und die ich auch zu praktizieren versuche.

Wer spricht durch den Geist zu mir? Das können Geistführer sein, Engel, Menschen aus dem Jenseits oder mein höheres Selbst. »Vielleicht sogar Gott selbst«, frage ich mich. Die Erde ist ein Klassenzimmer für spirituelles Heilen und Lernen. Das höhere Selbst ist meine wahre Persönlichkeit, die sich zwischen dem Diesseits und dem Jenseits befindet und die Persönlichkeit meiner Seele darstellt.

Das klingt alles sehr esoterisch für mich, aber ich bleibe offen dafür, denn ich weiß, wenn ich mich dem verschließe, werde ich diese übernatürlichen Fähigkeiten sicher nicht entfalten.

Um 15:30 Uhr sollten wir in der WG eine Besprechung über unser zukünftiges Leben haben. Also bin ich um halb zwei nach Hause gegangen. Unten in der Bibliothek lief mir die große Julia über den Weg. Als sie mich sah, lächelte sie mich begeistert an, rief »Hi« und winkte. Ich erwiderte ihre Begrüßung.

Auf dem Nachhauseweg kam aus der Seitenstraße eine Blondine in engen Leggings und wackelte mit dem Hintern direkt vor mir. Manchmal schaute sie zurück, wahrscheinlich an mir vorbei. In diesem Moment merke ich wieder, wie schwer es mir fällt, meine Triebe im Zaum zu halten. Wie soll ich diesem heißen Hintern widerstehen? Ich fange an zu zweifeln, ob ich jemals in der Lage sein werde, nur einer Frau meine Liebe zu schenken. Vielleicht fällt es mir aber auch nur deshalb schwer, meine Triebe unter Kontrolle zu halten, weil ich körperlich und emotional nicht »satt« bin. Vielleicht verschwindet dieser starke Trieb, wenn eine Frau in mein Leben tritt, die mich »satt« macht. Ich glaube, die bessere Lösung wäre, die Sättigung nicht von äußeren Faktoren abhängig zu machen, sondern von innen satt zu werden.

Wir haben das Treffen auf 17 Uhr verschoben. Als Lara, die Psychotherapeutin, mich fragte, wie ich mich fühle, weil sie spürte, dass es mir nicht gut ging, habe ich alles erzählt. Thomas und Lara empfahlen mir eine Verhaltenstherapie. Thomas hat sie gemacht und es war die beste Entscheidung, denn sie hilft wirklich sehr und vor allem löst man die psychischen Probleme viel schneller. Es war befreiend, den Ballast abzuwerfen. Aber danach, als ich nach Borsum gefahren bin, hatte ich Bauchschmerzen und ich habe gespürt, wie mich das Gespräch emotional erschöpft hat. Was mich auch sehr überrascht hat, war, wie Lina Thomas angeschaut hat, wenn er gesprochen hat. So schaut man doch nur, wenn man verliebt ist. Aber Thomas ist doch vergeben, oder?

Die Bauchschmerzen hatten sich zum Glück etwas gelegt, als ich am Bahnhof ankam. Ich wartete noch eine Weile auf den Zug, schaute in die Sonne, irgendwie apathisch, aber anscheinend auch anziehend. Ein älterer Mann mit Bart kam vorbei und begrüßte mich mit einem Händedruck und einem Lächeln. Ein anderer Mann bot mir eine Zigarette an, die ich annahm, und erzählte mir einfach von seiner Shizophrenie und seinen vier verschiedenen Persönlichkeiten und was das mit ihm macht, körperlich und emotional. Auch im Zug hat sich ein junger Mann zu mir auf den Vierersitz gesetzt, obwohl der Vierersitz links völlig frei war.

Es war seltsam, wie das tiefe Gespräch mit meinen Mitbewohnern mir ein unsichtbares Schild »Ich bin ein Seelsorger« gegeben hat, oder zumindest meine Anziehungskraft erhöht hat. Denn ich hatte keine andere Erklärung dafür, warum ich eine solche Anziehungskraft auf den Menschen ausübte, mich anzusprechen und mir seine intimsten Dinge zu erzählen.

In Borsum angekommen, war Mama in Ordnung, aber man merkte unbewusst, dass sie wieder irgendwelche Konflikte mit Julien hatte. Wir haben darüber gesprochen und ich habe versucht, ein Psychotherapeut zu sein. Das hat leider nicht so geklappt, weil meine Mutter anscheinend andere psychische Probleme hat als ich und ich ihr mangels Erfahrung nicht wirklich aus dem Teufelskreis heraushelfen konnte. Aber in einer Sache habe ich ihr hoffentlich ein bisschen die Augen geöffnet: Bei emotionalen Triggern, die sie auch sehr oft mit Julien erlebt, auf ihre Gefühle zu achten und zu versuchen herauszufinden, was sie einem sagen könnten. Sich zu fragen, warum man so emotional reagiert hat.

Heute habe ich zum ersten Mal auf dem Balkon geschlafen. Trotz eines anderen Balkons über mir, der den Himmel teilweise verdeckte, konnte ich rechts vor mir die Sterne beobachten. Es war auch etwas hart mit dem Kopf direkt auf dem Holzboden im Schlafsack zu liegen, deshalb habe ich noch ein Kissen dazu gelegt. So konnte ich gut schlafen. Die Temperatur im Schlafsack war diesmal genau richtig.

Vor dem Einschlafen habe ich an Elisabeth gedacht. Ich stellte mir vor: Elisabeth hat einem Treffen zugestimmt. Wir trafen uns auf der Treppe zur Oper. Als wir uns sahen, gingen wir aufeinander zu, ohne auch nur eine Sekunde den Blick voneinander abzuwenden. Als wir voreinander standen, schauten wir uns noch einmal tief in die Augen, fielen uns in die Arme und umarmten uns, so fest wir konnten. »Wir lassen uns nicht mehr los«, sagte sie. Ich stellte mir das immer wieder vor, bis ich schließlich einschlief.