WIEDERGEBURT .
.
.
LEBEN:
Mama weiß jetzt vom Ende meiner Beziehung. Keine Pflegeprodukte mehr.
24. Dezember 2022. Um halb drei nahm ich den Zug nach Borsum. Davor war ich bei Backfactory und trank einen Cappuccino mit einer Frischkäse-Brezel, während ich eine kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Noah Harari las. Das Buch hatte mir Jule ausgeliehen, als ich sie beim Karatekurs traf.
Während der Zugfahrt überlegte ich bereits, was ich als nächstes ausmisten könnte. Auf der digitalen Ebene schien alles erledigt zu sein, daher wollte ich mich nach dem Heiligabend meinem materiellen Besitz widmen.
In Harsum holte mich meine Mama ab.
»Hallo, Sasch«, begrüßte sie mich, als ich die Autotür öffnete.
»Hallo, Mutti. Das ist ja ein großer Einkauf«, bemerkte ich und stieg auf den Rücksitz, wo ich einen vollen Einkaufskorb vorfand.
»Ich mache heute Olivier«, erklärte Mama ihren umfangreichen Einkauf mit einem russischen Salat.
»Julien ist heute auch da«.
Julien war ein neuer Freund meiner Mutter, den ich bisher erst einmal getroffen hatte. Er war vier Jahre jünger als ich und arbeitete als Schornsteinfeger.
»Oh, okay. Sind Mascha und Tobi auch heute da?«, fragte ich.
»Nein, die beiden sind bei Rita und Thomas«, antwortete sie.
»Wie läuft die Uni?«, erkundigte sie sich.
»Gut, ich komme zwar mit meiner Masterarbeit langsam voran, aber ich mache Fortschritte«, erzählte ich. »Im Moment beschäftige ich mich eher viel mit dem Thema Minimalismus«, fügte ich hinzu.
»Minimalismus? Aber du hast deine Möbel noch, oder?«, scherzte Mama.
»Natürlich. So radikal bin ich nicht«, lachte ich.
Als wir in Borsum ankamen, nahm ich den vollen, schweren Einkaufskorb von der Rückbank mit in die Wohnung. Julien öffnete die Tür.
»Hallo, Alex«, sagte Julien und reichte mir seine Hand.
»Hi Julien«, erwiderte ich und schüttelte seine Hand. Er war ein ruhiger Typ, etwas größer als ich, blond und blauäugig.
»Na, warst du wieder feiern?« fragte er mich grinsend.
»Nein, die Mädels können warten«, antwortete ich scherzhaft, »Ich beschäftige mich gerade mit anderen Dingen.«, führte ich fort.
In dem Moment vibrierte mein Handy. Obwohl ich dachte, dass ich alle Benachrichtigungen ausgestellt hatte, bemerkte ich, dass ich die WhatsApp-Benachrichtigungen vergessen hatte. Es war eine Nachricht von Jule: »Hallo Sascha. Ich wünsche dir einen schönen Heiligabend mit deiner Familie.« Ich antwortete kurz und schaltete dann die WhatsApp-Benachrichtigungen aus.
»Hallo Lauri«, sagte ich und öffnete die Tür zu meinem alten Zimmer, wo meine Schwester gerade am Schminktisch saß und sich auf die Technoveranstaltung in »Weltspiele« vorbereitete.
»Hallöle«, antwortete sie, während sie Mascara auftrug.
»Gehst du wieder auf eine Rave-Party?« vermutete ich, denn meine Schwester schien in einem Alter angekommen zu sein, in dem Feiern und Kiffen wohl heutzutage sehr beliebt war.
»Nein, diesmal nicht. Ich fahre zu Papa. Wir wollen Kekse backen«, antwortete sie und blickte auf das vibrierende Handy auf dem Tisch.
»Ach so, okay«, antwortete ich und schloss die Tür wieder.
Julien saß mittlerweile auf dem Sofa im Wohnzimmer und schaute Fernsehen. Meine Mama war in der Küche beschäftigt.
»Mama?«, sagte ich, während sie vegetarische Wurst für Olivier schnitt.
»Ja?«
»Ich muss dir etwas sagen.«
»Ich höre zu.«
»Jule und ich sind nicht mehr zusammen«, sagte ich vorsichtig und erwartete eine heftige Reaktion meiner Mutter.
Sie hörte auf zu schneiden und starrte mich mit einem Grinsen an.
»Sasch!«, rief sie aus, als ob sie glaubte, ich würde einen Scherz machen.
»Es ist wirklich wahr! Wir sind nicht mehr zusammen«, erklärte ich ernsthaft. Ihr Grinsen verschwand wieder.
»Ich habe es dir doch gesagt. Mara hat alles ruiniert«, drehte sie sich wieder zur Wurstschneiderei um und war offensichtlich verärgert.
»Nein, Mama! Es lag nicht nur an Mara. Ich kann dir die ganze Geschichte später am Tisch erzählen«, versuchte ich zu erklären.
»Es ist so schade! Du hättest sie festhalten sollen. So ein Mädchen wie Jule findest du nirgendwo!«
»Es ist vorbei, Mam. Ich denke nicht, dass wir jemals wieder zusammenkommen werden. Außerdem fühle ich mich als Single viel besser«, erwiderte ich.
»Behalte zumindest den Kontakt zu ihr. Vielleicht braucht ihr einfach eine Pause voneinander«, schlug sie vor.
Später setzte ich mich zu Julien und schaute mit ihm "Kevin Allein zu Haus". Mama deckte den Esstisch, der mittlerweile in ihrem ehemaligen Schlafzimmer stand. Lauri fuhr weg und wir blieben zu dritt.
Während des Essens und des Glühweintrinkens erzählte ich die ganze Geschichte zwischen Jule und mir. Ich war überrascht von der Reaktion meiner Mutter. Ich dachte, ich kannte sie so gut, dass ich ihre Reaktion vorhersagen könnte, aber ich lag völlig falsch. Sie reagierte gelassen und verständnisvoll.
Nach dem Essen, am Nachmittag, brachte mich Julien zum Bahnhof in Harsum, und ich machte mich auf den Heimweg. Während der Fahrt notierte ich bereits viele neue Ideen zum Thema Minimalismus, die ich als nächstes umsetzen wollte.
Eine Idee setzte ich sofort um, als ich bei Rossmann war. Ich kaufte mir ein 2-in-1-Duschgel, mit dem ich sowohl meinen Körper als auch meine Haare waschen konnte. Dadurch benötigte ich keine separaten Produkte mehr für den Körper und die Haare und konnte somit immer einen Plastikbehälter einsparen.
Die radikalste Idee war es, auf meine Creme zu verzichten. Nach dem Duschen hatte ich stets mit trockenen Händen und trockenem Gesicht zu kämpfen und musste sie regelmäßig eincremen, um das unangenehme Spannungsgefühl loszuwerden. Als ich nach Erfahrungen von Menschen suchte, die auf das Eincremen verzichteten, berichteten viele davon, dass sie bereits nach einigen Monaten ihre Abhängigkeit von der Creme, also den Zwang, sich bei trockener Haut eincremen zu müssen, überwunden hatten.
Entschlossen startete ich also ein Experiment und verzichtete einen Monat lang komplett auf das Eincremen. Zu Beginn habe ich meine Hände und mein Gesicht mit Wasser befeuchtet, um das Spannungsgefühl zu mildern.
Schon nach einem Monat werde ich nicht nur den Drang zum Eincremen losgeworden sein, sondern meine Hände werden sich nach dem Duschen auch nicht mehr trocken anfühlen. Ich ließ die Creme nun dauerhaft weg.
Am Abend ging ich in den neu umgebauten Dax-Club. Ich wurde von mehreren Menschen angesprochen, auch von einigen Mädchen, die mich zum Tanzen aufforderten. Doch ich wollte nicht, weil ich bereits erschöpft vom Tanzen war. Ich könnte eigentlich noch tanzen, aber ich traute mich irgendwie nicht auf sie zuzugehen. Eigentlich wünschte ich mir, heute jemanden kennenzulernen.
Marcel, ein Maschinenbau-Student, sprach mich an und fragte, ob ich etwas genommen hätte und, dass ich schlau aussehe. Wie ein Physiker. Seine Vermutung war richtig - also das mit dem Physiker. Wir unterhielten uns kurz, und ich gab ihm meine Visitenkarte. Er schlug vor, sie lieber seiner Freundin zu geben. Ich zögerte, aber er sagte, ich solle ihr sagen, dass Marcel sie mir übergeben hätte. Also tat ich es, und es funktionierte.
Danach laberte mich Marcel weiter voll. Er erzählte mir von seinem Studium, aber ich hörte nicht richtig zu, weil es laut war. Ich nickte nur. Eigentlich wollte ich weitertanzen, besonders als das Lied »Ferrari« kam. Danach war ich wieder voller Energie, obwohl ich zuvor kurz einen Durchhänger hatte, als das Ende der Nacht näher rückte und die beiden Mädchen bereits weg waren.
Auf dem Podest riefen mich andere Mädchen zu sich, aber ich winkte aus der Ferne ab. Warum habe ich die Chance nicht genutzt? Die Möglichkeit war da, aber ich war zu feige. Ich fragte stattdessen nach Zigaretten mittels meiner Schnorrer-Methode.
Dann ging ich auf das Podest und tanzte richtig ausgelassen, weil ich mich darüber freute, vielleicht eine hübsche Frau kennenzulernen, der ich meine Visitenkarte übergeben hatte. Sie war blond und genau mein Typ. Sie schien auf den ersten Blick nicht oberflächlich zu sein. Als ich nach Hause ging, freute ich mich darauf, dieses Mädchen kennenzulernen. Aber natürlich müsste sie mich anschreiben.
Learning: Von meiner Mutter habe ich gelernt, nicht auf den Altersunterschied zwischen mir und meinen Freunden oder meiner Partnerin zu achten, sondern darauf, ob wir gut zueinander passen oder nicht.Von meiner Mutter habe ich gelernt, nicht auf den Altersunterschied zwischen mir und meinen Freunden oder meiner Partnerin zu achten, sondern darauf, ob wir gut zueinander passen oder nicht.
Mikroveränderungen:
- Ich benutze keine Pflegeprodukte (z.B. Creme, Öle, Masken und so weiter). Ganz nebenbei vermeide ich Plastikmüll, spare Geld und eliminiere meine starke Abhängigkeit (das Eincremen).
- Ich habe mein Duschgel und Shampoo durch ein 2-in-1-Duschgel ersetzt, mit dem ich sowohl meinen Körper als auch meine Haare waschen kann. Dadurch vermeide ich einen Plastikbehälter.