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WIEDERGEBURT .
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LEBEN:

Frauen kontextabhängig ansprechen. Juliane und die drei positiven Dinge.

23. Juni 2023. Am Vormittag hatte es die ganze Zeit geregnet. Gestern gab es eine Überschwemmung im Keller von Tobis Eltern. Und wenn man auf dem Dachboden des Hauses war, wo Mama wohnte, konnte man den Himmel sehen, ohne durch das Fenster zu schauen. Die Dachpfannen auf dem Haus wurden vom Wind runter geweht. Ich sah solche Fälle zwar in den Nachrichten, aber es war mir nie bewusst, dass der Sturm und die Überschwemmung auch meine Bekannte treffen könnte.

Ich saß in der Mensa und genoss mein Thai-Curry mit Salat. Plötzlich kam eine blonde Studentin auf mich zu. ich dachte sie würde mich ansprechen, doch sie blieb an meinem Tisch stehen, obwohl die ganze Mensa fast leer war. Sie stellte sich leicht seitlich zu mir gedreht. Sie tippte etwas auf ihrem Handy und schaute mich dann ohne zu lächeln an. Ich erwiderte ihren Blick. Dann tippte sie weiter. Unter ihrem Arm hielt sie ein weißes Buch, dessen Titel ich aufgrund ihres Arms nicht lesen konnte.

Anschließend ging sie zur Theke, wo vegane Gerichte ausgegeben wurden. Durch die durchsichtige Vitrine konnte ich sehen, was sie auswählte. Als sie ihr Essen bekam, stand sie mit dem Rücken zu mir, und ich konnte ihren Rücken bewundern: »Meine Güte, was für ein geiler Rücken!«, dachte ich mir. Sie gefiel mir. Leider setzte sie sich viel weiter weg von mir, als ich vermutet hatte. Zuerst schien es, als ob sie an mir interessiert war, aber die Wahl ihres Sitzplatzes ließ mich daran zweifeln.

Während ich die letzten Löffel Reis in mich hineinschaufelte und über diese eigenartige Studentin nachdachte, betraten zwei brünette Mädels den Raum. Ich sah sie regelmäßig in der zweiten Etage, da sie oft an meinem Tisch vorbeiliefen und Freunde der Cappy-Studentin waren, die ich damals in der Bibliothek angesrpochen und die sich nie bei mir gemeldet hatte. Die größere der beiden stieß einmal »aus Versehen« gegen meinen Tisch und brachte beinahe meine englische Formelsammlung zum Fallen, die hinten am Laptop angelehnt war. Sie holten sich Essen und setzten sich an die gleiche Tischreihe wie die andere Studentin. Das fand ich ebenfalls seltsam, denn fast alle anderen Tische waren frei. Dann bemerkte ich, wie die beiden in meine Richtung schauten. Vielleciht lästerten sie über mich. Aber das war vermutlich nur Einbildung.

Nach dem Essen brachte ich mein Tablett weg und machte mich auf den Weg zur Cafeteria. Als ich am Tisch vorbeikam, entschied ich mich umzukehren. Ich lief an den beiden Mädchen vorbei und sprach die blonde Studentin an, die näher am Fenster saß.

»Hey.«

»Hallo«, erwiderte sie und legte ihren Löffel kurz zur Seite.

Ich lehnte mich am Tisch vor ihr an und beugte mich näher zu ihr.

»Mir sind drei positive Dinge an dir aufgefallen. Erstens: Du hast ein Buch in der Mensa. Das habe ich selten gesehen. Zweitens: Du hast ein veganes Gericht genommen, das lässt mich vermuten, dass du Vegetarierin bist. Das bedeutet, wir haben ähnliche moralische Werte.«

»Stimmt!«, lächelte sie mich begeistert an.

»Und die dritte Sache: Ich finde dich mega süß«, sagte ich und schaute sie an.

»Oh, ich weiß nicht was ich sagen soll. Das ist sehr nett von dir. So ein ausführliches Kompliment habe ich noch nie bekommen«, sagte sie und ihre Augen funkelten vor Freude.

»Hättest du Lust, mit mir einen Kaffee hier in der Cafeteria zu trinken?«

»Mmm. Ja, warum nicht. Ich muss aber dazu sagen, dass ich einen Freund habe. Aber einen Kaffee würde ich schon mit dir trinken.«

»Wie heißt du?«, fragte ich sie.

»Juliane. Und du?«

»Alexander. Ich warte dann in der Cafeteria auf dich!«

»Okay, bis gleich!«

Ich ging dann in die Cafeteria, holte schon mal zwei Tassen Kaffee und zwei Schokokuchen und setzte mich an den Tisch am Fenster. Draußen regnete es stark und drinnen war es sehr gemütlich. Ich war leicht aufgeregt, während ich auf sie wartete. Schließlich kam sie mit einem Lächeln auf mich zu und blieb auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches vor mir stehen.

»Ich habe mir gerade überlegt, doch lieber direkt in die Bibliothek zu gehen. Ich habe noch einiges zu erledigen«, erklärte sie mit einem leicht mitleidigen Gesichtsausdruck.

»Ach, das ist kein Problem. Dann habe ich mehr Kuchen für mich«, erwiderte ich und war wirklich nicht darüber enttäuscht, weil sie sowieso einen Freund hatte. Viel mehr bereitete mir die Sorge, dass ich Bauchschmerzen bekommen würde, nachdem ich die zwei Kuchenstücke verdrücken würde.

»Soooorrryyy«, sagte sie bedauernd und schaute den Schokokuchen auf dem Teller und die Tasse Kaffee, die auf ihrer Tischseite standen.

»Es ist wirklich nicht schlimm. Du kannst ruhig in die Bibliothek gehen.«

»Danke, Alexander.«

»Tschüss, Juliane", winkte ich ihr zu.


Learning: Es ist sehr effektiv, eine Frau kontextabhängig anzusprechen und nicht mit einem Standardspruch. Dazu muss man sie natürlich zuerst beobachten und das Besondere an ihr erkennen, bevor man den ersten Schritt macht und sich auf das Besondere bezieht. Aber danach ist die Chance, keinen Korb zu bekommen, deutlich größer.
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