21. Mai 2024: Zum ersten Mal barfuß im Bus und am Campus. Die erste Göttin barfuß angesprochen.
21. Mai 2024: Zum ersten Mal barfuß im Bus und am Campus. Die erste Göttin barfuß angesprochen.
21. Mai 2024. Ich bin gegen 7 Uhr aufgewacht und bis 8 Uhr im Bett geblieben. Ich denke nicht mehr an Nina und lasse mich nicht mehr davon beeinflussen, dass sie mich ignoriert. Ich hatte leichte, pulsierende Kopfschmerzen hinter dem rechten Ohr. Das liegt sicher daran, dass ich gestern nur einen Kaffee getrunken habe. Ich werde es etwas langsamer angehen, mit der Befreiung vom Koffein. Ab sofort trinke ich nur noch eine Tasse Kaffee am Tag.
Gestern Abend, nach dem Telefonat mit Lena, habe ich schon mit dem Gedanken gespielt, barfuß zum Conti Campus zu gehen. Heute ist es warm, das heißt, der Campus wird voll sein und ich werde meine Komfortzone wieder etwas verlassen. Aber auch der Gedanke an die Busfahrt löst ein leichtes Unbehagen in mir aus. Ich wage es trotzdem.
Nachdem ich mir im Bad die Zähne geputzt, mich gekämmt (immer noch starker Haarausfall) und meine Schuhe in den Rucksack gepackt hatte (für den Fall, dass meinen noch nicht abgehärteten Fußsohlen etwas zustoßen sollte), ging ich barfuß nach draußen. Gleichzeitig habe ich gesehen, dass der Bus gleich kommt, also bin ich mit erhöhtem Tempo zur Haltestelle gejoggt.
An der Haltestelle habe ich gemerkt, dass die Leute beim Einsteigen auf meine Füße geschaut haben. Im Bus setzte ich mich auf den Vierersitz, auf dem mir gegenüber ein Mann saß. Der hat aber nur auf sein Smartphone geschaut. Auch im Bus schauten die Leute, die ein- und ausstiegen. Aber es waren eher neutrale, neugierige Blicke.
Ich stieg an der Christuskirche aus und ging zum Supermarkt. Als ich eintrat, öffnete ich die automatische Schiebetür des Supermarktes mit einer Geste, bei der ich meine Handflächen öffnete und mit der linken Hand über die eine Seite der Schiebetür strich und mit der rechten Hand über die andere Seite. Als würde ich die Türen mit Magie öffnen.
»Die Macht ist stark in dir«, sagte ein südländisch aussehender junger Mann, der hinter mir den Supermarkt betrat.
»Danke, mein Lieber. Möge die Macht auch mit dir sein«, kommentierte ich und ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Ich habe drei Brötchen gekauft. Dann bin ich zum Conti Campus gelaufen. Der war um 9 Uhr noch leer. Ein paar Leute saßen in der Sonne oder an den Tischen unter den Bäumen. Ich habe mir meinen ersten und letzten Kaffee geholt und mich in die Sonne gesetzt. Eine süße Biene setzte sich auf meinen Unterarm, kitzelte mich kurz und flog wieder weg.
Ich habe mich unter die Bäume gesetzt und mein Tagebuch weitergeschrieben. Eine Jurastudentin hat sich zu mir an den Tisch gesetzt. Als ich auf die Toilette musste, hat sie auf meine Sachen aufgepasst. Auf der Toilette ist mir aufgefallen, wie leise man barfuß ist. Ich bin fast lautlos, wie ein Ninja.
Die Jurastudentin ging und gleich danach kamen zwei Studentinnen und ein Student und haben Gruppenarbeit gemacht.
Gegen 14 Uhr bin ich barfuß in die Innenstadt gelaufen. Mal sehen, ob ich heute noch eine Göttin kennenlerne.
Vor dem Campus spricht mich ein junger Mann im Anzug an, der aussieht wie ein BWL-Student mit reichen Eltern. Er fragte mich nach meiner beruflichen Situation, nach meinen Versicherungen (die ich nicht habe), nach privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Ich habe ihm erzählt, dass ich selbständig bin, aber nicht wirklich arbeite, sondern einfach mein Leben lebe und mit meinem Jahreseinkommen um die 10.000 Euro zufrieden bin. Ich weiß nicht, was er mir damit sagen wollte, aber als ich seine Fragen, ob ich irgendwann eine größere Wohnung oder ein größeres Auto haben wolle, verneinte, ließ er mich gehen.
Unterwegs habe ich mir im Café Mula eine Pfefferminzlimonade gegönnt und bin dann weiter geschlendert. In der Innenstadt stellte ich mich neben die Kröpcke-Uhr und hielt Ausschau nach schönen Göttinnen.
Eine große, schöne Blondine lief an mir vorbei. An ihrem Handgelenk sah ich ein regenbogenfarbenes Band. Äußerlich sah sie ganz normal aus. Aber das Bändchen vermittelte den Eindruck, dass sie modern dachte und wahrscheinlich doch eine interessante Seite in sich trug. Sie blieb direkt hinter mir stehen und schaute auf ihr Handy. Ich ging langsam auf sie zu.
»Hey du, ich habe mich gefragt, ob ich eine Frau, die auf der CSD-Demo war, zu einem Date einladen kann«, fragte ich sie mit einer tiefen, entspannten Stimme.
»Woher weißt du das?«
»Dein Armband«, sagte ich und zeigte auf ihr Handgelenk.
»Das ist nett von dir, aber ich bin nicht interessiert.«
»Warum nicht? Weil ich keine Schuhe trage?«
»Nein, weil ich verlobt bin.«
»Aha. Dann werde ich dich nicht lange aufhalten. Namaste«, sagte ich und verbeugte mich vor ihr.
»Namaste«, erwiderte sie und stand staunend mit offenem Mund da.
Dann bin ich langsam in die Buchhandlung geschlendert. Dort fiel mir das Buch »Jetzt! Die Kraft der Gegenwart« von Eckhart Tolle angezogen. Ich nahm es und las es auf dem roten Sofa, während meine Füße natürlich weiterhin ihre luftige Freiheit genossen.
Beim Durchblättern des Buches habe ich etwas mitgenommen, was ein wichtiger Schritt zur Erleuchtung ist: Die Fähigkeit zu entwickeln, den Geist (Emotionen + unkontrollierte Gedanken) von außen zu beobachten und nicht zu analysieren. Ich merke, dass ich schon auf dem richtigen Weg bin. In letzter Zeit nehme ich immer öfter die Beobachterperspektive von außen ein und schaue mir meine Gedanken und Emotionen von außen an. Neu ist für mich, diese Gedanken nicht zu analysieren oder zu verfolgen, sondern sie einfach sein zu lassen. Das ist verdammt schwer für mich.
Ich war bis 16 Uhr in der Buchhandlung und fand das Buch spannend. Ich werde es bei meinen nächsten Besuchen bei Hugendubel weiterlesen.
Als ich die Buchhandlung verließ, traf ich die Göttin wieder, die ich angesprochen hatte. Im Vorbeigehen verbeugte sie sich vor mir und lächelte mich an. Ich verbeugte mich ebenfalls und lächelte zurück. Diese Verbeugungen, die ich mir angewöhnt habe... aufregend. Dachte ich. Eine interessante und schöne Verwandlung geht in mir vor sich, aber ich weiß noch nicht, wohin sie führt.
Danach bin ich zu meinem Lieblingsdönerladen gegangen und habe eine Falafelrolle gegessen.
Ich fühle mich ganz gut, aber ich merke, dass es mich belastet, keine tiefen Freundschaften zu haben. Freundschaften mit Austausch von Körperwärme, Zärtlichkeit und gegenseitiger Liebe. Ich gebe die Suche nicht auf, aber irgendwie komme ich nicht wirklich weiter. Ich werde kommunikativ besser, meine Menschenkenntnis verbessert sich, die Angst vor Körperkontakt nimmt dank Handlesen ab. Aber die Kontakte mit den schönen Göttinnen halten nicht länger als einen Tag.
Wie wäre es, wenn ich etwas ausprobiere, das mir hilft, aus dieser Einsamkeit herauszukommen? Eine lange Meditation. Ich habe die Geschichte von Buddha gelesen, der innerhalb eines Tages zur Erleuchtung kam, indem er einen ganzen Tag lang meditierte. Was würde mit mir passieren, wenn ich den ganzen Tag meditieren würde? Oder zumindest so lange, wie ich die Meditation aushalte? Ich merke, dass schon eine zehnminütige Meditation ein Feld um mich herum erzeugt, das die Menschen irgendwie anzieht. Sie lächeln mich mehr an und gehen mehr auf mich zu. Was passiert mit diesem Anziehungsfeld, wenn ich nicht 10 Minuten, sondern 1 Stunde, 5 Stunden oder 10 Stunden meditiere? Vielleicht erhöht sich die Anziehungskraft drastisch? Wenn ich dann noch den ganzen Tag faste, nur Wasser trinke und kein einziges Mal an meinen Laptop oder mein Handy gehe, wird dieser Tag wie eine Dopamin-Entgiftung, von der ich damals in einem Buch gelesen habe.
Ich beschloss, nach Borsum zu fahren und es dort zu versuchen. Ich bin mit dem Zug um 17.34 Uhr gefahren. Ich fuhr bis Hildesheim. Ich habe zwanzig Minuten auf den letzten Bus nach Borsum gewartet. Ein paar dunkelhäutige Männer, die auf einer Bank saßen, winkten mir zu und grinsten mich mit breiten weißen Zähnen an. Ich winkte zurück und grinste.
Im Bus nach Borsum merke ich, wie müde meine Füße sind. Ich spüre Muskelgruppen an den Fußsohlen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie da sind. Im Laufe des Tages wurde ich beim Gehen immer sicherer und am Ende des Tages schaute ich gar nicht mehr auf den Boden. Ich fühlte mich so sicher wie mit Schuhen. Die Angst, in ein Glas zu treten, war verschwunden. Das Barfußlaufen in der Stadt ist ein Kinderspiel im Vergleich zu meinem gewohnten Feldweg in Borsum.
In Borsum angekommen, hat es angefangen zu regnen und zu donnern. Ich schaute mir die schmutzigen Füße an. Geht. So schwarz sind sie nicht. Und keine Verletzungen. Im Gegenteil - sie sehen besser aus als wenn ich ganzen Tagen in Schuhen laufe. Die Reste der Blase an der Sohle sind fast verschwunden.
Ich habe meine Füße gewaschen. Der Dreck ging gut ab. Und das Tolle ist: Wenn ich den ganzen Tag mit Schuhen unterwegs gewesen wäre, hätte ich nicht nur meine stinkenden Füße waschen müssen, sondern auch die Schuhe und Socken. Da ich aber heute weder Schuhe noch Socken gebraucht habe, musste ich nur meine Füße waschen. Genial!
Ich bin heute dankbar für:
- Biene, die auf meinem Arm saß und mich kitzelte.
- Jurastudentin, die auf meine Sachen aufgepasst hat als ich auf die Toilette musste.
- Meinen Mut, barfuß über den Conti-Campus zu laufen.
- Meinen Mut, die allererste Göttin barfuß anzusprechen.
- Zum zweiten Mal den ganzen Tag barfuß zu sein.