Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

20. Juni 2024: Umgang mit bipolarer Störung und mein 32. Geburtstag

20. Juni 2024. Heute ist der 13. Tag, an dem ich Stephanie kenne. Ich schlief auf dem Sofa. Um 2.25 Uhr klopfte jemand kurz an die Balkontür. Das hat mich geweckt. Das Licht, das von einer Lichterkette auf dem Balkon auf das Sofa fiel, wurde von einem Schatten unterbrochen. Ich schaute durch das Fenster auf den Balkon und sah Stephanie dort stehen und in die Wohnung schauen. Ich hatte Angst, beim Schlafen beobachtet zu werden und rief die 110 an. Der Polizist sagte mir nur, ich solle die Vorhänge zuziehen.

Gegen 8.30 Uhr klopft es an der Balkontür. Stephanie ist wieder auf den Balkon geklettert und hat mich gefragt, ob ich mit ihr in die Kirche gehen will. Es war kühl draußen, aber sie hatte nur ein Kleid an und war barfuß. Man konnte die Gänsehaut auf ihren Beinen sehen. Sie hat mir einen Blumenstrauß zum Geburtstag gebracht. Ich habe ihr noch einmal gesagt, dass sie nicht hier sein darf, weil meine Mutter die Polizei rufen würde, wenn sie dich auf unserem Balkon sieht. Blumen von Stephanie

Mutter wachte auf, sah die Blumen und sofort eskalierte die Situation. »Du gehst mit ihr hier raus«, sagte sie wütend. »Du beantragst Bürgergeld. Verstanden? Wenn du nicht arbeiten willst...«. Ich saß auf dem Sofa und war schon zu Beginn des Tages überfordert.

Ich bin kurz zur Kirche spaziert und dann zurück. Auf dem Rückweg holte mich Stephanie mit dem Fahrrad ein.

»Na, du Geburtstagskind«, sagte sie und stieg neben mir vom Fahrrad ab.

Ich habe ihr versucht klarzumachen, dass ich sehr überfordert bin. Wenn sie möchte, dass unsere Freundschaft aufrechterhalten bleibt und meine Familie ihr gegenüber wohlgesonnen ist, dann muss sie in die Klinik.

»Du musst eher in die Klinik und dein Blut untersuchen lassen. Ist ja nicht normal, dass du die ganze Zeit nur müde bist und schläfst.«

»Und ich kann mir im Moment keine Beziehung mit dir vorstellen, weil ich nicht damit umgehen kann, dass du bei fremden Männern übernachtest. Aber du hast im Moment keine andere Möglichkeit. Also kannst du nichts dafür.«

»Ich habe bei Marcel auf dem Sofa geschlafen. Ich habe keinen Sex mit ihm.«

Ich wusste nicht, ob ich ihr glauben kann, denn es gibt eindeutig Momente, in denen sie nicht die Wahrheit sagt. Aber ich nehme es ihr nicht übel, denn ich glaube nicht, dass sie absichtlich lügt. Stephanie ist wieder mit dem Fahrrad weggefahren.

Beim Frühstück mit Mama wurde ich wieder bombardiert mit »Such die Wohnung« und Ähnlichem. Julien hat Mama mit Schlampe und anderen Worten beleidigt, deshalb hat sie mit Julien Schluss gemacht. Kein Wunder, dass sie genauso überlastet ist wie ich. Wir sprachen auch über Stephanie. Dabei hörte ich ein Geräusch von der offenen Balkontür.

Ich schaute unter den Balkon.

Stephanie saß dort und grub ein tiefes Loch. Ich sprang vom Balkon zu ihr hinunter, barfuß und mit einem Brötchen in der Hand.

»Möchtest du etwas?«, fragte ich sie und reichte ihr das belegte Brötchen.

»Nein, danke.

Das mag ich nicht«, sagte sie ruhig und schaufelte wieder Erde in die Grube.

Diesmal war sie nicht so gereizt wie beim letzten Mal unter dem Balkon.

»Möchtest du etwas trinken?«

»Nein. Cola habt ihr wahrscheinlich auch nicht.«

»Nein, leider nicht. Was machst du denn hier unter dem Balkon?«, fragte ich sie mitleidig.

»Ich spiele. Wie ein Kind.«

Ich fragte sie, warum sie nicht in die Klinik gehen wolle. Sie sagte, sie habe nichts gegen die Klinik.

»Anscheinend magst du die Freiheit lieber. Deshalb bist du lieber hier und nicht in der Klinik.«

»Ich war dort ein halbes Jahr eingesperrt.«

»Und niemand hat dich dort besucht?«

»Meine Mutter hat mich vor dem Urlaub dort abgegeben und war froh, dass ich weg war.«

»Wünschst du dir keine Familie, die für dich da ist?«

»Nein, so eine Familie wie du, ich will lieber keine Familie«.

»Willst du deinen Geburtstag nicht feiern?«, fragte sie.

»Na ja, ich habe keine Freunde. Aber Dascha und Tobi wollen später vorbeikommen.«

»Wenigstens hast du eine Familie.«

»Gestern, als wir noch zusammen waren...«, sagte sie, »wir sind nicht zusammen«, unterbrach ich sie.

Ich fuhr fort: »Ich weiß, wie wir zusammen sein können, dafür müssen wir in die Klinik.«

»Du musst vor allem mit deinen psychischen Störungen in die Klinik.«, reagierte sie etwas gereizt.

»Wie wär's, wenn wir zusammen in die Klinik gehen?»

»Wollte ich ja, aber dann bist du abgehauen«, sagte sie. »Und hör auf, mich die ganze Zeit zu stalken«, fügte sie hinzu.

»Ich stalke dich? Klettere ich um 2 Uhr nachts auf den Balkon und klopfe an die Balkontür?«

Ein Anruf vom Nagelstudio. Stephanie hat meine Nummer für die Maniküre hinterlassen.

»Ihre Freundin hat einen Termin für eine Maniküre.«

Ich unterbrach die Frau. »Sie ist nicht meine Freundin, ich weiß nicht, warum sie meine Nummer hinterlassen hat.«

Die Frau entschuldigte sich für die Störung und Stephanie kletterte unter dem Balkon hervor und ging weg. Ich kletterte wieder auf den Balkon und sah, wie sie mit irgendeinem Fahrrad in Richtung der Felder davonfuhr. Chillen unnter dem Balkon

Ein weiterer Anruf aus dem Friseursalon.

»Ihre Lebensgefährtin hat um 11 Uhr einen Termin. Wann kommt sie?«

»Oh, sorry, das ist nicht meine Lebensgefährtin. Sie hat eine bipolare Störung und gibt jedem meine Nummer.«

Meine Mutter scheint alles mitbekommen zu haben. »Such die Wohnung, dann ist das Problem gelöst und ich kann endlich mein Leben anfangen«, sagt sie im Wohnzimmer.

»Ich suche schon. Übrigens. Eine Frau aus dem Friseursalon hat angerufen und meine Nummer hinterlassen. Weißt du, wer ich für Stephanie bin? Lebensgefährte.«

»Sie ist eine Frau. Sie will schön sein und du kannst ihr nichts bieten. Such dir einen Job.«

»Mama, kannst du mich wenigstens an meinem Geburtstag nicht so unter Druck setzen?«

Es gab wieder eine Eskalation zwischen uns. »Wir fahren jetzt zum Jobcenter und du stellst einen Antrag auf Bürgergeld.«

»Das kann ich auch online machen.«

»Nein, du kommst jetzt mit und stellst den Antrag vor Ort«.

»Ich gehe spazieren, um mich zu beruhigen. Ich halte es hier nicht aus.«

»Ich warte nicht hier. Ich fahre«, sagte sie und es war mir egal, ob sie ohne mich fuhr oder nicht.

Ich bin zur Kirche gegangen, habe mich auf die vorderste Bank gesetzt und gebetet. »Vater im Himmel. Ich brauche deine Unterstützung. Befreie Stephanie von dem Bösen, schenk ihr Gesundheit, schenk ihr Heilung. Schenk ihr eine Familie und Liebe. Befreie sie von allen Sünden und vergib ihr. Vergib auch mir, Vater« St. Martinus Kirche Borsum 2024

Ich bekam leichte Bauchschmerzen. Ich habe auf dem Balkon auf Stephanie gewartet und in der Kirche das Büchlein über die Liebe Jesu zu mir gelesen. Ich bin nicht fähig, Stephanies Bedürfnisse wahrzunehmen. Ich habe nach Tipps gesucht, wie ich Stephanie besser verstehen kann. Das habe ich gelernt:

  • Stephanie IST nicht bipolar, sie HAT eine bipolare Störung. Ich sollte also in erster Linie den Menschen sehen und erst in zweiter Linie die Krankheit.
  • Bipolare Störung ist eine ernste, lebensbedrohliche Krankheit. Stephanie hat sich diese Krankheit nicht ausgesucht. Sie kann nicht sagen, ich habe das und das getan oder gesagt, weil ich bipolar bin. Sie kann in der Manie ihre Handlungen nicht mit der Krankheit in Verbindung bringen.
  • Wenn Stephanie wie gestern in einem normalen Zustand ist, sollte ich sie fragen, was ihr hilft, wenn sie wieder manisch wird.
  • Wenn Stephanie mich abstößt, ist das meistens ein Zeichen dafür, dass sie mich am meisten braucht. Hier braucht sie am meisten Verständnis, Geborgenheit und bedingungslose Liebe.
  • Ich muss die bipolare Störung gut kennenlernen. Bücher lesen oder Videos zum Thema anschauen. So kann ich Stephanies Verhalten in der Manie besser verstehen.

Um 16 Uhr war ich bei einer Wohnungsbesichtigung in Hildesheim. Als ich dann mit dem Bus zurück nach Borsum fuhr, sah ich Stephanie vor der Kirche stehen.

»Stephanie?«, rief ich und lief auf sie zu.

Sie hat mich bemerkt. Wir umarmten uns und setzten uns auf eine Bank vor der Kirche. Sie schien nicht in der Hochphase der Manie zu sein. Sie war ruhig und konnte lange mit mir auf der Bank sitzen. Es war auch möglich, sich ernsthaft mit ihr zu unterhalten.

»Und was machst du heute an deinem Geburtstag?«, fragte sie mich.

»Ich weiß nicht. Dascha und Tobi kommen vorbei. Wir essen Kuchen und reden.« Ich umarmte sie und legte meinen Kopf an ihre Schulter. Mein Gesicht zu ihrer Wange gedreht. Ich küsste sie. »Ich wünschte, du könntest dabei sein.«

Nach unserem Gespräch war sie bereit, mich in die Klinik zu begleiten.

Wir gingen kurz in die Kirche, um den Blumenstrauß, den sie gepflückt hatte, und einen Umschlag abzuholen. Als wir die Kirche wieder verlassen wollten, kamen zwei Polizisten auf uns zu.

»Frau Neumann? Haben Sie versucht, den Friedhof unter Wasser zu setzen?«, fragte der Polizist, der schon wegen Stephanie hier im Einsatz war.

»Ich habe mir nur die Hände gewaschen«, antwortete sie schnell. Und ich merkte, wie die extreme Manie wieder einsetzte.

Ihr Redefluss wird schneller, sie manipuliert mit falschen Aussagen und ist mir gegenüber sogar gereizt. Unser Vorhaben, in die Klinik zu fahren, ist nun gescheitert.

Die Polizisten haben sie und mich befragt und dann einen Krankenwagen gerufen, um den Gesundheitszustand von Stephanie zu beurteilen.

»Warum sind Sie schon wieder in Borsum?«, fragte der Polizist.

»Ich besuche meinen Freund zum Geburtstag. Besuchen Sie nicht Ihre Freundin, wenn sie Geburtstag hat?«

»Wir wohnen zusammen«, sagte er, und man merkte, dass Stephanie ihn in Verlegenheit gebracht hatte.

Ich setzte mich neben Stephanie auf eine Bank, während die Polizisten vor uns standen und wir auf den Krankenwagen warteten.

Dann kam er endlich. Ein Mann und zwei Frauen steigen aus dem Dienstwagen aus und kommen auf uns zu. Der Mann stellt sich kurz vor.

»Haben Sie einen Psychiater?«, fragt der Notarzt.

»Nein.«

»Sind Sie psychisch krank?«

Sie antwortete wahrheitsgemäß.

»Nehmen sie regelmäßig Medikamente?«

»Ja, zweimal am Tag.«

Da wurde ich stutzig.

»Ich habe dich noch nie Medikamente nehmen sehen. Du hast mir auch noch nie eine Medikamentenschachtel gezeigt.«

»Wie denn auch, wir sehen uns doch nicht den ganzen Tag«.

Hier begann die Manipulation. Der Notarzt konnte sie nicht mitnehmen, da sie gesund erschien. Die Polizei forderte Stephanie auf, Borsum zu verlassen und riet mir, mir keine Wohnung in Borsum zu suchen, damit Stephanie nicht wiederkommt und die Dorfbewohner verunsichert.

Stephanie ging zum Bahnhof und die Polizisten begleiteten sie. Ich dagegen ging nach Hause. Ich fühlte mich, als hätte ich sie bei der Polizei verraten, indem ich ihre Aussage nicht bestätigte, sondern ihr widersprach.

Dascha und Tobi sind gekommen und wir haben über unsere Konflikte und über Stephanie gesprochen. Dascha konnte meine selbstverschuldete Situation und meine Anhänglichkeit an Stephanie überhaupt nicht verstehen. Trotzdem hat das Gespräch geholfen, die Situation zwischen mir und meiner Mutter kurzzeitig zu verbessern.

Als die beiden wieder weggefahren sind, hat Mamas Handy geklingelt. Die beiden haben Stephanie bei den Rehen des Nachbarn gesehen. Ich habe irgendwie eine Freude gespürt, dass sie es geschafft hat trotzdem in Borsum zu bleiben. Aber mir war bewusst, dass es wahrscheinlich zu weiteren Konflikten führen würde.

Als ich zu Stephanie ging, sah sie aus als wäre sie sauer auf mich. Sie riss Gras ab, um die Rehe hinter der Mauer zu füttern. Als sie bemerkte, dass ich auf sie zuging und sie umarmte, gab sie mir eine Umarmung zurück. Nachdem sie das Gras gefüttert hatte, brach sie die Zweige des Kirschbaumes ab, die auf den Gehweg ragten, pflückte die Kirschen und warf die Zweige mit den Blättern den Rehen hinter die Mauer. Die Rehe waren verrückt nach den Blättern. Es war wie eine Delikatesse für sie. Stephanie war in einer Manie, aber nicht so intensiv, als die Polizei noch da war.

Ich überlegte, wo Stephanie übernachten könnte. Sie meinte, sie könnte bei Marcel oder Marvin übernachten, die sie gestern in der Kneipe kennengelernt hat. Die beiden wohnen auch in Borsum.

»Bei meiner Mutter geht das sowieso nicht«, sagte ich, »und wenn wir zusammen wären, fände ich es nicht gut, wenn meine Freundin bei fremden Männern übernachtet.«

Kurze Pause. »Aber ich nehme es dir nicht übel. Schließlich hast du ja keinen Schlafplatz«, fuhr ich fort.

Ich schlug ihr vor, dass wir gemeinsam draußen im Schlafsack schlafen. Sie war einverstanden. Sie wartete draußen auf mich, als ich reinkam, um den Schlafsack zu holen und es meiner Mutter zu sagen. Sie war überhaupt nicht begeistert. Es gab einen großen, lauten Streit. Sie wollte nicht, dass ich draußen im Schlafsack schlafe. Aber Stephanie durfte auch nicht im Gemeinschaftsgarten schlafen, denn was würden die Nachbarn über meine Mutter denken?

»Dann schläft sie eben auf dem Feld«, schlug ich wütend vor.

»Bist du verrückt? Wenn der Mähdrescher kommt und sie liegt so da...«, phantasierte meine Mutter.

Ich konnte sie nicht mehr ernst nehmen. Ich ging hinaus, um Stephanie den Schlafsack zu geben. Sie war nicht mehr da. Ich habe noch die Yogamatte aus der Garage geholt und dann ist sie wieder im Gemeinschaftsgarten aufgetaucht. Sie ist wie ein Geist. Verschwindet unbemerkt und taucht plötzlich wieder auf. Ich habe ihr die Yogamatte ausgebreitet. Sie hat sich draufgesetzt.

»Autsch. Autsch«, sagte sie und zog ihre rosa Turnschuhe aus.

»Lass mal sehen«, schaute ich auf ihre Zehen. Sie hatte aufgeplatzte Blasen und Wunden an den Zehen.

»Warte hier. Ich hole Antiseptikum und Pflaster«, sagte ich und ging kurz nach Hause, um alles zu holen.

Als ich Stephanie verarztete, kam kam Laura in den Garten und stritt mit mir, dass ich die Bedürfnisse meiner Mutter ignoriere und nur an Stephanie denke.

»Ich kann auch woanders schlafen. Alles in Ordnung, ich gehe«, sagte Stephanie mit ruhiger Stimme, als wäre die Manie plötzlich verschwunden.

Laura ging wieder rein und ich versorgte Stepahnies Zehen weiter. Dann habe ich ihr noch einen schwarzen Tee mit Hafermilch in einem Thermobecher gemacht. Stephanie legte sich kurz auf die Yogamatte und schlief sofort ein. Ich habe ihr einen Kuss auf die Wange gegeben und bin in die Wohnung gegangen.

Die Mutter ist kurz weggegangen, um Wein vom Kiosk zu holen, um sich zu betrinken. Ich saß auf dem Sofa. Ich war emotional leer. Laura kam zu mir ins Wohnzimmer und hat mit mir geredet. Sie überzeugte mich, noch intensiver nach der Wohnung zu suchen. Bald kam die Mutter dazu. Laura beruhigte die Situation.

Ich bin auf dem Sofa eingeschlafen. Ich habe von der Studentin mit der schwarzen Schleife geträumt und wie ich mit ihr Sex hatte.

Um 1 Uhr nachts klingelte es an der Tür. Ich bin aufgewacht mit Herzrasen. Ich bin nicht aufgestanden, um aufzumachen. Es war wahrscheinlich Stephanie. Sie darf nachts nicht klingeln, aber sie hat es trotzdem getan. Ich bin dann irgendwann wieder eingeschlafen.


Ich bin heute dankbar:
  • Für die Blumen zum Geburtstag von Stephanie.
  • Für das Gespräch am Abend mit Laura.
  • Dafür, dass Stephanie zumindest im Schlafsack übernachten konnte.
  • Dafür, dass ich die Kirche besucht und gebetet habe. Es hat mich erleichtert.