Meine weitere Flirt-Stärke ist der Augenkontakt

16. September 2023. Als ich an einem Samstagabend um 20.30 Uhr mit dem Zug nach Harsum fahren wollte, machte ich mich etwas früher auf den Weg und hielt vor dem Schaufenster von Hugendubel. Dort stieß ich auf das Buch »Meditieren für Anfänger«. Beim kurzen Durchblättern fiel mir ein Absatz auf, in dem eine Frau genau die Erfahrung beschrieb, die ich schon immer gemacht hatte: Das Leben im Augenblick fällt mir schwer. Während ich mein Bett machte, dachte ich nicht daran, mein Bett zu machen, sondern war in Gedanken schon bei der nächsten Aufgabe. »Ich möchte unbedingt lernen, im Hier und Jetzt zu leben«, beschloss ich und machte mich auf den Weg zum Zug. »Das würde mir so viele Grübeleien ersparen, die mir den Tag verderben.«

Im Zug saß mir gegenüber auf dem Vierersitz ein brünettes Mädchen mit blauen Augen. Sie trug ein grünes Oberteil, Nike-Schuhe und eine lockere schwarze Jogginghose. Unsere Blicke trafen sich. Ich hielt den Blick fest, und auch sie konnte ihren Blick nicht von meinem abwenden. Mehrere Sekunden lang hingen wir mit unseren Blicken förmlich aneinander. An der nächsten Haltestelle stieg sie aus, und als sie aufstand, sagte sie mit einem leicht traurigen Unterton: »Auf Wiedersehen«. Vielleicht hoffte sie, dass ich den ersten Schritt machen würde. Aber in diesem Moment war ich leider zu feige. Ohne mich allzu sehr mit meiner Feigheit zu beschäftigen, staunte ich stattdessen über die intensive Wirkung des Blickkontakts. Besonders wenn er so lange andauerte wie eben, hatte ich das Gefühl, dass das Vertrauen zwischen mir und dem fremden Mädchen exponentiell wuchs. Ich konnte mir sogar vorstellen, eine Frau allein durch Augenkontakt verführen zu können, ohne je ein Wort gewechselt zu haben.

Dann öffnete ich meinen Laptop und las einen Artikel über Meditation. Er hatte mein Interesse geweckt. Schon beim Lesen des Artikels merkte ich, wie schwer es mir fiel, mich auf eine Sache zu konzentrieren. Ich las den Text, merkte aber, dass immer wieder andere Gedanken auftauchten, die meine Aufmerksamkeit vom Text ablenkten. "Das kann doch nicht wahr sein", wunderte ich mich über die schleichende Ablenkung beim Lesen. Bewusst unterbrach ich diese Gedanken und konzentrierte mich wieder auf den Text, bis der nächste ungebetene Gedanke auftauchte.