WIEDERGEBURT .
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LEBEN:
Wie man seine Chancen auf den Nobelpreis um das 22-fache erhöhen kann und der Versuch Tee in der HanoMacke zu trinken
15. November 2023. Ich habe meine Haare seit einer Woche nicht mehr gewaschen. Sie sehen ein bisschen fettig aus, aber die Rötungen, das Jucken und die Schuppen sind weg. Also nehme ich die fettigen Haare in Kauf. Ich habe sie ordentlich mit einem Kamm gekämmt und es sah aus, als hätte ich Pomade benutzt. Mit meinem schwarzen Outfit sah ich wie ein Badass aus.
Niemand an der Haltestelle. Ein Zeichen, dass der Bus gerade abgefahren ist. Bin zur Kopernikusstraße gelaufen. Quarktasche gekauft (sofort gegessen), Laugenbutterecke und Dinkelbrötchen. Dann in den vierten Stock.
Heute probiere ich mal was Neues aus. Statt Kaffee hole ich mir einen Tee aus der HanoMacke. Das wäre zwar unwirtschaftlich, denn den Tee könnte ich (wie auch den Kaffee) im Supermarkt viel billiger kaufen. Aber es wäre immerhin ein gesundheitlicher Fortschritt, weil ich auf das Koffein und die Zahnverfärbung verzichte, meine beiden Hauptgründe, mit dem Kaffeetrinken aufzuhören.
Ich schaute auf die Preisliste an der Wand. Der Tee kostete 50 Cent, der Filterkaffee auch.
»Welchen Tee habt ihr?«
Der Mann zeigte auf die Liste direkt vor meiner Nase auf dem Tresen. Dieser Tunnelblick war wirklich typisch für mich. Ich entschied mich für Früchtetee.
Es hatte aufgehört zu regnen, also stellte ich mich vor die Wiese, aß zwei Brötchen und trank den Tee nebenbei. Abgesehen von den Teebeuteln, die zu Müll wurden, merkte ich keinen großen Unterschied zwischen Tee und Kaffee. Ich schlürfte den Tee und dachte, dass es nicht der Kaffee an sich ist, der in mir den Wunsch auslöst, in der HanoMacke einen Kaffee zu trinken, sondern die Tatsache, dass ich dann draußen bin und ein warmes Getränk trinke und Leute um mich herum sehe und die Hoffnung, dass Anna oder ein anderes Mädchen, das ich mal angesprochen habe, mich anspricht. Ein weiterer Vorteil des Teetrinkens in der HanoMacke war, dass es viele verschiedene Teesorten gab. Das heißt, ich konnte jeden Tag ein bisschen Abwechslung ins Getränk bringen.
Als ich wieder oben im vierten Stock war, saßen schon drei Studenten an meinem Tisch. Ein Mann mit einer Frau vor mir. Und eine einzelne Frau links von mir, in der Mitte des Tisches. Ich las »Nonkonformisten«, das Buch, das ich mir von Lina ausgeliehen hatte.
Während ich las, merkte ich, dass ich leicht müde wurde und ständig gähnen musste. Am Hinterkopf spürte ich einen leichten, pulsierenden Schmerz. »Oh nein, jetzt bitte keinen Kaffeeentzug«, dachte ich. Ich versuchte den Schmerz zu ignorieren und las weiter.
In dem Buch fand ich einen interessanten Fakt über Nobelpreisträger: Die Chance, den Nobelpreis zu gewinnen, ist im Vergleich zu typischen Wissenschaftlern am höchsten, genau 22-mal höher, wenn der Wissenschaftler ein künstlerisches Hobby hatte, wie Laienschauspiel, Tanz oder Zauberkunst. Ich musste schmunzeln, denn ich tanzte gerne.
Gegen 13 Uhr habe ich in der Mensa meinen Salat (Romanasalat mit Radieschen, Walnüssen und Leinsamenschrot) gegessen. Im vierten Stock neben dem Eingang saß eine blonde Studentin, ganz in Schwarz gekleidet, die mir gestern auf der Treppe begegnet ist und wir haben uns angelächelt.
Nachmittags zu Hause Bohnen gegessen, dann meditative Musik gehört und an Anna gedacht. Dann »A Beautiful Mind« Soundtrack eingeschaltet und in Dauerschleife gehört. Ich erinnerte mich an den Vortrag über Albert Einstein in der Schule, über den Nobelpreis für Physik, den ich bekommen wollte. Wer will ich sein?