WIEDERGEBURT .
.
.
LEBEN:
Nostalgische Gefühle in Linden. Café K. Oberkörperfrei am Feld, Scham überwinden.
14. Juli 2024. Ich habe heute lange geschlafen, fast bis 10:00 Uhr. Während die Brötchen im Backofen waren und meine Mutter duschte, lag ich noch eine Weile im Bett und hörte mir einen Podcast an. Es ging um das Buch „Der Ra-Kontakt: Das Gesetz des Einen“, das mir Lena empfohlen hat.
Scheinbar handelt es davon, dass alles eins ist – nicht nur die Menschen, sondern auch alles Physische. Es gibt sieben Bewusstseinsebenen dieses einen Seins, die man im Laufe der Zeit erreicht. Derzeit befindet sich die Welt in der dritten Bewusstseinsebene, in der die Liebe anfängt zu dominieren und die Gewalt in der Welt abnimmt.
Während ich den Podcast hörte, bin ich kurz eingenickt und wurde schließlich von meiner Mutter geweckt, die sagte, dass die Brötchen fertig sind.
Wir haben zusammen gebruncht und über die Beziehung von Mama und Julien geredet. Die Probleme wiederholen sich immer wieder. Wie das gestrige Problem, dass meine Mutter sofort zu ihm fährt, wenn er ihr schreibt oder eine Sprachnachricht schickt, dass es ihm schlecht geht. Sofort tritt das Helfersyndrom bei ihr auf, und sie fährt zu ihm. Er hat scheinbar ihre Schwäche gefunden und nutzt sie gerne aus. Ob bewusst oder unbewusst, weiß ich nicht. Man merkt meiner Mutter auch an, dass sie neben dem Helfersyndrom auch eine unbewusste Angst hat, in ihrem Alter keinen Partner mehr zu finden. Die Angst vor der Einsamkeit im Alter spielt eine große Rolle.
Nach dem Brunch bin ich dann zum Bus gegangen. Barfuß natürlich. Ich fahre nach Hannover, um meine Post aus der WG abzuholen. Ich gehe entlang der Kirche zum Bus. Wie schön es eigentlich ist, am Sonntag diese Ruhe zu haben. Nur ganz wenige Autos fahren vorbei, man hört nur die Vögel zwitschern und wegen der Sonne und der Wärme auch die Insekten summen.
Ich stehe an der Bushaltestelle und warte auf den Bus. Fünf Minuten sind vergangen, er kommt nicht. Dann schaue ich auf den Busfahrplan an der Haltestelle. Okay, am Sonntag fährt er nicht um diese Uhrzeit. Dann hat mich zum Glück meine Mutter nach Harsum gefahren, damit ich den Zug nach Hannover nehmen kann.
In Hannover habe ich die drei Briefe aus der WG abgeholt. Was mir auf dem Rückweg aufgefallen ist: Hier in der Nähe der WG gibt es so einen asphaltierten, sehr rauen Fußgängerweg. Früher war es sehr unangenehm, barfuß auf diesem rauen Weg zu gehen, aber jetzt merke ich überhaupt nichts mehr. Ich kann leichter darauf gehen, was richtig angenehm ist. Man sieht, meine Füße sind deutlich widerstandsfähiger geworden.
Ich habe eine Runde durch die Stadtmitte gedreht. An dem Blätterbrunnen habe ich meinen nackten Füßen eine Abkühlung gegönnt.
Der Gedanke an Jule gestern, hat mich dazu bewogen nach Linden zu fahren und dort eine Runde zu spazieren.
Ich bin also so wie damals mit der 9 zum schwarzen Bär gefahren. Ich bin dort ausgestiegen, um einfach mal die schönen alten Erinnerungen an die damalige Zeit mit Jule wieder aufleben zu lassen.
Am schwarzen Bär vorbeigegangen, dachte ich mir: Wenn man an den Baustellen fahren lernen will, dann sollte man nach Hannover kommen. Hier sind ja überall Baustellen.
Der Rewe am Schwarzen Bär rief sofort Erinnerungen an die Zeit mit Jule hervor, wie wir hier immer eingekauft haben und dann zusammen gekocht haben. Sogar das indische Restaurant, in dem wir ab und zu gegessen haben, brachte viele Erinnerungen zurück.
Am Eingang in den Von-Alten-Garten ist das Parkverbotschild mit Pfeil, das mir Jule damals versucht hat zu erklären, und ich habe es nicht kapiert. Jetzt, während der Fahrschulzeit, verstehe ich es endlich.
Die Bushaltestelle, an der ich immer auf den Bus zur Uni gewartet habe, und Jule, die ihr Fahrrad rausgeholt und mir zum Abschied gewunken hat – all diese Erinnerungen kommen wieder hoch, wenn ich in dieser Gegend gehe. Dabei frage ich mich, was mein Mädchen so macht. "Mein Mädchen," diesen Spruch fanden wir immer witzig, weil Morgan so Gracia bei Criminal Minds genannt hat.
Auf dem Weg zum Friedhof am Lindener Berg kommt eine Katze unter einem Auto hervor und fängt an, sich an mich zu kuscheln. Sie legte sich vor meinen Füßen hin und wollte gestreichelt werden. Süßes Kätzchen.
Dann war ich noch auf dem Friedhof, auf dem wir sonntags regelmäßig spazieren waren.
Als ich den Friedhof verlasse, beginnt es zu regnen. Die Natur spiegelt wieder einmal mein Gemüt wider. Aber ich bin nicht traurig, sondern eher nostalgisch. Ich fühle mich ausgezeichnet. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit Jule in einer Beziehung sein durfte.
Der Regen wurde stärker und stärker, sodass ich mich entschied, im Café K eine Pause einzulegen, um den Schauer abzuwarten. Ich bestellte mir einen entkoffeinierten Cappuccino mit Hafermilch und einen veganen Brownie. Der Brownie war perfekt – nicht trocken, sondern schön klebrig, genau wie ich es mag. Gegenüber diesem Café war früher das Café Fräulein Schlicht, wo ich mit Jule manchmal gefrühstückt habe. Jetzt gibt es das Café nicht mehr.
Nachdem der Regen nachgelassen hatte, fuhr ich nach Hildesheim, um von dort den Bus nach Borsum zu nehmen.
Ich hatte noch mehr als eine Stunde Zeit bis der Bus fuhr, also entschied ich mich für einen Spaziergang. Ich setzte mich bei MyKoffje hin, bestellte einen entkoffeinierten Cappuccino und ließ die Atmosphäre auf mich wirken. Die rothaarige Göttin, die dort arbeitete, sah sehr süß aus. Neben mir saßen drei Studenten, die angeregt über Rassismus und Rassismusprävention diskutierten, während ich mit geschlossenen Augen in Richtung Sonne blickte und meinen Kaffee schlürfte.
Auch wenn es schön wäre, in einem Café zu zweit zu sitzen, genieße ich es auch, allein zu sein. Ich bin auf niemanden angewiesen und kann selbst entscheiden, wie ich meinen Tag gestalte. Keine Kompromisse, kein Warten – einfach da sitzen, die Ruhe und die Sonne genießen und mein Getränk trinken. Aber jetzt, in diesem Moment, wäre es trotzdem schön, den Kopf auf den Schoß eines lieben Menschen legen zu können.
Auch wenn ich heute den ganzen Tag auf den Füßen war, wollte ich nach der Busfahrt nicht direkt nach Hause. Ich bin also noch einmal am Feldweg in Borsum spazieren gegangen. Ich habe die kurzen Ärmel meines T-Shirts hochgekrempelt, sodass man meine behaarten Schultern sehen konnte, und damit meine verletzliche Seite offenbart.
Eine Familie mit Fahrrädern ist an mir vorbeigefahren. Es fühlte sich komisch an, meine Schultern zu zeigen, aber ich habe es überstanden. Niemand hat mich ausgelacht. Ich habe zwar auch mit dem Gedanken gespielt, komplett ohne T-Shirt, also oberkörperfrei, rauszugehen, um wie es vorgesehen ist, Vitamin D zu tanken und nicht nur an den Armen, sondern auch an den Schultern und dem Oberkörper etwas brauner zu werden. Aber das traue ich mich noch nicht.
Doch dann, als ich auf dem Feld war und mich umgeschaut habe und niemand weit und breit da war, habe ich das T-Shirt doch ausgezogen. Es war ein komisches, aber zugleich befreiendes Gefühl, so nackt am Körper zu sein. Es war luftig, und ich konnte die Windbrise sowie die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Rücken spüren. Es fühlte sich richtig schön an.
Auf dem Feldweg habe ich eine Plastikverpackung von einem Nussfruchtmix gefunden, die ich natürlich mitgenommen habe, um sie zu Hause im Müll zu entsorgen.
Während ich am Feldweg entlangging, dachte ich darüber nach, was für einen großen Fortschritt ich gemacht habe. Wie normal es sich mittlerweile anfühlt, barfuß überall herumzulaufen – egal ob im Wald, auf der Straße, in der Stadt, im Dorf, in Cafés, im Zug oder im Bus. Es fühlt sich einfach normal an, und ich habe überhaupt keine Schamgefühle mehr, was das Barfußlaufen angeht.
An einem Distelbusch habe ich etwas gesehen, was ich noch nie zuvor gesehen habe: bestimmt 30 Schmetterlinge auf einmal. Wow.
Ein älterer Mann auf dem Fahrrad ist an mir vorbeigefahren, hat mich freundlich begrüßt und ebenfalls nicht ausgelacht. Das Schamgefühl habe ich überwunden, aber im Dorf habe ich das T-Shirt wieder angezogen.
Nach dem Spaziergang: Ich bin jetzt total platt. Ich bin erschöpft, vor allem an den Füßen. Es ist eine gute Art der Erschöpfung. Es war ein schöner Tag allein.
Am Abend habe ich den Film „Die Waffen der Frauen“ auf ARTE geschaut, mit Harrison Ford und Sigourney Weaver. Mir war nicht klar, dass Sigourney Weaver die erste Frau war, die mit dem Film "Alien" die erste weibliche Heldin darstellte, die nicht in einem Abendkleid oder Bikini gezeigt wurde und nicht sexualisiert dargestellt war.