Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

12. Oktober 2023: Leben ohne Fahrrad, Email-App und Browser-Lesezeichen

12. Oktober 2023. Ich bin heute gegen 7 Uhr aufgewacht, weil jemand die Haustür zugeknallt hat. Dann bin ich aufgestanden, habe mein Frühstück genommen, mir kurz die Haare gekämmt, die Achseln gewaschen und bin in die Bibliothek gegangen. Um 8 Uhr war ich der Erste im vierten Stock.

Dann kam jemand durch den Gang. Es war die Carmen. Sie kam durch den breiten Gang auf meinen Tisch zu und lächelte mich an. »Hallo«, sagte sie zu mir. Ich lächelte zurück und sagte auch »Hallo«. Sie setzte sich an den Tisch vor mir, mit dem Rücken zu mir. Und das, obwohl alle Tische weit und breit leer waren.

Dann kam die Jurastudentin und setzte sich hinter mir. Dann hat sie den Platz gewechselt. Wahrscheinlich haben die Steckdosen in letzter Zeit wirklich nicht funktioniert und ich hatte immer Glück, dass an meinem Stammplatz die Steckdosen immer funktionierten. Dann kam die rothaarige Studentin und kurz darauf ihre brünette Freundin. Im Vorbeigehen lächelten mich beide an und setzten sich an den Tisch hinter mir. Sie setzten sich ebenfalls um. Das sind wohl tatsächlich die Steckdosen.

Ich bin kurz rausgegangen, weil ich gestern im Bett überlegt habe, mein Fahrrad, das ich sowieso nicht benutze, zu verschenken. Dazu habe ich es einfach aufgeschlossen und den Schlüssel im Schloss stecken lassen. Mit einem Stift, den ich mir in der HanoMacke ausgeliehen hatte, habe ich auf ein Blatt Papier »Fahrrad zu verschenken« geschrieben und es hinten am Fahrrad befestigt.

Erst wenn man alle Horkruxe (Erinnerungsstücke von Jule) vernichtet hat, kann man die Vergangenheit endgültig loslassen. Das erklärt auch, warum ich trotzdem immer wieder an Jule dachte (vielleicht, weil ich noch nicht alle Horkruxe unserer Beziehung vernichtet hatte). Heute habe ich den letzten Horkrux vernichtet. Es gab keine physische Erinnerung mehr an meine Beziehung mit Jule.

Gegen 10 Uhr ging ich noch einmal raus, um im HanoMacke noch einen Kaffee zu trinken. Es hatte genieselt, aber ich hatte meine Regenjacke an und stand draußen und genoss meinen warmen Filterkaffee - mit Blick auf den Eingang der Bibliothek und der Vorstellung, dass Carmen jetzt rauslaufen würde, um mich zu finden und doch zu sagen: »Ja, ich will dich zum Kaffee treffen!«. Leider kam es nicht dazu.

Danach ging ich zum Steintor und machte einen kleinen Spaziergang zum Bahnhof. Bei der Buchhandlung Hugendubel bin ich kurz stehen geblieben, weil mir eine große Frau ganz in Schwarz aufgefallen ist. Sie ging kurz in die Buchhandlung hinein. Ich habe ein bisschen weiter draußen gewartet und überlegt, ob ich reingehen und sie ansprechen soll. Aber dann dachte ich, nein, das mache ich nicht, ich gehe jetzt zum Zug. Und sobald ich losging, kam sie plötzlich wieder raus und mit schnellen Schritten ging sie in Richtung Bahnhof.

50 Meter hinter ihr verfolgte ich sie, dann bog sie links in die Ernst-August-Galerie ein. Ich rannte ihr nach, weil sie so schnell war, und holte sie an der Ampel ein, wo sie wartete.

»Hey«, sagte ich etwas außer Atem, »ich habe dich gerade aus der Buchhandlung kommen sehen und du bist mir sofort aufgefallen, weil du so ein schickes schwarzes Outfit anhast. Hast du Lust auf ein Date?«

»Ich habe einen Freund, aber danke für das Kompliment.«

»Alles klar, mach's gut«, antwortete ich und sie überquerte die Straße und ich ging, als wäre nichts gewesen, zum Gleis 13.

Heute um 11.40 Uhr im Zug habe ich Anna nach 20 Tagen ohne Antwort eine Erinnerungsnachricht geschickt »Dies ist eine automatische Benachrichtigung für Anna, damit sie Alexander nicht vergisst«.

Als ich in Borsum war, habe ich YouTube geguckt, Brot mit Mandelmus gegessen und mir YT-Videos über Leute angeschaut, die keinen Herd oder ein Klapphandy haben. So viel zum Thema Ablenkung. Aber gut, heute ist der radikale Schritt, mein Macbook in eine Produktivitätsmaschine zu verwandeln.

  1. Zuerst habe ich mich um die E-Mail-App gekümmert. Ich habe sie gelöscht, damit ich sie nicht so einfach zwischendurch öffnen kann. So muss ich mich auf der Website einloggen, um meine Mails abzurufen.
  2. Ich habe alle Lesezeichen im Browser entfernt.
  3. Ich habe Accounts gelöscht, die ich in letzter Zeit registriert habe.
  4. Unter »Content and Privacy« → »App Restrictions« nur Kamera, Safari und AirDrop erlaubt.
  5. Ich habe die Autofill-Funktion im Browser deaktiviert, um mir das unnötige Einloggen zu erschweren.
  6. Dann habe ich unter »Content Restrictions« nur bestimmte Webseiten erlaubt

Ich habe mir überlegt, keine YT-Videos mehr zu schauen, sondern nur noch Bücher zu lesen. Ich erhoffe mir dadurch mehr Konzentration und Fokus während des Tages. Bücher statt Videos. Weniger zufällige Inhalte konsumieren. Keine YT-Videos konsumieren, während ich esse. Und ich merke, sobald ich eine Doku oder eine Talkshow von Lanz sehe, wenn er Richard David Precht, Harald Welzer, Harald Lesch oder andere interessante Gäste hat, dann habe ich das Bedürfnis, während ich die Talkshow gucke, Essen in mich hineinzustopfen.

Dann habe ich mir gedacht: Was wäre, wenn ich gar nicht mehr google, also keine herkömmliche Suchmaschine mehr benutze? ChatGPT und Wikipedia würden mir reichen, eigentlich.

Heute habe ich den ganzen Tag mein Handy nicht in der Hand gehabt, denn wie sich am Abend herausstellte, als meine Mutter nach Hause kam: Ich hatte es in ihrem Auto auf der Rückbank liegen lassen. Die ganze Zeit dachte ich, ich hätte mein teures Handy verloren. Zum Glück nicht.


Mikroveränderungen:
  1. Fahrrad wegminimalisiert.
  2. Ich benutze kein E-Mail-Programm mehr, sondern rufe meine E-Mails direkt auf der Website ab.
  3. Ich habe das automatische Ausfüllen von Formularen im Browser deaktiviert und benutze die Lesezeichen nicht mehr.