Alexander Fufaev
Ich heiße Alexander FufaeV und hier schreibe ich über:

10. Juli 2023: Letzter Vortrag in der Uni und die rothaarige Mara

10. Juli 2023. Dieses Mal schlief ich etwas besser ohne Kissen - zum Glück, denn heute musste ich meinen allerletzten Vortrag halten. Ich saß noch vor der HanoMacke am Laptop mit einem Kaffee in der Hand und übte noch ein wenig die kritischen Stellen meines englischen Vortrags, den ich in einer Stunde halten sollte. Danach machte ich mich auf den Weg zum Institut für theoretische Physik. Ich war schon sehr aufgeregt. Als ich den Raum betrat, saßen dort zwei Professoren und vier Studenten. Die Aufregung legte sich, als ich beginnen durfte. Abgesehen von meinem trockenen Mund und dem auffälligen Ast in der Hand verlief der fast zweistündige Vortrag besser als erwartet. Nach einigen Fragen am Ende, die ich nicht beantworten konnte, erhielt ich von Prof. Jeckelmann die Note: 1.3.

Als ich das ITP-Gebäude verließ, fühlte ich mich so erleichtert. Auf irgendeine Weise hatte ich wieder das Gefühl, dass meine »Phase Independent Fit Method« nicht so schnell in Vergessenheit geraten würde. Sie schien vielversprechend für die Untersuchung von unbekannten Phasenübergängen zu sein.

Nun musste ich wirklich gar nichts mehr für die Uni erledigen, nicht einmal einen Vortrag halten. Erleichtert und frei ging ich in die Mensa zum Essen. Dort sah ich wieder die rothaarige Studentin, die mir in letzter Zeit aufgefallen war. Sie war sicher eins-achtzig Meter groß und hatte ein breites Becken, was mir an ihr besonders gefiel, ebenso wie ihre abstehenden Ohren. Das machte sie so einzigartig und einprägsam.

Als ich sie sah, verließ sie mit einem Tablett und ihren Freundinnen die Mensa. Nach meinem veganen Burger mit Pommes beschloss ich, sie zu suchen und mein Glück zu versuchen. Es war leicht, sie zu finden. Sie saß an einem Tisch mit ihren Freundinnen. Ich ging einfach zu ihrem Tisch, lehnte mich mit beiden Armen nach vorne und sprach sie an.

»Hey, du bist mir schon mehrmals in der Mensa aufgefallen. Du scheinst interessant zu sein. Ich mag deine Ohren.«

»Ähm, danke?!«, reagierte sie verwirrt, und ihre Freundinnen lachten.

»Ich wollte dich fragen, ob du Lust hättest, mich zu hei…, ähm«, ich hustete ironisch, »ich meine, ob du Lust hättest, mich gleich in die HanoMacke zu begleiten?«

»Danke für den Vorschlag, aber nein, ich habe leider kein Interesse.«

»Okay. Tschüss!«, sagte ich entschlossen und drehte mich um, um in die Bibliothek zu gehen und mir weitere 1%-Veränderungen zu überlegen. Eine davon setzte ich direkt in der Bibliothek um: Ich reduzierte das Passwort meines Smartphones auf vier Zeichen. Es nervte mich immer, das lange Passwort eingeben zu müssen, wenn die Gesichtserkennung nicht funktionierte oder das Handy wegen eines Updates neu gestartet wurde. Auch die Gesichtserkennung schaltete ich zum Entsperren des Handys ab und nutzte einfach das eingestellte vierstellige Passwort. Diese 1%-Veränderungen ersparten mir das genervte Stöhnen jedes Mal, wenn ich das lange Passwort eingeben musste.

Als ich nach der Bibliothek auf den Bus nach Hause wartete, bekam ich eine Nachricht von Lina. Chiara wollte wieder zu ihrem Freund ziehen und verließ daher unsere WG. Lina hatte bereits eine WG-Anzeige geschaltet und gab mir die Zugangsdaten zu ihrem Account, damit ich meine drei Favoriten aussuchen und ihr schicken konnte.

Zu Hause setzte ich mich an den Laptop und las mir die Bewerbungen durch. Die meisten Anzeigen ignorierte ich, weil sie sich anhörten, als wären sie einfach copy-pasted. Meine drei Favoriten schickte ich dann direkt in unsere WhatsApp-Gruppe. Kurz danach posteten auch Vanessa und Lina ihre Favoriten. Eine Person, die ich ausgewählt hatte, hatten auch Lina und Vanessa ausgesucht. Es war Antonia. Sie wollte in Hannover etwas Kreatives starten und begann ein Modedesign-Studium. Außerdem war sie ein ABBA-Fan. Der letzte Punkt reichte mir, um sie zu meiner Favoritin zu erklären.

Ich schloss das Browser-Fenster und legte mich aufs Bett, betrachtete die Decke. Ich fühlte mich in letzter Zeit so gut. Zu gut, dass es auf Dauer anstrengend war. Ich wollte zur Abwechslung mal wieder leiden, mal wieder melancholisch sein, mal wieder intensiv an die Vergangenheit denken.

»So, jetzt möchte ich mal wieder weinen«, flüsterte ich, machte das Lied »Sisters of the Light« als Dauerschleife an und fing an, an Mara zu denken...

Ich stellte mir vor, wie sie wieder an der Treppe am Bielefelder Bahnhof auf mich warten würde. Als sie mich bemerkte, fing sie an zu strahlen. Mit erhöhtem Lauftempo lief ich auf sie zu. Je näher ich ihr kam, desto mehr spürte ich ein Kribbeln im Bauch. Wir umarmten uns und ließen einander nicht mehr los. Wir schwebten in den Himmel zur Sonne und flogen durch die Wolken. Dann stellte ich mir vor, wie Mara jetzt zu ihrem Handy greifen würde, mich anrufen und mir sagen, dass sie mich in diesem Moment genauso vermisst, wie ich sie.


Mikroveränderung: Ich habe die Gesichtserkennung auf dem Smartphone ausgeschaltet und nutze stattdessen eine vierstellige Pin. Ich nutze generell keine Gesichtserkennung.